Zu was eine Autopanne alles gut sein kann: Wolfgang Beck über die neue Holzkirche in Holzkirchen.
Es nervt, total. Ich fahre ein altes Auto. Viele Dellen, aber liebenswert. Es verleiht mir den Nimbus des Bildungsbürgers. Ich sage mir: Statussymbole brauchen andere. Seit es den Papst im Kleinwagen gibt, schleicht sich sogar Triumphgefühl ein. Jetzt bloß nicht schwach werden, denke ich beim Blick auf Autohäuser häufiger. Dass ich weit entfernt vom eigenen Wohnort mit einer Panne an der Autobahn stehe und auf den Abschleppwagen warte, ist trotzdem nicht eingeplant. Standstreifen, südlich von München. Es ist Sonntag, da ist alles kompliziert.
Ich warte und hadere mit der alten Karre …
Ich warte und hadere mit der franziskanisch motivierten Entscheidung, der alten Karre die Treue zu halten. Was tut man da so auf dem Standstreifen? Fromm die geschenkte Zeit als Wink des Himmels betrachten? Doch schon mal panisch Alternativen in der Terminplanung ausloten? Fluchen, um Psychohygiene zu betreiben? Oder ganz pastoraltheologisch den eschatologischen Gehalt des ersehnten ADAC-Mannes als Einstieg für künftige Referate und Predigten einplanen?
Gestrandet in Holzkirchen
Irgendwann bin in der kleinen Kfz-Werkstatt angekommen. Ich stelle mich mannhaft auf pekuniäre Hiobsbotschaften ein. Kontostand checken. Schon mal Schmerzgrenzen festlegen. Ich strapaziere das Datenvolumen meines Smartphones. Und ich realisiere, wo ich da gestrandet bin: Holzkirchen, oberbayerische Provinz mit Alpenblick.
Erste Überraschung: Es ist der Ort, an dem eine Woche später die Feier einer Kirchweihe stattfinden soll. Also mache ich mich auf die Suche. Ausgerechnet hier ist ein Kirchen-Neubau entstanden. Das kommt ohnehin nur noch selten vor in Deutschland. Der junge Vorgängerbau war baufällig. Fehlkonstruktion. Ich muss an die Werkstattrechnung denken. Und daran, dass ein Bistum sein Geld auch sinnvoll einsetzen kann. Also in einen mutigen Kirchenbau zum Beispiel, bei dem vielleicht sogar Witz im Spiel war.
Die zwei Kegel des Architekten Eberhard Wimmer, die da im Wohngebiet stehen, dürfen an das „Alpenpanorama“ erinnern. Sagt Pfarrer Doll und schwärmt vom Raumeindruck. Dass die Kirchen ganz aus Holz gebaut sind, überzieht in Holzkirchen den Bogen schon fast. Kritik, die um die Postkartenidylle besorgt ist, findet „am Marktplatz auch eine traditionelle Kirche“. So ist „für jeden Geschmack etwas geboten“, meint Doll ganz entspannt. Das ist es, was ich hier entdecke: ein irgendwie sehr entspannter Kirchbau.
Ein irgendwie sehr entspannter Kirchenbau
Es gibt eigentlich zwei Gebäude, eine Kirche und eine Kapelle. Ein großes Fenster in der Spitze des riesigen Daches lässt träumen. Die Orgel hat ein Design wie moderne Lautsprecher. Und die Bänke bilden eine Kreisform, ohne die Enge mancher Gemeindekonzepte. Sehr entspannt.
Hier will moderne Architektur offenbar nicht notorisch erziehen, Kirche hoffentlich auch nicht. Hier lässt es sich gut aushalten, wenn es unterschiedliche Formen von Gottesdiensten gibt oder sich Menschen aus dem Weg gehen wollen. Das ist einladend und nicht zwanghaft. Ein wohltuender Kirchraum ganz im Sinne des Zweiten Vatikanums. Und es gibt eine Haltung der Gelassenheit: „Gut katholisch pflegen wir also das ’sowohl als auch‘, die erlebbare Gemeinde und die individuelle Glaubenspraxis“, meint Pfarrer Doll und hofft auf neu entstehende liturgische Formen.
Ein paar Tage später hole ich mein Auto ab. Es wurde weniger gemacht, als befürchtet. Alles günstiger, als angekündigt. Alles ganz entspannt und unaufgeregt hier in Holzkirchen. Und ich fahre die alte Karre sicher noch eine ganze Weile. Was einem mit einem neuen Auto alles doch entginge.
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Wolfgang Beck ist Juniorprofessor für Pastoraltheologie und Homiletik an der PTH St. Georgen in Frankfurt am Main.
Bilder: Wolfgang Beck