In dem Wunsch nach einer Segnung für gleichgeschlechtliche Paare sieht Ruben Schneider eine „anti-emanzipatorische Assimilation an ein heteronormatives System“. Jens Ehebrecht-Zumsande erwidert der queeren Kritik an Segnungsfeiern von Ruben Schneider und wirbt für einen positiven Blick auf die Segnung von Andersheit.
Die innerkirchliche Diskussion um die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Sexualität und Beziehungen hat in den letzten Jahren zugenommen und wird deutlich vielschichtiger und kontroverser geführt. Gott sei Dank ist hier ein wichtiges Thema aus der Tabuzone heraus auf die Tagesordnung der kirchlichen Auseinandersetzung gelangt. Was in der theologischen Forschung bereits seit Jahrzehnten erarbeitet wurde, wird nun endlich auch für die pastorale Praxis angemessen rezipiert. In einzelnen Bistümern laufen hierzu Gesprächsforen und auch der sogenannte synodale Weg wird diese Thematik kontrovers aufgreifen. Für manche Akteur*innen scheint bereits sicher, dass eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare in naher Zukunft auch in der römisch-katholischen Kirche möglich sein wird (Link: katholisch.de).
Notwendige Kritik an kirchlicher Heteronormativität
Insofern ist Ruben Schneider ausdrücklich dafür zu danken, dass er in seinem Beitrag (feinschwarz, 28. Oktober 2019) zunächst einen bitteren Wermutstropfen in den mancherorts schon eingegossenen Hochzeitswein schüttet.
Segensfeiern? Nein, danke! Queere Kritik an Paarsegnungen für Homosexuelle
Seine sicher unbequeme Kritik an dem „Projekt Segensfeiern“ ist gut begründet und benennt wichtige Fragen, die sich sowohl an queere, wie auch an heterosexuelle Katholik*innen richten. Wenn die Segnungen tatsächlich dazu dienen sollten eine „Heterosexualisierung von Homosexualität“ zu begründen und nonkonforme Lebens- und Beziehungsentwürfe queerer Katholik*innen abzuwerten, sind sie wohl eher Fluch als Segen.
Rituelle Begleitung statt Bewertung
Für eine persönliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine Segnungsfeier für mich als schwuler Katholik wünschenswert ist, finde ich also in Ruben Schneiders Ausführungen gute und bedenkenswerte Anregungen und Argumente. Als pastorale Handlungsoption für die katholische Kirche möchte ich ihnen allerdings widersprechen und eine andere Perspektive dazulegen: Für die Kirche kann es bei dieser Thematik nicht (länger) um eine Bewertung einzelner Lebens- und Beziehungsentwürfe gehen. Vielmehr muss sie radikal zu einer bedingungslosen Haltung und Praxis der Anerkennung finden. Eine pastorale und rituelle Begleitung sollte darum vor allem den Wert und die Andersheit homosexueller Beziehungen gegenüber einer heterosexuellen Eheschließung in den Mittelpunkt stellen, würdigen und feiern.
Abschied von Kontrolle und Herrschaft
Gleichgeschlechtlichen Paaren den Segen zu verweigern ist hingegen eine unzulässige Entmündigung und Zurückweisung dieser Menschen. Dabei ist es nicht entscheidend, ob die Verweigerung des Segens mit konservativ-theologischen Argumenten, oder aus einer queer-feministischen Perspektive begründet wird. Die Kirche muss auf die Segensbitte angemessen positiv reagieren. Dabei geht es gerade nicht darum, das jeweilige Partner*innenschaftsmodell (moralisch) zu bewerten.
Ob eine Segnungsfeier für mich in Frage kommt, bleibt meine persönliche Entscheidung. Aber ich will die Möglichkeit haben.
Das wäre eine paternalistische Übergriffigkeit, die an anderer Stelle von queeren Aktivist*innen zu Recht kritisiert wird. Zur Anerkennung der Freiheit gehört es auszuhalten, dass Menschen sich für einen Lebensentwurf entscheiden, den ich persönlich für mich in Frage stelle. Ob also eine Segnungsfeier für mich in Frage kommt, bleibt meine persönliche Entscheidung. Aber ich will die Möglichkeit haben, ein solches Ritual abzulehnen oder zu bejahen, das die katholische Kirche mir anbietet.
Darum ist noch einmal ausdrücklich festzuhalten: der Segen ist keine Belohnung und kein rituelles Fleißkärtchen für „richtiges“ moralisches Verhalten. In diesem Spannungsfeld geht es vielmehr um eine pastorale und rituelle Dienstleistung, denn „Wir sind nicht Herren über euren Glauben, sondern wir sind Mitarbeiter eurer Freude; denn im Glauben steht ihr fest.“ 2 Kor 1,24
Die Kirche dient dem Segen
Mit Ottmar Fuchs ist daran zu erinnern, dass eine Pastoral, die sich an der Sakramentalität der Kirche orientiert, von der Haltung des Verschenkens geprägt sein muss. Was Ottmar Fuchs für die Sakramente formuliert, gilt erst recht für den Segen: „Die Sakramente sind von den Kirchen zu verschenken, wie man/frau Blumen in den Himmel wirft. Wie und ob und von wem sie aufgefangen werden, ist mit einer Pastoral zu verbinden, die nicht kontrolliert, sondern überraschungsoffen begleitet.“ (Fuchs 2015: 5)
Gesegnet wird, was von den beiden Menschen bereits gelebt wird: Verantwortung, Treue, Liebe und Hingabe.
