Segnung der Liebe gleichgeschlechtlicher Paare nicht nur im Einzelfall – Kevin Hellmuth erklärt, warum dies durchaus im Sinne des Evangeliums wäre.
Kaum ein anderes Thema wurde in den letzten Monaten kontroverser diskutiert als die Frage, ob gleichgeschlechtliche Partnerschaften anerkannt und gesegnet werden können. Angestoßen wurde diese Debatte durch die so genannte „Ehe für alle“, die der deutsche Bundestag kurz vor der Sommerpause beschlossen hat. Die Öffnung der Ehe ist zwar bisher in den Augen keines kirchlichen Vertreters eine Option, dennoch hat sich seitdem ein weites Spektrum an Meinungen gezeigt.
Wenn schon keine Ehe, dann vielleicht doch eine Segnungsfeier? So zum Beispiel ein Gedanke des Osnabrücker Bischofs Bode, dem auch der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, zumindest in Einzelfällen, nicht abgeneigt gegenüber zu stehen scheint. Doch ist so eine „Ausnahmeregelung“, eine Segnung im Einzelfall, wirklich eine Lösung, die der Kirche und vor allem aber den Paaren gerecht wird?
Um das beantworten zu können, muss man sich vor Augen führen, aus welchen Gründen gleichgeschlechtliche Partnerschaften bisher von der Kirche abgelehnt werden, warum sie in keinem Fall mit der Ehe zu vergleichen seien und, was so eine Segnung theologisch eigentlich heißt.
Benedicere bedeutet gut heißen
Beginnen wir mit dem letzten… Was heißt es, etwas oder jemanden zu segnen? Segnen heißt im Lateinischen: Benedicere, und das heißt letztlich nichts anderes als: „gut heißen“ oder „Gutes zusagen“. Etwas gut heißen schließt an sich schon aus, dass es sich dabei um eine Verbindung oder eine Handlung handelt, die Sündhaftes impliziert oder darstellt. Eine Segnungsfeier im Einzelfall scheint also keine Lösung für die Kirche zu sein. Denn entweder sie sieht in homosexuellen Beziehungen bzw. dem Vollzug homosexueller Sexualität etwas Sündhaftes, dann kann sie nicht gesegnet werden. Oder sie sieht darin etwas, was durchaus Werte, die die Kirche für wichtig hält, verwirklicht und etwas darstellt, das gesegnet werden kann, dann kann es aber nicht als Sünde oder zur Sünde verleitend bezeichnet werden, jedenfalls nicht generell.
Die Suche nach sogenannten pastoralen Lösungen zeigt aber, dass ein Bewusstsein dafür, dass diese Beziehungen einen Wert haben und eben nicht als Sünde abzustempeln sind, auch bei kirchlichen Amtsträgern wächst.
Guter Schöpfergott?
Die Homosexualität ist eben keine freie Entscheidung des Menschen, sondern eine natürlich vorgegebene Disposition. Diese als eine Verleitung zu sündhaftem Verhalten zu sehen, bringt schöpfungstheologische Schwierigkeiten mit sich. Es müsste erklärt werden, warum diese Veranlagung überhaupt zur Natur des Menschen bzw. zur Natur einiger Menschen gehört. Wie geht das mit der Aussage, alles Geschaffene sei sehr gut (Gen 1), und der Liebe Gottes zu allen Menschen in gleicher Weise zusammen? Sind einige Menschen dazu verdammt, ihr ganzes Leben einer dauerhaften Versuchung ausgeliefert zu sein, die sie nicht loswerden können und die sie sich nicht gewählt oder „verdient“ haben? Bei einem Gott, der liebend und gerecht sein soll, ist das nur schwer vorstellbar.
