Jüngst hat Papst Franziskus der Diskussion um den Frauendiakonat neuen Auftrieb gegeben. Sabine Demel fasst die Argumente zusammen, die in der Debatte auf dem Tisch liegen.
Die Zulassung der Frauen zur Diakonenweihe – ist sie ein Zeichen der Zeit, das dem Selbstverständnis der Kirche entspricht und ihrer Sendung dient oder nur Ausdruck des Zeitgeistes, der nicht mit der Glaubenslehre vereinbar ist? Seit mehr als vier Jahrzehnten steht diese Frage im Raum der katholischen Kirche.
Seit mehr als vier Jahrzehnten: die Argumente für den Frauendiakonat liegen längst auf dem Tisch.
Das kirchliche Lehramt betont zwar schon über Jahrzehnte hinweg immer wieder, dass Frauen in unseren Tagen zunehmend nicht nur in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, sondern auch der Kirche aktiv tätig sind; doch sind nach wie vor Frauen zum Ständigen Diakonat nicht zugelassen. Dabei hat sich das höchste kirchliche Lehramt (Papst und Bischofskollegium) bislang über die maßgeblichen Gründe für den Ausschluss der Frauen vom Diakonat beharrlich ausgeschwiegen. Über die Motive des Schweigens in den Dokumenten der kirchlichen Autoritäten, warum auch in Zukunft nur Männer zum Empfang der Diakonatsweihe zugelassen werden, kann nicht wissenschaftlich nachgedacht werden, wohl aber über die Möglichkeiten und Grenzen, die rechtliche Einschränkung des Diakonats auf Männer abzuändern.
Der kirchenrechtliche Ist-Stand
Sucht man im Stichwortverzeichnis des kirchlichen Gesetzbuches von 1983 (CIC) nach dem Begriff „Diakon“, überrascht es, dass es keinen zusammenhängenden Abschnitt über den Diakonat und das Amt des Diakons gibt, sondern auf eine Vielzahl von Rechtsbestimmungen verwiesen wird. Schlägt man die angegebenen Stellen nach, so lassen sich im Horizont der hier zu behandelnden Frage drei Feststellungen treffen:
Über die Motive des Schweigens in den Dokumenten der kirchlichen Autoritäten, warum auch in Zukunft nur Männer zum Empfang der Diakonatsweihe zugelassen werden, kann nicht wissenschaftlich nachgedacht werden.
1. Von zentraler Bedeutung sind die beiden Grundaussagen des c.1008 und c.1009 CIC. Hiernach gehört der Diakonat zusammen mit dem Presbyterat und Episkopat zum Weihesakrament (c.1008), befähigt aber im Unterschied zu Presbyterat und Episkopat nicht (mehr) zum Handeln „in der Person Christi, des Hauptes“, sondern dazu, „dem Volk Gottes im Dienst der Liturgie, des Wortes und der Caritas zu dienen“, wie durch die Ergänzung des c.1009 um einen §3 im Jahr 2009 festgelegt worden ist.
2. Der Diakonat existiert in der katholischen Kirche in den zwei Ausformungen: als Weihe-Durchgangsstufe auf dem Weg zum Presbyterat und als eigenständige Weihestufe, dem sog. „Ständigen Diakonat“. Im Unterschied zum Diakon, der sich auf den Empfang der Priesterweihe vorbereitet, kann ein Ständiger Diakon verheiratet sein (c.1031) und sein Amt hauptberuflich oder in Verbindung mit einem Zivilberuf ausüben. Ist er hauptberuflich als Ständiger Diakon tätig, hat er das Recht auf eine seinem Familienstand angemessene Vergütung und soziale Absicherung (c.281).
Nach Ausweis des kirchlichen Gesetzbuches von 1983 umfasst allerdings das Amt des Diakons bis auf wenige Ausnahmen Tätigkeiten, die unter bestimmten Bedingungen auch ein Laie wahrnehmen kann, angefangen von den verschiedenen Formen der Verkündigung, der Leitung von Wort- und Gebetsgottesdiensten, der Gabenbereitung und Austeilung der Kommunion bis hin zur Taufspendung, Eheassistenz, Beerdigung und Mitwirkung bei der Ausübung der Hirtensorge in einer Pfarrei. Obwohl also der Diakon kraft der sakramentalen Weihe zum Kleriker-Stand gehört, hat er keine spezifisch klerikale Vollmacht, da nahezu alle ihm zugeschriebenen Aufgaben wenigstens im Notfall auch von Laien wahrgenommen werden können, teils kraft Taufe und Firmung, teils kraft Taufe, Firmung und besonderer Beauftragung.