Darum ist eher zu fragen, ob die Kirche gleichgeschlechtlichen Paaren überhaupt den Segen verweigern darf? Die Kirche besitzt den Segen nicht, sondern sie steht im Dienst am Segen Gottes. Ihr Auftrag ist es diesen Segen zuzusprechen und weiterzugeben. Denn der „Mensch ist segensbedürftig. Er verlangt nach Heil, Schutz, Glück und Erfüllung seines Lebens.“, wie es im Benediktionale heißt. Gesegnet wird, was von den beiden Menschen bereits gelebt und von staatlicher Seite durch die Eheschließung anerkannt wird: gegenseitige Verantwortung, Treue und Weggemeinschaft, Liebe und Hingabe. Hierin kommt etwas sittlich Gutes zum Ausdruck, auf dem der Segen Gottes längst ruht.
Gott ist queer
Wer sich zum Segen äußert, spricht damit auch über Gott. Welchen Gott meinen wir also, wenn wir uns für oder gegen den Segen von gleichgeschlechtlichen Paaren aussprechen? Der Segen für diese Paare erkennt Gottes Gegenwart in ihrem Leben und drückt aus, wie groß und weit von Gott gedacht werden kann.
Der Segen für gleichgeschlechtliche Paare ist zugleich ein Gotteslob.
Jede menschliche Identität, die von einer heteronormativen Sicht abweicht, ist so von Gott gewollt und Ausdruck göttlicher Vielfalt. Der Segen für gleichgeschlechtliche Paare ist darum nicht nur ein Zuspruch für diese Menschen, sondern zugleich auch ein Gotteslob. Er feiert gerade nicht ein Konstrukt von heterosexueller Normalität, wie Ruben Schneider unterstellt, sondern die Andersartigkeit dieser Beziehungen.
Wenn die Kirche queere Menschen und ihre Partner*innenschaften segnet, bekennt sie sich damit zu einem Gott, der eben nicht allein in heteronormativen Kategorien gedacht und bezeugt wird. Sie verkündet einen „queeren Gott“.
Homosexuelle Beziehungen als Fundstelle Gottes
Eine Kirche, die homosexuellen Paaren den Segen verweigert, hat eine Glaubenskrise. Sie ist unfähig die Gegenwart Gottes wahrzunehmen und anzuerkennen, wie sie sich in dem Bund dieser Menschen realisiert. Die Kirche und ihre Akteur*innen könnten hingegen von und bei den gleichgeschlechtlich liebenden Menschen viel über und von Gott lernen und entdecken. Voraussetzung ist, dass sie in der Lage sind, zuzuhören, hinzuschauen und sensibel wahrzunehmen.
Homosexuelle Paare, die um den Segen bitten, haben etwas Wesentliches erkannt: Kirche hat weit mehr zu bieten hat als nur sich selbst.
Die homosexuellen Paare, die um den Segen bitten, haben etwas Wesentliches erkannt: dass die Kirche weit mehr zu bieten hat als nur sich selbst. Die Bitte um den Segen ist ein so starkes Glaubensbekenntnis, dass jede*r der*die diese Bitte zurückweist sich selbst damit ins Abseits stellt. Die beiden (Erz)Bischöfe Bode und Heße halten folgerichtig fest: „Wenn schwule Männer und lesbische Frauen sich trotz erlebter Zurückweisungen als gläubige Christinnen und Christen bekennen und in der Kirche um pastorale Begleitung auf ihrem Lebensweg bitten, ist das sehr beeindruckend und fordert heraus, gemeinsam Perspektiven zu entwickeln.“ (Bode/ Heße 2019: 13)
Segensfeiern als Stresstest für die Kirche
Die Diskussion um die Segensfeiern mutet kirchlichen Akteur*innen viel zu. Es geht um Grundsätzliches: um das Gottes-, Menschen- und Kirchenbild, um ein Grundverständnis von Pastoral, um die Frage wozu Kirche überhaupt da ist und wem sie dient. Das ist vor allem eine Chance für Wachstum.
Ruben Schneider benennt zu Recht die Zumutungen für die LGBTIQ+ Community.
Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Segensfeier zu einem Spaltkeil der Community werden kann. Hier sind queere Katholik*innen als kreative Minderheit und die heterosexuelle Mehrheit gemeinsam gefordert. Es muss sichergestellt werden, dass der Segen verbindet und nicht trennt. Dies erfordert von allen Beteiligten die Differenzen nicht nur aushalten, sondern sie lieben zu lernen. Homosexuelle Menschen und ihre Beziehungen sind anders. Deshalb liebt Gott sie genauso wie heterosexuelle.
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Autor: Jens Ehebrecht-Zumsande, Religionspädagoge und Supervisor DGSv, Hamburg
Bild: Tallie Robinson/unsplash.com
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Literatur:
Bode, Franz-Josef/ Heße, Stephan, „Zum Geleit“, in: Loos, St./ Reitemeyer, M./ Trettin, G. (Hrsg.) , Mit dem Segen der Kirche? Gleichgeschlechtliche Partnerschaft im Fokus der Pastoral, Freiburg i. Br. 2019, 13-14.
Fuchs, Ottmar, Sakramente – immer gratis, nie umsonst, Würzburg 2015.