Die Notizen von Joachim Hake sind Resonanzen, Echos, Widerklänge von etwas, das anderswo gedacht und formuliert wurde.
Dabei stellt sich gelegentlich ein Trost ein: In der Fülle der Welt liegt eine merkwürdige Großzügigkeit, die mich immer wieder ein wenig mehr erfreut als in Angst und Schrecken versetzt.1
Täglich das Leben neu schätzen lernen: die Liebe und die Arbeit, das Denken und das Phantasieren, das Gedächtnis und Gewissen, das Beten und das Lesen. Dann: die Kunst der Übersetzung üben und der Neigung widerstehen, die Nöte und Zwänge des Alltags zu verachten. Trägheiten und Ermüdungen ertragen und alle Lebensgeschichten als Ort der Bewahrheitung des Absoluten ansehen. Am Ende des Tages diesen Gott anempfehlen und morgens mit der Zusage seiner Überfülle das tägliche Geschäft beginnen. In allem der Liebesgeduld Gottes vertrauen.
In der Fülle der Welt liegt eine merkwürdige Großzügigkeit.
„Das Benennen ist der große und ernste Trost des Menschen.“ (Elias Canetti)
Einen Text enden lassen in einem Satz, der das Lesen in ein nachdenkliches Schweigen entlässt, das auf einen neuen Anfang warten darf. Kein depressives, drückendes, dunkles oder beleidigtes Schweigen. Mehr wie ein ruhiges Atemholen unter blauem Himmel, ein stilles Zögern, das auf einen nächsten Satz verzichten kann, sich ihn aber später gerne schenken lässt. (9)
Der Mantel des Trostes, den wir uns umhängen können, ist aus vielen Fäden und mit langer Geduld gewoben. Trost – das ist die Freude an der Fülle, wie sie sich in einem bestimmten Fokus zeigt, in den wir gestellt sind und werden. (140)
„Man muß das Leben lieben, ehe man seinen Sinn liebt, sagt Dostojewskij. Gewiß, und wenn die Liebe zum Leben verschwindet, tröstet uns kein Sinn darüber hinweg.“ (Albert Camus) (142)
Der Mantel des Trostes, den wir uns umhängen können, ist aus vielen Fäden und mit langer Geduld gewoben.
Trost ist einfach, spricht einfach und handelt einfach, er bringt zum Schweben, er hebt ein wenig, nicht viel, erleichtert die Last des Lebens, er macht das Komplizierte einfach, löst die Knoten und die Verstrickungen, bringt Klarheit und Licht in das Nebelige, das Trübe, das Undurchsichtige und verhilft zu einer höheren Gelassenheit und Resignation. Trost und Demut. Schicksalsgenossen des Vergessens. (143)
Auf dem Grund jeden Trostes. Ein leise leuchtendes Staunen über die Fülle der Welt. (148)
Text und Bild: Joachim Hake, Direktor der Katholischen Akademie Berlin. Die Zitate sind aus seinem aktuellen Buch „Trost und Staunen. Weitere Notizen“, St. Otilien, 2020 entnommen.
- Aus dem Vorwort: Joachim Hake, Trost und Staunen, EOS 2020. Die weiteren Seitenangaben beziehen sich darauf. ↩