Die Kolumne für die kommenden Tage 21
Ostern, das ‚Fest der Feste‘, und die Karwoche – gemeinsam die Feier der Passion und der Auferstehung Jesu Christi – werden als die liturgischen Höhepunkte des Kirchenjahres betrachtet. Wie könnten in der diesjährigen Ausnahmesituation diese eindrucksvollen Feierformen durchgeführt werden?
Einerseits könnten bzw. sollten diese Gottesdienste in geeigneten Kirchen mit maximal fünf Teilnehmenden gefeiert werden und andererseits können die Gläubigen medial übertragene Feiern zu Hause mit verfolgen, mitbeten, mitsingen usw.. Die digitale Revolution ermöglicht ja allen Zuschauenden die Teilnahme via streaming, podcast und ähnlichem. Für zahlreiche Menschen stellt dies gewiss eine bedeutsame Unterstützung ihres Glaubens dar. Ein Kontroverspunkt bleibt dabei die Kommunion, der Höhepunkt der Abendmahls- bzw. Eucharistiefeier. Daheim betrachten viele den Schirm andachtsvoll und kommunizieren geistlich.
Einige andere stellen jedoch zu Hause Brot und Wein vor den Fernseher, gehen davon aus, dass die ‚Wandlung‘ auch ihre eigenen Gaben betrifft und verzehren beim Kommunionsempfang diese Speisen als Leib und Blut Christi. Wieder andere lehnen die mediale Übertragung der Eucharistie insgesamt ab. Sie argumentieren, dass, wenn die Gemeinde und die konsekrierten Gaben physisch fehlen, von der Mahlzeit des Herrn keine Rede sein kann. Und noch wieder andere finden, dass während der Fastenzeit, also auch in der Karwoche, nicht nur der Verzicht auf bestimmte Speisen und Gewohnheiten, wie z.B. das Autofahren und die exzessive Benutzung von Sozialmedien, angebracht ist, sondern dass man auch auf die Messe verzichten sollte. Eucharistisches Fasten gibt es doch auch in Amazonien!
Zu Hause gibt es noch viel mehr Chancen, als ‚nur‘ auf den Schirm zu schauen und die dort übertragenen Gottesdienste zu verfolgen. Der Hauskirche, egal ob sie aus einer Familie, einem Paar oder einem/einer Single besteht, steht es frei, laut zu singen, über Bibelabschnitte zu meditieren, lange zu schweigen bzw. sich über Vergangenes, Heutiges oder Künftiges auszutauschen, zu tanzen, sich im Kreis aufzustellen, den Raum mit Blumen zu schmücken, unterschiedliche Lichtformen zu verwenden, farbenreiche Tücher hinzulegen, Kerzen zu brennen, den Raum mit Kräutern oder Weihrauch duften zu lassen, Brot und Wein bzw. Traubensaft hinzustellen, einander mit Öl zu salben (wie auch die Frau Jesus kurz vor seiner Passion salbte), sich gegenseitig zu segnen, unterschiedliche Körperhaltungen, wie z.B. Aufrechtstehen, Knien und Sich-Bewegen, einzunehmen.
In Andachten, ihren Gebeten und Gesängen könnte eine Symbolsprache verwendet werden, welche die Leidensgeschichte, Ohnmachts- und Einsamkeitserfahrungen sowie Auferstehungssehnsucht der Teilnehmenden und aller jetzt besonders Betroffenen (am Coronavirus Erkrankte, ihre Angehörigen und PartnerInnen, im Gesundheitswesen Tätige, SeelsorgerInnen und andere) einschließt.
Im Idealfall bewirken Karwoche- und Ostergottesdienste eine Metamorphose, die ‚Wandlung‘ aller Teilnehmenden. Die vom Hl. Geist bewirkte Transsubstantiation ist gewiss nicht auf die Gaben der Abendmahls- und der Ostervigil-Messe beschränkt, denn sie betrifft uns alle, ja die ganze Welt. Auch in diesem Jahr hört die Liturgie nicht an der Kirchentür bzw. beim Abschalten des Fernsehgeräts auf. Der Gottesdienst und die Caritas/Diakonie sind ja untrennbar miteinander verbunden. Krankenpflege und Sich-um-die Bedürftigen-Kümmern sind in der Karwoche und am Osterfest nicht weniger prioritär als an digitalen Gottesdiensten teilzunehmen.
Basilius J. Groen ist Professor emeritus am Institut für Systematische Theologie und Liturgiewissenschaft der Universität Graz.
Bild: Patrick Perkins (unsplash)
Siehe vom gelichen Autor:
Das “Jubeljahr der Barmherzigkeit“. Zum Verhältnis von Liturgie und Diakonie