Joachim Kügler ist Professor für Neues Testament. Da kann man schon einmal darüber nachdenken, was das Ganze soll.
Ach Gott, die Bibel! Seit mehr als 50 Jahren wird dem Kirchenvolk jetzt eingebläut, dass sie unbedingt die Bibel lesen müssen. Bibelkreise, Bibel-Teilen, Bibliodrama, Bibeltage, Bibelgärten, biblisch kochen, biblisch singen und was weiß ich noch alles.
Freilich, die Normalkatholikin – generell recht resistent gegen gute Ratschläge ihrer Oberen – schert sich kaum darum und der Durchschnittskatholik noch weniger. Männer und Bibel – eh so ein Thema heutzutag. Männer und lesen überhaupt.
Jedenfalls, angestrengteste Bibelpropaganda am Durchschnittschristen fast spurlos vorbei gegangen und an der Christin auch. Nicht nur dass die Zahl der regelmäßigen Bibelleserinnen im Katholischen nicht gestiegen ist, sie sinkt jetzt auch bei den Evangelischen!
Und? Soll man jammern? Ist doch mit der Bibel wie mit allen Büchern: „Wenn ein Aff’ reinschaut, kann kein Philosoph rausschauen“.
Die Bibel, das war etwas für Fachleute.
Das hat die die Kirche ja eh immer gewusst und ihre Kindlein von diesem schädlichen Buch fürsorglich abgehalten. Die Bibel, das war etwas für Fachleute, für Priestertheologen. Die kannten sich aus und es hat ihnen die Begegnung mit dieser gefährlichen Schrift praktisch nichts anhaben können. Die haben sozusagen die richtige Imprägnierung gehabt.
Jesus arm, die Kirche reich? Macht nix. Jesus gegen das Schwören, die Kirche verlangt’s? Macht nix. Niemanden Vater nennen, sagt Jesus, und die Kirche hat sogar einen Heiligen Vater? Macht nix! Jesus: die andere Wange hinhalten, und die Kirche: Kreuzzüge? Macht nix. Alles kein Problem, weil die Experten haben sich bei ihrem Blick in den Abgrund der Offenbarung nicht mit dem aufgehalten, was da stand.
Der Experte hat nämlich können lesen, was dort hätte stehen sollen! Aber damit ist es jetzt ja leider vorbei. Da haben sie dieses Vatikanum gemacht und jetzt sollen Kreti und Pleti dieses Buch lesen, und die lesen dann, was dort steht. Was dort stehen sollte, wissen die ja gar nicht!
Orte, die keiner kennt, Probleme die keiner mehr hat.
Ist ja eh besser. Hauptsache, die Bibel wird nicht gelesen. Du musst nämlich wissen, diese „Magna Charta des christlichen Abendlandes“ ist ein ziemliches Wirrwarr. Wie halt das Abendland auch. Kein rechter Handlungsfaden, ständig neue Figuren mit abenteuerlichen Namen und noch abenteuerlicheren Geschichten, widersprüchliche Aussagen, Orte, die keiner kennt, Probleme, die keiner mehr hat.
Und dann strotzt das Ganze nur so vor Wiederholungen – ich sag nur hundertfünfzig Psalmen, wo man doch nach den ersten schon weiß, dass Gott groß ist und der Frevler schlecht, aber erfolgreich.
Und dann die Evangelien! Viermal dieselbe Story, und garantiert ohne Spannung. Immer wieder den Ausgang vorher verraten, bis wirklich niemand mehr weiß, wozu noch weiter lesen. Wenn der Haas das machen tät. Kein zweites Buch verkauft, weil Silentium, erster Leser eingeschlafen. Nicht mehr erwacht.
„Aber die Botschaft“?
Was sagst’? „Aber die Botschaft“? Ja hör mir doch auf! Also Minderjährige sollten die Bibel sowieso nicht lesen. Sex and crime! Jugendgefährdend Hilfsausdruck. Und am Ende kämen die Kinder auch noch auf den Gedanken, prügelnde Väter wären gottgewollt.
Und Frauen auch, Hände weg! Töchter vom Papa zur Massenvergewaltigung angeboten, in die Sklaverei verkauft, mit ihrem Vergewaltiger verheiratet oder als Votivgabe geopfert. Ehefrauen Besitz ihres Mannes. Wo es doch heutzutage eher umgekehrt ist. Normale Ehe: betreutes Denken für den Mann.
Na ja, in der Bibel Frauen oft gar nicht so richtig erwähnt. Klar, kannst sie dir bei den „Söhnen Israels“ oder den „Brüdern in Christus“ gedanklich reinschmuggeln. Musst aber nicht. Und die lieben Schwulen, ebenfalls Hände weg! Schwulenfeindlichkeit Hilfsausdruck! Lesben – weil weiblich – in der Regel nicht einmal erwähnt. Rechte sexueller Minderheiten? Ha!
Friedenstauben, ebenfalls Hände weg! Ich sag’ mal, da tobt der heilige Krieg auf jeder Seite. Hauptsache die Richtigen siegen. Mitleid mit Frauen und Kindern? Denk bloß nicht dran! Dafür haut dich Gottes Racheengel dermaßen aufs Auge, Guantanamo Wellness-Oase dagegen.
Lies doch selber! Dann wirst schon sehen!
Und in der Demokratie gehört die Bibel sowieso verboten. Die hat nix gegen a bisserl Sklaverei, null Arbeitnehmerrechte, Propaganda für autoritäre Alleinherrscher. Da macht man sich heute über den Kanton Appenzell Innerrhoden lustig, weil dort erst 1990 das Frauenwahlrecht. Aber biblisch überhaupt kein Wahlrecht – nicht einmal für Männer!
Und Umweltschutz kommt natürlich auch nicht vor. Wenn das fußlahme Gottesvolk mal eine Abkürzung braucht, dann wird – ohne Rücksicht auf wertvollste Flora und Fauna – halt mal ein Meer trocken gelegt!
Veganer Lebensstil? Ja was denkst du! Tiere werden nicht nur zum Essen geschlachtet, sondern „zur Ehre Gottes“. Massenhaft. Der Tempel eine einzige Blutlache. Ohne Kühlung. Stinkt bestialisch, stell ich mir vor. Heißt aber „Haus Gottes“!
Und jetzt sagst du mir, mein Bild der Bibel ist einseitig? Dass ich nicht lache! Lies doch selber, dann wirst du schon sehen!
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Joachim Kügler ist Inhaber des Lehrstuhls für Neutestamentliche Wissenschaften an der Universität Bamberg.
Photo: Rainer Sturm/pixelio.de
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