Liebe Frau Birnbaum, ich danke für die sachliche und behutsame Besprechung von Franz Schmidts „Buch mit sieben Siegeln“. Dass sich überhaupt ein Musiker an diese apokalyptischen Texte wagt, ist zu würdigen. Die Textauswahl und die Auslassungen spiegeln die angespannte politische Situation 1938. Man spürt ja der Apokalypse an, dass sie auf jüdische Wurzeln zurückgeht, aber für die verfolgten Anhänger der jungen Christengemeinden konzipiert wurde – nur, dass Schmidt noch gezielter die Bezüge auf das Erbe Israels umgeht und die Beschreibung der neue Welt möglichst nicht auf die Juden beziehen wollte, was aber teils bereits die Apokalypse des Johannes schon macht und alle Völker einbezieht
Insofern ist die vorsichtige und nur herantastende Kritik an dem musikalischen Werk in meinen Augen berechtigt.
Die Abhängigkeit des christlichen Glaubens (wie auch des Islams) vom Judentum bleibt eine stete Herausforderung für die sogenannten Erben oder Vollender der Offenbarung am Sinai. Man kann nicht genug daran erinnern, was wir woher empfangen und dass uns die Juden unter uns und jene in Israel auf je ihre Art daran erinnern und zur Mahnung werden, uns nicht in davon abgetrennte eigenwillige Frömmigkeiten zu verrennen, welche das mosaische Erbe allzu jenseitig wie gewissen Kirchen oder allzu irdisch wie gewisse Gruppen im Islam rezipieren.
Eben erinnere ich mich, eine Aufführung genau dieses Werks 2007 besprochen zu haben.
https://www.johannesoffenbarung.ch/sichtweisen/21_musik.php
Autor: Andreas Schwendener, St. Gallen (CH)
Der Leserbrief nimmt Bezug auf den Beitrag von Elisabeth Birnbaum vom 31.7.2020:
Bibelrezeption im Jahr 1938: Franz Schmidts „Buch mit sieben Siegeln“