Der irische Bibelwissenschaftler J. Andrew Doole erkundet die humorvolle Seite des Neuen Testaments.
In seinem 2005 erschienenen Buch Der lachende Christus nimmt Adolf Holl Bezug auf das Judasevangelium. Das lange verlorene Evangelium wurde erst 1983 wieder entdeckt, eine erste (englische) Übersetzung erfolgte 2006. Doch das Merkmal des dort dargestellten Christus ist nicht nur seine enge Beziehung zum wahren Jünger Judas, sonst immer als Verräter dargestellt, sondern auch die große Ironie, die ein richtiges Verständnis der Passion umhüllt. Und Jesus? Er lacht.
In unseren vier kanonischen Evangelien lacht Jesus nicht. Er spricht: „Wehe euch, die ihr jetzt lacht, denn ihr werdet trauern und weinen!“ (Lk 6,25b) Dagegen sind es die Trauenden, die ihn auslachen, als er behauptet, die Tochter des Jairus schlafe bloß (Mk 5,40a par.). Hat also unser kanonischer Jesus keinen Humor?
Dürfen wir auch jetzt schon mal?
Ein alter Spruch lautet, „Wer zuletzt lacht, lacht am besten.“ Und Christen, die das ewige Leben im Himmelreich zu erben wissen, sollten am Ende am besten lachen. „Glückselig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.“ (Lk 6,21) Dürfen wir also nicht auch jetzt schon mal?
Der Jesus der kanonischen Evangelien zeigt seinen vielfaltigen Humor an mehreren Stellen. Dass er dabei selbst nicht lacht, sollte nicht erstaunen, denn er erzählt mit Witz und lädt uns ein zum Lachen. Ob es in den folgenden Beispielen um die Komik zwischen dem historischen Jesus und seinen damaligen aramäischen Zuhörern geht oder sich darin eher der Humor der Evangelisten in den späteren christlichen Gemeinden spiegelt, muss dahingestellt bleiben. Was ich eher zeigen möchte, ist die Anwesenheit humorvoller Überlieferungen über Jesus, die allerdings nicht mehr als lustig gelten, weil sie inzwischen so tief in unsere Kultur eingebettet sind. Wenn wir frisch zuhören, erkennen wir allerdings das Lustige daran. Und Jesus selbst ruft humorvoll auf, „Wer Ohren hat, der höre!“ (Mt 11,15 & 13,9).
Es hat schon Forschung zu mehreren Stellen in den Evangelien gegeben, wo Humor deutlich eine wichtige Rolle spielt. Der eine Mann baut sein Haus auf Sand (Mk 7,26), der andere hat einen Balken im Auge, bietet aber seinem Freund eine feine Leistung an (Mt 7,3–5 // Lk 6,41–42). Ein Kamel soll durch ein Nadelöhr gehen (Mt 19,24 // Lk 18,25) oder wird von den Pharisäern und Schriftgelehrten verschluckt (Mt 23,23–24). Jesus kann in seiner Lehre Sarkasmus anwenden (Mk 7,9 – „Wie fein hebt ihr Gottes Gebot auf, damit ihr eure Satzungen aufrichtet!“; Lk 6,9 – „Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.“) oder sich sogar sardonisch äußern (Lk 6,39 – „Der alte [Wein] ist milder.“). Diese und viele andere Stellen sind schon, zwar nicht konsequent im Zusammenhang, aber doch einzeln, gut geforscht worden. Es verlangt auch nicht viel Mühe, um zu begreifen, dass sich hier ein gewisser Humor in den Worten Jesu zeigt.
Versteckter Humor
Das größte Problem für alle, die Humor in der Bibel erforschen, ist weder ein kulturelles noch ein theologisches, sondern dass, wie wir ja wissen, kein Witz lustig ist, sobald er erklärt werden muss. Es ist also besonders problematisch, wenn man die Witze nicht einfach darstellen darf, wie in den oben genannten Beispielen, sondern sie wirklich auslegen muss, weil scheinbar irgendetwas verloren gegangen ist entweder zwischen Jesus und den Evangelisten oder zwischen diesen und uns. In den folgenden Beispielen werde ich also versuchen, einen versteckten Humor zu entdecken, der die Pointe der Wortwahl tatsächlich erhellen könnte.