Obwohl der Diakon zum Kleriker-Stand gehört, hat er keine spezifisch klerikale Vollmacht, da nahezu alle ihm zugeschriebenen Aufgaben wenigstens im Notfall auch von Laien wahrgenommen werden können.
3. Rechtlich besteht zwischen dem Diakonat und den beiden anderen Weiheformen eine untrennbare Verbindung hinsichtlich des Geschlechtes, nicht aber im Hinblick auf den Zölibat und auf das Handeln in der Person Christi, des Hauptes; denn einerseits sind Frauen von allen Formen der sakramentalen Weihe ausgeschlossen (c.1024), andererseits kann aber ein verheirateter Mann zum Ständigen Diakon geweiht werden (c.266 i.V.m. c.1031), und es gehört zur Eigenart des Diakons, nicht in der Person Christi, des Hauptes, zu handeln wie die Presbyter und Bischöfe (c.1009 §3).
Historische Schlaglichter
Ab dem 2. Jahrhundert ist der männliche Diakonat als Amt sowohl in der Westkirche wie auch in den Ostkirchen durchweg gut bezeugt. Damit ist der Diakonat schon von frühester Zeit an in der Kirche etabliert, verkümmert jedoch schon im Laufe des 1. Jahrtausends zur Durchgangsstufe zum Presbyterat und verbleibt so über Jahrhunderte hinweg. Erst das II. Vatikanische Konzil belebt den Diakonat wieder neu als eigenständige Weihestufe und führt neben dem Diakonat als Durchgangsstufe den sog. Ständigen Diakonat für Männer ein. Maßgeblich hierfür war die Auffassung der Konzilsväter, dass die vielen bereits in der Kirche diakonisch tätigen Männer auch mit der dazu gehörenden sakramentalen Gnade des Diakonats gestärkt werden sollen, um den diakonischen Dienst wirksamer zu erfüllen (AG 16,6).
Der ab dem 2. Jahrundert gut bezeugte Diakonat verkümmerte im Laufe des
1. Jahrtausends.
Für den weiblichen Diakonat als Amt ist dagegen die Quellenlage nicht so eindeutig, zumal dessen Entwicklung in den Kirchen des Ostens und Westens unterschiedlich verläuft. Fasst man den Forschungsstand über die kirchliche Tradition des weiblichen Diakonates von der Alten Kirche bis in die Neuzeit zusammen, so muss festgestellt werden, dass das Diakoninnen-Amt weder gesamtkirchlich verbreitet war noch zeitlich kontinuierlich bestand. Nicht nur in den Kirchen des Ostens und Westens, sondern auch in den einzelnen Ortskirchen war der weibliche Diakonat recht unterschiedlich beheimatet und ausgestaltet. Es lässt sich keine klare Entwicklungslinie vom einen zum nächsten Jahrhundert nachzeichnen.
Diakoninnen-Amt: weder gesamtkirchlich noch kontinuierlich in der Kirchengeschichte feststellbar
Die Funktionen variierten in den jeweiligen Zeiten entsprechend den jeweiligen pastoralen Erfordernissen der Ortskirchen. Mehr kann aus der vielfältigen und uneinheitlichen Quellenlage nicht herausgelesen werden. Freilich kann man diesen geschichtlichen Befund als einen schlagenden Beweis für die Freiheit der Kirche bewerten, Frauen als Diakoninnen je nach Bedarf anzuerkennen und jeweils auszustatten;[1] alle weitergehenden Schlussfolgerungen sind aber nicht haltbar, etwa dergestalt, dass „die alt-kirchliche Diakonin Funktionen [hatte], die sich wesentlich von denen des männlichen Diakons unterscheiden,“[2] oder im gegenteiligen Sinne, dass die Quellen eine vollkommene Gleichwertigkeit von Diakon und Diakonin bezeugen.[3]
Anfragen an die Konzeption des Diakonats in Abgrenzung und Bezug zu Episkopat und Presbyterat
Der Diakon soll der Kirche vor Ort zeichenhaft verdeutlichen, dass einer ihrer Grundvollzüge, die Diakonie, der Dienst an den Nächsten ist. Der Diakon verkörpert die unaufgebbare Sendung der Kirche, Anwalt der (leiblich und/oder geistlich) notleidenden Menschen zu sein, indem er diese aufsucht, sich ihnen zuwendet und deren Anliegen „in das Bewusstsein, in das Handeln und in die Liturgie der Gemeinde“ hineinträgt.[4] Dass diese Aufgabe mit einer sakramentalen Weihe verbunden ist, macht den Gläubigen deutlich, wie wichtig und zentral diakonales Wirken ist. Weihe und Amt bedeuten nicht, dass die Amtsträger etwas an Stelle der Glaubensgemeinschaft tun sollen, sondern dass sie Zeichen für die Glaubensgemeinschaft sein und sie zu den Grundaufgaben befähigen sollen.