Die Ehe, ein Bund der Liebe von Person zu Person
Neben der Schöpfungstheologie ist auch die Ehetheologie ein wichtiger Aspekt in dieser Frage. Die Ablehnung wird nicht zuletzt auch mit dem Schutz der Ehe, die ja auf Nachkommenschaft hingeordnet sei, begründet. Doch wenn man sich ansieht, wie die Theologie der Ehe als Bund zwischen zwei Menschen ausbuchstabiert wird, muss man feststellen, dass die Nachkommenschaft zwar nach wie vor als etwas Wichtiges betont und dargestellt wird, sie aber nicht zu den konstitutiven Elementen einer Ehe zu gehören scheint. Dies kann man z.B. daran festmachen, dass auch Ehen, die kinderlos bleiben, ihren vollen Wert und ihre volle Würde behalten (GS 50; AL 80). Die Ehe ist ein Sakrament, das heißt, in ihr geht es um die sichere Zusage von Gnade. Entscheidend für die Frage nach dem Konstitutiv der Ehe ist also die Wirkung der Gnade in ihr. Diese wird in Gaudium et spes und auch schon in früheren Dokumenten im Liebesbund zwischen den beiden Personen verortet:
„Diese eigentümlich menschliche Liebe geht in frei bejahter Neigung von Person zu Person, umgreift das Wohl der ganzen Person, vermag so den leib-seelischen Ausdrucksmöglichkeiten eine eigene Würde zu verleihen und sie als Elemente und besondere Zeichen der ehelichen Freundschaft zu adeln. Diese Liebe hat der Herr durch eine besondere Gabe seiner Gnade und Liebe geheilt, vollendet und erhöht. Eine solche Liebe, die Menschliches und Göttliches eint, führt die Gatten zur freien gegenseitigen Übereignung ihrer selbst, die sich in zarter Zuneigung und in der Tat bewährt, und durchdringt ihr ganzes Leben; ja gerade durch ihre Selbstlosigkeit in Leben und Tun verwirklicht sie sich und wächst“ (GS 49) (Vgl. AL 80 u. 89).
Neben der Tatsache, dass die Konstitution hier auf eine geschlechtliche Bestimmung verzichtet, sondern davon spricht, dass diese Neigung von Person zu Person geht, zeigt es, dass die Ehe vor allem erstmal ein Bund zwischen den beiden Menschen ist, die sich dieses Sakrament gegenseitig spenden und sie darüber hinaus in eine vertiefte Beziehung mit Gott setzt. Die Argumentation, die Ehe müsse aufgrund der Nachkommenschaft von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften unterschieden werden, scheint somit also keine zwingende zu sein, da sie sich nicht auf den konstitutiven Kern der Ehe zu beziehen scheint.
Fruchtbarkeit ist mehr als biologische Reproduktion
Dass die Nachkommenschaft sehr wohl ein wichtiger Aspekt ist, soll hier nicht bestritten werden. Sie ist eine Ausdrucksform der Fruchtbarkeit, welche wesentlich zur Ehe gehört. Diese Fruchtbarkeit kann sich aber nicht nur in biologischer Reproduktion, sondern auf vielfältige Weise ausdrücken (AL 94 u. 95).
Eine Änderung des Denkens?
Allein dieser kurze Anriss verschiedener Fragestellungen und theologischer Überlegungen zeigt schon, dass es einer Neubeurteilung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften bedarf, und der Anstoß, den Bischof Bode nun gegeben hat, einer ist, der schon überfällig gewesen zu sein scheint.
Ob und wie gleichgeschlechtliche Partnerschaften dann im Leben der Kirche verortet werden, muss hier noch offenbleiben, auch wenn erste mögliche Denkrichtungen angeschnitten worden sind. Die Frage nach der konkreten Form ist eine, die sicher notwendig ist, der aber die theologische Aufarbeitung und die Überwindung der Betitelung als schwerer Sünde vorausgehen muss. Der Wert, den diese Beziehungen darstellen, sollte endlich anerkannt werden. Akzeptanz, Wertschätzung und letztlich zwischenmenschliche „Gutheißung“ gehen einer liturgischen Benediktion voraus und machen diese überhaupt erst möglich. Vor der Änderung des Handelns steht eine Änderung des Denkens. Der Anstoß von Bischof Bode macht Hoffnung, dass diese Änderung des Denkens nun auch die Ebene der Kirchenleitung erreicht hat.
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Kevin Hellmuth absolviert gerade das Pastoraljahr der Diözese Innsbruck.
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