»Das ist nicht katholisch!« ist ein häufiges Totschlagargument in kirchlichen Filterblasen. Es verunmöglicht ein Gespräch und beendet den Diskurs. Dag Heinrichowski SJ hält dagegen: Totschlagargumente sind nicht katholisch! Denn die Wahrheit entdecke ich in Beziehung.
Totschlagargumente sind ein einfacher Ausstieg aus einer nervigen Diskussion. Wenn ich kein Interesse an einer weiteren Auseinandersetzung habe, funktionieren sie in der Regel gut.
Totschlagargumente sind verlockend, aber wenig hilfreich.
In verschiedenen Bereichen gibt es verschiedene „Argumente“, die als „Killerphrase“ jegliches Gespräch ersticken können. Diese Kindergartenmethodik ist verlockend, aber wenig hilfreich, weil sie einem Ringen aus dem Weg geht. Und dieses Ringen kann – wenn der Wille vorhanden ist – zur Wahrheit führen. Der ganze Bereich, der unter Schlagworten wie „Populismus“ und „Fake News“ zusammengefasst werden kann, ist eifrig darin, lauthals die Keule der Totschlagargumente zu schwingen.
Totschlagargumente schützen mich vor der Auseinandersetzung. Denn sie verunmöglichen das Gespräch. Vielleicht erfreuen sie sich gerade deshalb so großer Beliebtheit, weil sie mir ersparen, mich einer anderen Meinung auszusetzen und meine Auffassungen korrigieren zu müssen. Sie ermöglichen mir, in meiner Komfortzone zu bleiben.
Kirche als Filterblase: Begegnungsort von ausschließlich Gleichgesinnten.
Die Beliebtheit dieses Argumentationstypus hängt vielleicht mit den verschiedenen „Blasen“ zusammen, in denen wir ja irgendwie alle stecken und von denen fast überall und ständig die Rede ist. Auch die jüngste Bischofssynode hat das erkannt. Im Abschlussdokument heißt es: „Viele Plattformen funktionieren so, dass sich im Endeffekt häufig nur Gleichgesinnte begegnen und eine Auseinandersetzung mit Andersartigem erschwert wird.“ (Abschlussdokument der Bischofssynode 24).
Der Paragraph schließt mit einer wichtigen Selbsterkenntnis der Bischöfe, dass dieses Phänomen auch die Kirche und ihre Hirten beträfe. Auch Bischofssynoden sind ja im gewissen Sinne Filterblasen, in denen sich „häufig nur Gleichgesinnte begegnen und eine Auseinandersetzung mit Andersartigem erschwert wird.“ (Abschlussdokument der Bischofssynode 24).
Innerkirchlich gut etabliert: „Das ist nicht katholisch!“
Das, was über Bischöfe und ihre Synoden gesagt werden kann, lässt sich auch auf andere kirchliche Bereiche, Ebenen und Gruppen übertragen. Und somit ist die Kindergartenmethode der Totschlagargumente auch innerkirchlich gut etabliert: „Das ist nicht katholisch!“ ist eine solche Keule im katholischen Bereich, die eine Debatte totschlägt.
Wenn mir ein anderes Verhalten oder eine andere Art nicht passen, spreche ich der Person oder der Gruppe einfach ihr Katholisch-Sein ab und das Problem hat sich erledigt. Meine Welt ist wieder in Ordnung und meine Blase abgeriegelt gegen Störungen.
Totschlagargumente sind nicht katholisch, weil sie den Dialog verweigern und damit der Wahrheit nicht dienen.
Totschlagargument wie „Das ist doch nicht katholisch!“ schüren Vorurteile, aber helfen nicht der Wahrheit. Augenzwinkernd könnte man sagen: Totschlagargumente sind nicht katholisch, weil sie den Dialog und den Diskurs verweigern und damit der Wahrheit nicht dienen.
Ein katholisches Argument müsste sich dagegen folglich gerade dadurch auszeichnen, dass es den Dialog ermöglicht, auch wenn das mühsam ist. Es müsste sein Gegenüber als Person ernst nehmen und ihr zutrauen, einen Beitrag zu Wahrheit zu leisten oder zumindest, dass sie mir helfen kann, die Wahrheit tiefer zu verstehen.
Wahrheit entdecke ich in Beziehung; sie macht keinen Halt vor den Grenzen meiner Filterblase.
Papst em. Benedikt XVI. schreibt an einer Stelle – für manche vielleicht überraschend: „Die Wahrheit kann sich nur in der Beziehung zum anderen entwickeln, die auf Gott hin öffnet, der seine eigene Andersheit durch meine Mitmenschen und in ihnen zu erkennen geben will. So ist es unangebracht, in ausschließender Weise zu behaupten: ‚Ich besitze die Wahrheit’.“ (Ecclesia in medio oriente 27)
Wahrheit entdecke ich in Beziehung; sie hängt mit Liebe zusammen und macht keinen Halt vor den Grenzen meiner Filterblase.
Wahrheit bahnt sich ihren Weg wie die Liebe.
Die Wahrheit bahnt sich ihren Weg nicht laut und gewalttätig, sondern geduldig, beharrlich und wohl oft eher leise – wie die Liebe, die langmütig und gütig ist, nicht prahlt und nicht ihren eigenen Vorteil sucht (vgl. 1 Kor 13, 4f).
„Nur wenn wir einander in Liebe begegnen, enthüllt sich die Wahrheit“, formuliert Benedikt. Ein Totschlagargument hat mit Liebe wenig am Hut. Hannah und Simeon, die uns die Kirche Anfang Februar vor Augen stellen, könnten Paten sein für diese Art der Auseinandersetzung: Sie sind beharrlich, unaufgeregt und leise und eben diese Art führt sie zur Begegnung mit der Wahrheit.
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Text und Bild: Dag Heinrichowski SJ hat Theologie in Sankt Georgen und am Newmann Institut in Uppsala studiert. Zur Zeit ist er in Berlin in der Jugendarbeit tätig.