In Zeiten von Gottesdienstverbot und Ausgangsbeschränkungen müsste die Bedeutung der Weihe in der Aufmerksamkeit doch eigentlich sinken. Esther Göbel und Konstantin Bischoff wundern sich: Wenn Weihe gerade Pause macht, steht frau dennoch nicht in der ersten Reihe. Warum eigentlich?
Noch nicht lange her, aber doch wie aus vergangenen Zeiten wirken die Bilder von Frauen in Lila, die selbstbewusst während der ersten Vollversammlung des Synodalen Wegs Predigt und Ämter für Frauen forderten. Laut waren sie, ehrlich und kämpferisch. Und sie hatten die Sympathien großer Teile des Kirchenvolks auf ihrer Seite. Sie schienen bereit für die Revolution und fast schon trotzig wirkten die Entgegnungen derer, die sich auf die geltenden Normen beriefen und die Frauen an diese erinnerten.
Jetzt, wo die Straßen fast leer und die Kirchen noch viel leerer sind, müsste doch eigentlich die Stunde der Frauen schlagen!?
Die gläserne Decke der analogen Welt gilt in der digitalen nicht: Liturgie und Predigt sind hier eben nicht (nahezu) den Priestern vorbehalten. Warum wird das Netz jetzt in Krisenzeiten so übermäßig von mal mehr, mal weniger guten Lifestreams von Eucharistiefeiern geflutet, in denen — wie immer — nur die (geweihten) Männer zu sehen sind?
Wo sind die Theologinnen?
Zugegeben, es gibt sie natürlich schon, die vielversprechenden Ideen und Formate: Youtube-Clips und Podcasts, Live-Veranstaltungen auf Instagram und Facebook, die Impulstelefone, Videokindergottesdienste, Messenger-Liturgien und vieles mehr. All das Gute gehört geteilt, verbreitet und weiterentwickelt. Vor allem die jüngere Generation der “Sinnfluencer” ist so aktiv wie auch schon vor der Coronakrise. Wo aber sind die Frauen jenseits der 40, die seit Jahrzehnten um Aufmerksamkeit und Anerkennung für ihre Liturgie- und Verkündigungskompetenz ringen? Wo sind die Theologinnen, die von Gott sprechen wollen, die predigen und Liturgien leiten wollen?
Dazu 7 Thesen:
1) Wir haben den Anschluss verpasst. Wir kennen uns in der digitalen Welt schlicht nicht gut genug aus. Nur mühsam arbeiten wir uns notgedrungen in Videokonferenztools ein und viele gehen erst jetzt die ersten unbeholfenen Schritte auf Social-Media-Plattformen.
2) Frauen sind zu wenig technikaffin. Es ist leider weder Klischee, noch Vorurteil, aber in der breiten Masse sind Frauen weniger vertraut mit den technischen Möglichkeiten und trauen sich weniger zu als ihre männlichen Kollegen. Ausnahmen bestätigen die Regel und natürlich gilt: je jünger, desto Digital-Native.
3) Sie wollen es perfekt machen. Durch die ewigen Verbote, was sie alles nicht dürfen und nicht können, haben die meisten Nicht-Geweihten gelernt, dass sie richtig gut sein müssen. Sie denken, sie brauchen erst das perfekte Angebot, um sich öffentlich zu präsentieren und zu überzeugen. Aber im Moment improvisieren alle und unperfekte Präsenz ist immer noch besser als keine. Keine Frage: der Inhalt muss stimmen, aber in Schnitt, Ton und Special-Effects erwartet auch niemand Hollywood-Niveau.
4) Die Gemeinschaft fehlt. Viele Angebote, die Frauen schätzen, bevorzugen partizipative Elemente und genau diese sind mit Ausgangsbeschränkung und Sicherheitsabstand schwierig. Es gibt aber durchaus auch Möglichkeiten digitaler Beteiligung und Vergemeinschaftung.
5) Der Wille zur Selbstdarstellung fehlt. Frauen stellen sich durchschnittlich weniger gern in den Mittelpunkt. Da spielen sicher bis heute tradierte traditionelle Geschlechterbilder eine Rolle. Aber Klappern gehört nun mal zum Handwerk und wer Frohe Botschaft zu verkünden hat, muss sich auch zeigen.
6) Sie sind mit analogen Angeboten beschäftigt. Einkaufshilfen und Telefonketten für Menschen ohne Internetzugang organisieren, am Seelsorgetelefon sitzen und vielem anderen. Jenen tatkräftigen Diensten also, die sie eben auch analog in der Kirche selbstverständlich, ohne großes Aufheben und oft unbemerkt leisten. Aber alle?
7) Sie halten die Leere besser aus. Schließlich haben sie nicht die tägliche Eucharistiefeier versprochen. Sie können sich jetzt mit all den anderen Gläubigen solidarisch zeigen, die auch nicht Messe feiern können. Aber: ihre Sendung zur Verkündigung gilt!
Was auch immer davon ganz oder nur in Teilen zutrifft:
Jetzt ist die Gelegenheit, als Frauen — und natürlich gilt all das hier auch für nicht-geweihte Männer — in der Kirche in Bereichen aktiv zu werden, die bisher so vielen verschlossen schienen. Zu predigen, zu verkünden, Liturgie zu feiern und zu zeigen wie vielfältig unsere Kirche ist. “Think outside the box” — so vieles ist derzeit möglich: ökumenische Angebote, sogar sonntags, Frauenpredigt zur besten Sendezeit und ganz neue Formen von Liturgie und Verkündigung. Die oft erlebte strukturelle Zweitrangigkeit zählt im Netz nicht, sondern nur Klickzahlen, Likes und Follower. Die Mehrheit der Leute will vermutlich lieber gut vorbereitete und schön gestaltete Tagzeitenliturgien, Morgen- und Abendgebete oder eine einfache Schriftauslegung zum Tagesevangelium sehen, als jeden Tag die gleichen, oft auch noch schlecht gestreamten Eucharistiefeiern, die schon analog nicht gerade vor Überfüllung geschlossen werden müssen. Übrigens: nichts gegen gute Streams mit anständig vorbereiteten Predigten, aber die braucht es eben auch nicht aus jeder Pfarrkirche.
Tatsachen schaffen, hinter die wir nicht mehr zurück können
Jetzt ist der Kairos, Tatsachen zu schaffen, hinter die wir nach der Krise nicht mehr zurück können. Mit welchem Argument sollten Frauen und männliche Laien diese Dienste jetzt im Netz tun, aber nicht in der analogen Welt nach der Krise? In der Frage der Selbstermächtigung von Frauen und Männern steckt hier eine große Chance.
Für die Zeit nach der Krise bereitet die Bundesregierung bereits Exitstrategien und die Rückkehr in den Alltag vor. Ein Start in “business as usual” ist aber nicht in Sicht.
Auch wir sollten uns schon jetzt auf die Rückkehr in die Kirchen, Pfarrheime, Gremien und jegliches analoge gemeinschaftliche Leben vorbereiten. Dabei wäre es wünschenswert, wenn es auch hier bitte kein “weiter wie immer“ gäbe. Wir sollten die Erfahrungen im Netz gründlich reflektieren, damit wir das gute Digitale bewahren und mit den analogen Formen unseres Glaubens gut verknüpfen können. Die Qualität der Verkündigung wird daran gewinnen.
Esther Göbel (Berlin) und Konstantin Bischoff (München) sind Pastoralreferent/in und Synodale des ‚Synodalen Weges‘.
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