Als erstes darf ich die Spitznamen der Jünger erwähnen. Warum der eine „Zwilling“ genannt wird, dürfte daran liegen, dass er wie Jesus aussah (NHC II,7 138). Dass der unzuverlässige Simon „Fels“ genannt wird, spiegelt möglicherweise das Schicksal der Samen wider, die auf „felsigen Boden“ fallen (Mk 4,5.16 par.). Wie wäre es also mit seiner wichtigsten Jüngerin? Maria Magdalena (aram.-syr. magdlaitha) könnte ihren Namen dem Wort magdla, der Turm, verdanken. Vielleicht ist sie besonders groß gewesen, um diesen Namen zu verdienen! Ich müsste aber auch – vor allem wegen der obigen Petrus-Auslegung – Raum für die Möglichkeit lassen, dass sie im Gegensatz zum riesigen „Little John“ aus der Robin Hood Legende besonders klein gewesen sein könnte und deswegen ihren Namen aus reinem Sarkasmus erhalten haben könnte. Doch das ginge für die meisten Exegeten gewiss ein Schritt zu weit.
Spaß unter Jungs
Zum Thema Jüngerkreis gehört dann auch Geplänkel, wie es scheinbar in Mk 6,37 bei der Speisung der fünf Tausend (Männer) der Fall ist: „Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen (δότε αὐτοῖς ὑμεῖς φαγεῖν)! Und sie sagen zu ihm: Sollen wir hingehen und für zweihundert Denare Brot kaufen und ihnen zu essen geben?“ Sowohl der Befehl wie auch die Frage stellen etwas Unmögliches vor. Das führt natürlich nach guter markinischer Kunst zu einem Wunder. Doch lasst uns bitte diesen kurzen Wortwechsel nicht überlesen. Jesus ist sehr abrupt, die Jünger völlig sarkastisch. Warum klingt diese Szene so unfreundlich? Wer junge Männer in Gruppen erlebt hat, der wird wissen, dass das anscheinend Unfreundliche oft nur ein harmloses Hin und Her ist, das den Jungs Spaß macht. Da diese Wechselrede keine negative Auswirkung zu haben scheint, was bei Mk natürlich immer möglich gewesen wäre, ist es vielleicht geschickter, in ihr einen Aspekt des Kleingruppenzusammenseins zu sehen, ganz eng mit dem Humor zwischen jungen Männern verknüpft.
Die Jünger aber sind bei Mk nicht besonders begabt. Das zeigt sich immer wieder. In der dritten Seereise spielt Brot seltsamerweise eine zentrale Rolle. Jesus versucht dann in Mk 8,15–16 einen didaktischen Witz zu machen, indem er warnt, „Schaut zu und seht euch vor vor dem Sauerteig der Pharisäer und vor dem Sauerteig des Herodes!“ Doch der Witz trifft auf taube Ohren: „Und sie bedachten hin und her, dass sie kein Brot hätten.“ Wir haben es hier also nicht nur mit einem gescheiterten Witz Jesu zu tun, sondern auch mit einer Darstellung dummer Jünger, die immer noch nichts kapieren.
Es sind nicht nur die Jünger, die Jesu Worte nicht verstehen, sondern auch viele Dabeistehenden. Ein mögliches weiteres Zeichen des Humors ist in diesem Fall aber ziemlich geschmackslos. Jesus kommt in einem Haus der Trauer an und sagt, „Was lärmt und weint ihr? Das Kind ist nicht gestorben, sondern es schläft.“ (Mk 5,39) Soll das lustig sein? Für die Zuhörer des Evangeliums schon! Sie verstehen, was Jesus damit meint – so funktioniert Ironie. Doch es sind, höchstironisch, die Trauenden, die plötzlich lachen. Humor spielt also in diesem Fall wieder eine doppelte Rolle – Jesu geschmacksloser Witz, den nur die, die an ihn glauben, verstehen können, und das Lachen im Nachhinein über die Gäste, die Jesus aus Unverständnis ausgelacht haben. Der Witz geht auf ihre Kosten.
