Die Kolumne für die kommenden Tage 15
Heute ist podcast-Zeit. Es geht um unser (theologisches) Nachdenken über Corona und die Jugend. Weil anderer Austausch schwierig ist, treffen wir uns per zoom. Morgens um 10 Uhr. Wir, d.h. Roger Schmidt, evangelischer Pastor, Leiter des evangelischen Studienzentrums Josefstal und leidenschaftlicher Podcaster als Moderator, Marlene Altenmüller, ehrenamtliche Vorsitzende des Landesjugendkonvents der Evangelischen Jugend in Bayern, Tobias Petzoldt, Dozent an der Evangelischen Hochschule Moritzburg, und ich, Katharina Karl, Pastoraltheologin an der PTH Münster und Leiterin des Jugendpastoralinstituts Don Bosco als katholischer Part im Gespräch.
Wie es den jungen Menschen um uns gerade so geht, fragt Roger einleitend. Auf sich selbst gestellt, erklärt Marlene, die sich einfach ganz neu organisieren, den Alltag strukturieren muss, sozusagen in die Verantwortung für sich selbst geworfen. Ich erzähle von den Jugendlichen, die ich in München beim Spazierengehen sehe, die aneinander kleben und gerade jetzt die Gruppe brauchen, einige sehr sorglos, andere verunsichert. Tobias beobachtet junge Menschen vor allem in Netz: ihre Initiativen, ihr Engagement und ganz neue Formen, über den Glauben zu sprechen.
Verletzlichkeit vom anderen Ende her
Das Stichwort Verletzlichkeit schwirrt mir viel im Kopf herum, sage ich, dass wir eben an unsere Grenzen stoßen und merken, dass wir vieles schaffen, aber nicht alles im Griff haben. Und das altmodische Bild vom Leib Christi – nicht im Sinne von Kirchenhierarchien, sondern als Bild für die Verbundenheit der ganzen Menschheit, unsichtbar und doch spürbar. Sie sehe das mit der Verletzlichkeit vom anderen Ende her, sagt Marlene, sie sei erstaunt, wieviel trotz allem möglich bleibt, an Vernetzung, Initiativen und Engagement. Für Tobias ist die Fastenzeit dieses Jahr ganz anders als sonst undpassend, auch wenn sich Ostern leider zu verzögern scheint. Es wäre schön gewesen, wenn zum Osterfest die Krise schon überwunden wäre.
Mein Akku ist leer
Zwischendurch wird der Bildschirm schwarz, ich bin ausgeloggt, mein Akku ist leer – so viel zur Technik. Ich verpasse den Einstieg in die Diskussion um die Theodizee-Frage. Die Frage, die ich gerne vermieden hätte. Aber sie wird mir gestellt, als ich wieder online bin. Ich stelle sie Gott, sage ich, und finde keine Antwort, aber verstehe mich als Teil einer Gemeinschaft, die diese Frage über die Jahrhunderte gestellt hat und in ihren religiösen Motiven dazu Geschichten gesammelt hat, die bei einer Verarbeitung helfen.
Wird man/frau die Jugendlichen wiederfinden?
Dann sprechen wir noch über Aufgaben der Jugendpastoral mit und nach der Krise. Für mich ist da erst einmal ein große Ungleichzeitigkeit. Manche jungen Menschen haben Ressourcen und gestalten die Krise, sie können gut für sich sorgen und sich einbringen – ein Abiturient etwa, der eine Nachbarschaftshilfe-App für Berlin baut. Aber andere fallen hinten runter. Offene Treffs sind geschlossen, Streetwork wird schwierig. Wo können die hin, die diese Kontaktstellen nicht mehr haben? Marlene stellt die Frage, wie oder ob man junge Menschen, die jetzt daheimbleiben müssen und sich vielleicht noch mehr isolieren als sonst, „nachher“ wieder findet? Sie beobachtet tolle Aktivitäten, viel Kreativität, aber auch eine gewisse Ziellosigkeit und eine Verfestigung der Gruppen, man kommunizier mit denen, die man kennt.
Und die Zukunft? Aus der Sicht von Tobias ist keine langfristige Agenda möglich, erst einmal auf Sicht fahren, das ist jetzt angesagt und wird nach der Krise auch so sein. Auf Sicht fahren ist ein hilfreiches Stichwort. Es scheint auf uns alle zuzutreffen. Vielleicht lassen sich Angebote entwickeln, die Orientierung für berufliche Zukunft nach der Krise geben, das würde an ein Projekt anschließen, das wir im Moment schon im Blick haben, so hoffe ich.
Der Modus des Gesprächs ist nicht die Gewissheit. Aber vielleicht ist es das, was diese Zeit ausmacht: Unbestimmtheit. Wir wissen nicht, wie es in zwei bis drei Monaten aussieht, wenn wir uns eventuell wieder zum podcast treffen wollen. Für heute bleibt erst einmal die Erkenntnis, wie wichtig es ist, Perspektiven auszutauschen, und sich gemeinsam – auf Sicht – voranzutasten, das tut gut. Vielleicht hören andere ja rein (https://www.josefstal.de/podcast-corona-2).
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Autorin: Katharina Karl, Lehrstuhl für Pastoraltheologie und Religionspädagogik an der PTH Münster, Leiterin des Pastoralseminars zur Ausbildung von Ordenspriestern, Leiterin des Jugendpastoralinstituts Don Bosco in Benediktbeuern.
Foto: Bernhard Hermant / unsplash.com