Weihe und Amt bedeuten nicht, dass die Amtsträger etwas an Stelle der Glaubensgemeinschaft tun sollen, sondern dass sie Zeichen für die Glaubensgemeinschaft sein und sie zu den Grundaufgaben befähigen sollen.
Aus theologischer Sicht ist allerdings die Abgrenzung der Diakonenweihe von der Priester- und Bischofsweihe, wie sie in c.1009 §3 CIC vorgenommen ist, nicht unproblematisch – zumindest wenn die Aussage aus dem Konzilstext „Presbyterorum ordinis“ Art. 2, Absatz 3, zugrunde gelegt wird, wonach die Zeichnung mit einem besonderen Prägemal die geweihte Person mit Christus gleichgestaltet, so dass sie „in der Person Christi, des Hauptes“ zu handeln vermag. Ist somit nach PO 2,3 das Handeln „in der Person Christi, des Hauptes“ eine Wirkung der Zeichnung mit dem untilgbaren Prägemal, empfängt der Diakon zwar (weiterhin) das untilgbare Prägemal, aber nicht (mehr) die Befähigung, „in der Person Christi, des Hauptes“ zu handeln (c.1009 §3). Das wirft die Frage auf: Ist der Diakon damit ein Weiheamtsträger bzw. Kleriker „zweiter Klasse“?
Ist der Diakon ein Kleriker „zweiter Klasse“?
Gibt es also Kleriker, die „in der Person Christi, des Hauptes“, handeln, und Kleriker, die das nicht tun? Was unterscheidet dann noch den Diakon vom Laien? Und: Inwiefern ist mit dieser Grenzlinie zwischen Diakonat einerseits und Priester- und Bischofsweihe andererseits noch die Einheit des Weihesakramentes gewahrt, die immer wieder als ein Hauptargument gegen die Zulassung von Frauen zur Diakonatsweihe geltend gemacht wird?
Theologisch-rechtliche Schlussfolgerungen
1. Der Diakonat weist offensichtlich mehr Unterschiede zum Priester- und Bischofsamt auf als Gemeinsamkeiten. So gibt es nur den Diakonat in den zwei Ausprägungen des Ständigen Dienstes und der Durchgangsstufe zur Priesterweihe. Darüber hinaus hat der Ständige Diakonat keine durchgehende Tradition und ist in der Lateinischen Kirche nicht zwangsläufig mit dem Zölibat verbunden wie der Presbyterat und Episkopat. Des Weiteren wird die Diakonenweihe zur Dienstleistung gespendet und nicht zum Handeln „in der Person Christi, des Hauptes“ wie die Weihe des Presbyterats und Episkopats.
2. Geschichtlich betrachtet gab es phasenweise und regional einen Frauendiakonat mit eigenem Profil. In der bisherigen Tradition des Diakonats hat die Kirche auf jeden Fall eine große Freiheit in der Ausgestaltung dieser Weiheform entsprechend den Zeichen der Zeit an den Tag gelegt. Daran sollte sie sich wieder erinnern und die Geschlechterfrage beim Ständigen Diakonat nicht überbewerten. Die Frage nach der Einführung eines Frauendiakonates muss klar von der Diskussion um das Frauenpriestertum getrennt werden.
In der bisherigen Tradition des Diakonats hat die Kirche eine große Freiheit in der Ausgestaltung dieser Weiheform entsprechend den Zeichen der Zeit an den Tag gelegt.