Störung um Mitternacht
Die Lehre Jesu betrifft viele Aspekte des damaligen Bauerlebens (Es ist vielleicht bemerkenswert, dass Jesus viel mehr über Äcker zu sagen hat als über Fische!). Ein anderer Aspekt, die Freundschaft, ist ein universales Thema. Das erlaubt eine zeitübergreifende Identifikation. Ein Freund ist ein Freund. Man mag sich ab und zu ärgern, aber eine echte Freundschaft ist ausdauernd. Das merkt man in Lk 11,5–8 mit dem Freund, den man um Mitternacht stören darf, als er und seine Kinder schon im Bett sind, um ihn um Brötchen zu bitten. Das diene als Metapher für Gott, der mit seinen Kindern im Bett liege, und wegen der Störung böse werde! Beten ohne Ende führt zur Erfüllung der Bitten. Das Gottesbild ist sonderbar, das Gleichnis lustig – ein Szenario, über das man nachher mit dem Freund lachen wird, wenn man sich in den folgenden Tagen entschuldigt und bedankt.
Ich arbeite zur Zeit zum Thema „Observational Comedy in Lk 15“, und werde hoffentlich auch dort zeigen können, dass der Mann, der ein Schaf aussucht, die Frau, die eine Münze findet, und der Vater, der seinen bösen Sohn wieder aufnimmt, eigentlich auch Geschichten bilden, in denen Humor ein wesentlicher Aspekt der Auslegung sein müsste. Es lässt sich natürlich vieles mehr entdecken, sogar im Johannesevangelium, das ich noch nicht berührt habe (Man denke an die Szene der Hochzeit in Kana). Andere Dialoge bei den Synoptikern müssten auch untersucht werden, um Spuren eines schrägen Humors zu finden: Jesu erste Begegnung mit den Tempelautoritäten, auf die wir Zuhörer schon lange gewartet haben, endet mit der Nicht-Enthüllung: „So sage ich euch auch nicht, aus welcher Vollmacht ich das tue.“ Da lacht das Publikum wieder, dass Jesus seine Gegner überlistet. Vielleicht lächelt Jesus sogar auch, wenn er diese Worte spricht.
Beobachtungskomik
Schließen möchte ich aber mit einem sehr feinen Beispiel der Beobachtungskomik, die allzu real und gleichzeitig skurril gewirkt haben muss. In Lk 14,16–24 spricht Jesus von einem großen Abendmahl. Doch die Eingeladenen haben alle ihre Ausreden (Lk 14,18–20). Der eine muss unbedingt einen neugekauften Acker besichtigen, der andere will seine neugekauften Ochsen ausprobieren, und der dritte hat selbst frisch geheiratet (!). Die Entschuldigungen sind äußerst seltsam und sonderbar, doch kennen wir das nicht, dass ein Gast eine verrückte Ausrede bietet? Das kannte nicht nur die Pharisäer, bei denen Jesus eingeladen war, sondern auch die Zuhörer des Lukasevangeliums. Und auch wenn diese nicht mehr Erstzuhörer sind, sondern getaufte und hingebungsvolle Christen, mag das bekannt vorkommen, wenn Brüder nicht zum christlichen (Abend)Mahl auftauchen, weil sie so oder so beschäftigt seien. Der lukanische Jesus macht sich lustig über Leute mit ihren Ausreden, nicht nur weil die Ausreden doof sind, sondern weil für ihn jede Begründung, am christlichen Glauben nicht teilnehmen zu können, so blödsinnig wie diese Beispiele ist.
Manchmal finden wir also klare Beispiele für Humor in den Evangelien. Manchmal müssen wir den Humor herausarbeiten. Dann trägt er aber zu unserem Verständnis der Texte, ihrer Kontexte, ihrer Deutung und ihrer Wirkung bei. Es gibt Freude im Himmel und es gibt Freude auf Erde. Wer kann sie hören? Welche Zauberkraft braucht er? Er braucht Ohren.
J. Andrew Doole
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