Rainer Bucher über Gott und die Frauen, Liebe in Zeiten der Ungerechtigkeit und die Rolle der Macht im Advent.
Der Advent macht besinnlich und ratlos. Das Besinnliche liegt in der Luft, die Ratlosigkeit im Herzen. Die Besinnlichkeit scheint aus der Kindheit auf uns, die Ratlosigkeit von uns auf den Advent. Was soll er? Was soll er uns? Jenseits der Besinnlichkeit, jenseits der Kindheit, jenseits der schönen Regression?
Mit der Besinnlichkeit lässt uns die Bibel allein, mit der Ratlosigkeit nicht. Denn die Bibel kennt selbst Menschen im Advent. Das ist ja das Sympathische an der Bibel: sie erzählt nicht einfach von Gott, sondern von den Geschichten der Menschen mit Gott. Deshalb lässt sie uns so selten allein, in der Freude nicht und auch nicht im Leiden und eben auch nicht im Advent.
Die Bibel kennt Menschen im Advent.
Zwei Menschen und eine Gruppe bestimmen den biblischen Advent: Maria, Josef und die Hirten. Fast eine Idylle: Aber Idyllen trügen immer – so auch hier. Maria, Josef und die Hirten: Dreimal geht es um sehr viel, um Gott und die Frauen, um die Liebe in den Zeiten der Ungerechtigkeit und um die Rolle der Macht.
Und alles: im Advent. Und das heißt immer: im Angesicht des Reiches Gottes. Nichts bleibt da, wie es war. Die Menschen im biblischen Advent kommen anders aus ihm heraus, als sie in ihn hineingegangen sind: Aus einem kleinen jüdischen Mädchen wird die Mutter Gottes und die Mutter seines Volkes, aus einem Patriarchen wird der neue Mann, dessen Liebe alle Grenzen sprengt, und aus den Hirten wird Gottes Hofstaat.
Liebe in den Zeiten der Ungerechtigkeit.
Gott steht nicht für die Geltung der alten Gesetze, sondern für den Aufbruch zu neuen Ufern. Er schüchtert die Menschen, die auf ihn und sein Reich warten, nicht ein, sondern eröffnet ihnen neue Horizonte. Er legt sie nicht auf ihre Vergangenheit fest, sondern setzt einen neuen Anfang.
Wir haben diese Geschichte noch vor uns. Denn der Glauben ist schwach und die Angst groß. Aber auch wir sind Menschen im Advent. Und das heißt immer: Menschen in Sehnsucht auf Gott und sein Reich. Diese Sehnsucht kann uns kein Mensch nehmen. Denn es war Gott, der sie in uns gelegt hat. Und der in Jesus versprach, dass sie nicht vergeblich ist.
Sie ist auch unsere einzige Hoffnung: jetzt und dann, wenn wir im Tode erfahren werden, woran wir wirklich geglaubt und worauf wir wirklich gewartet haben.
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Text und Photo: Rainer Bucher