3. Der Diakonat als sakramentale Vergegenwärtigung des dienenden Christus und der dienenden Sendung der Kirche fordert vor allem die Fähigkeiten der Aufmerksamkeit, des Hinhörens, der Offenheit, des Tröstens und der Hingabe, wie sie Jesus Christus der Kirche in Wort und Tat vorgelebt und in seiner Nachfolge aufgetragen hat. Genau diese Fähigkeiten besitzen aber erfahrungsgemäß Frauen in ausgeprägterer Form als Männer, weshalb gerade Frauen in diakonischen Berufen tätig sind. Diese Tatsache wird in der Regel weniger auf einen Wesensunterschied zwischen Männern und Frauen zurückgeführt, sondern „auf geschlechtsspezifische Gewohnheiten und Vorlieben. Vielleicht nicht einfach von Natur aus, sicher aber aufgrund der Sozialisation kommt durch Frauenerfahrungen ein großer Schub an Erdung, Konkretion, an Leib- und Sinnenhaftigkeit, an Beziehung in die Theologie, Diakonie, Verkündigung und Liturgie.“[5] So hat auch schon Papst Johannes Paul II. betont:
„Denn besonders in ihrer Hingabe an die anderen im tagtäglichen Leben begreift die Frau die tiefe Berufung ihres Lebens, sie, die vielleicht noch mehr als der Mann den Menschen sieht, weil sie ihn mit dem Herzen sieht.“[6]
Die Frau „scheint von der besonderen Erfahrung der Mutterschaft her eine spezifische Sensibilität für den Menschen und für alles, was sein wahres Wohl ausmacht, angefangen vom fundamentalen Wert des Lebens zu besitzen.“[7]
Und an anderer Stelle führt er aus:
„Vor allem unsere Zeit [erwartet], dass jener ,Genius‘ der Frau zutage trete, der die Sensibilität für den Menschen, eben weil er Mensch ist, unter allen Umständen sicherstellt … .“[8]
Die Zulassung von Frauen zur Diakonatsweihe ist nicht nur theologisch und rechtlich unbedenklich, sondern ein drängendes Gebot der Stunde, um den Zeichen der Zeit gerecht zu werden.
Hat damit nicht schon Papst Johannes Paul II. zum Ausdruck gebracht, dass Frauen in besonderer Weise geeignet sind, die dienende Sendung Christi und der Kirche sakramental zu vergegenwärtigen? Ist daraus nicht die Konsequenz zu ziehen, dass der Diakonat endlich auch eine Weiheform für Frauen werden muss? Anders gesagt: Die Zulassung von Frauen zur Diakonatsweihe ist nicht nur theologisch und rechtlich unbedenklich, sondern ein drängendes Gebot der Stunde, um den Zeichen der Zeit gerecht zu werden.
für feinschwarz.net gekürzte Fassung aus: Sabine Demel, Frauen und Kirchliches Amt. Grundlagen – Grenzen – Möglichkeiten, Freiburg i.Br. 2012, 147-173; Bild: Annamartha / pixelio.de
[1] Vgl. Niewiadomski, J., Notwendige, weil Notwendende Diakoninnenweihe, in: ThPQ 4 (1996), 339–348, 342f.
[2] Hauke, M., Diakonat der Frau?, in: Forum katholische Theologie 12 (1996), 36–45, 38.
[3] Vgl. Frohnhofen, H., Weibliche Diakone in der frühen Kirche, in: StZ 204 (1986), 269–278, 277.
[4] Ansorge, D., Die wesentlichen Argumente liegen auf dem Tisch. Zur neueren Diskussion um den Diakonat der Frau, in: HK 47 (1993), 581–586, 585.
[5] Hintersberger, B., Grundsätze für die Entfaltung des Diakonats, in: Ein Amt für Frauen in der Kirche – Ein frauengerechtes Amt?, hrsg. v. Hünermann, P., Biesinger, A., Heimbach-Steins, M., Jensen, A., Ostfildern 1997, 248–249, 248f.
[6] Brief Papst Johannes Pauls II. an die Frauen, 29. Juni 1995, in: VAS, Heft 122, Nr. 12.
[7] Nachsynodales Apostolisches Schreiben „Christifideles laici“ von Papst Johannes Paul II. über die Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt, 30. Dezember 1988, in: VAS, Heft 87, Nr. 51, S. 83.
[8] Apostolisches Schreiben „Mulieris Dignitatem“ von Papst Johannes Paul II. über die Würde und Berufung der Frau anlässlich des Marianischen Jahres, 15. August 1988, in: VAS, Heft 86, Nr. 30, S. 67.