Eva Maria Daganato und Katharina Zimmermann stellen das Tübinger Athene Mentoring Programm vor, eine Antwort auf den Mangel von Frauen*[1] im wissenschaftlichen Nachwuchs katholischer Theologie.
Auf dem Gang begegnet mir eine Studentin unserer Fakultät. Wir gehen ein Stück gemeinsam. „Wie ist Ihr Mentoring angelaufen?“, frage ich und sie beginnt zu strahlen und es sprudelt aus ihr heraus: „Da passt einfach alles. Wir haben uns schon zweimal getroffen. Sie hilft mir total bei der Planung meiner Magisterarbeit und dabei, meine Gedanken für meine Zukunft zu ordnen – und den gleichen nerdigen Theologiehumor wie ich hat sie auch!“ Ich atme auf. Das „Matching“, also das Zusammenbringen von Mentor*in und Mentee*, ist für uns als Organisatorinnen des Mentoring Programms der heikelste Moment. Stimmt die Chemie und das wissenschaftliche Profil, so ist die Grundlage für den eigentlichen Prozess des Mentorings gelegt.
Eine (unbezahlte) Herzensangelegenheit
Insgesamt fünf Mentoring-Paare nehmen am diesjährigen Jahrgang 2022/2023 des Athene Mentorings an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen teil. Im vergangenen Jahr, dem Pilotjahrgang des Projektes, waren es sieben. Die Mentees* sind zur Hälfte Studentinnen in der Studienabschlussphase, zur Hälfte Doktorandinnen an unserer Fakultät. Als Mentorinnen haben sich erfolgreich promovierte Frauen aus wissenschaftlicher Theologie und Kirche dazu bereit erklärt, eine Studentin oder Doktorandin für ein Jahr zu begleiten. Eingebettet ist das Programm im Dachprojekt des Athene Mentorings des gesamtuniversitären Gleichstellungsbüros, das eine studentische Mitarbeiterin für 12 Stunden im Monat finanziert. Für uns Organisatorinnen, selbst Promovendinnen an der Fakultät, ist das Projekt eine (unbezahlte) Herzensangelegenheit.
Ob eine explizite Frauen*förderung im Jahr 2022 noch nötig sei, sich die Zeiten inzwischen nicht schon zum Besseren gewandt hätten und Frauen* ganz selbstverständlich in der wissenschaftlichen Theologie zuhause seien? Die Statistik widerspricht, denn erkennbar ausgeprägt ist in den akademischen Einrichtungen für Katholische Theologie im deutschsprachigen Raum ein gender gap. Dieser lässt sich „u.a. an einer deutlich niedrigeren Abschlussquote bei Promovendinnen (31% statt 52%) und Habilitandinnen (37% statt 67%) sowie an einem besonders niedrigen Frauenanteil in den Professorien (19%)“[2] festmachen. Die katholische Theologie bewegt sich damit konstant unter dem Anteil von Frauen in anderen geisteswissenschaftlichen Fächern auf entsprechenden Positionen.
Reaktion auf den Mangel an weiblichem* wissenschaftlichen Nachwuchs
Der Blick auf die ungleiche Besetzung von Stellen an den Universitäten und den Abschluss von Qualifikationsarbeiten wird ergänzt durch eine Sichtung des Anteils von Frauen im Bereich theologischer Publikationen und akademischer Fachvorträge, wie eine Studie im Jahr 2021 herausstellte. Das Ergebnis: Frauen sind wissenschaftlich und medial gegenüber ihren männlichen Kollegen unterrepräsentiert.[3] Die Zahlen belegen „das Gefühl vieler Frauen, dass sie nicht vorkämen.“[4] Gunda Werner, Leiterin der Studie zur Publikationstätigkeit von Frauen*, sieht die Notwendigkeit eines gemeinsamen Problembewusstseins: „Das Störgefühl der Frauen muss sich auf die Männer ausweiten.“[5] Ebenso argumentiert Johanna Rahner, ehemalige Vorsitzende des Katholisch-Theologischen Fakultätentags, die sich dafür stark macht, „in einem ersten Schritt auf eine ‚systemische Diskriminierung‘ von Frauen aufmerksam zu machen.“[6]
Eine konstruktive Reaktion auf den Mangel an weiblichem* wissenschaftlichen Nachwuchs versucht das Athene Mentoring Programm an der Katholisch-Theologischen Fakultät Tübingen zu bieten. Das Programm setzt weniger an systemischen Veränderungen an, sondern versucht, über Formen des empowerings und der wissenschaftlichen Vernetzung ein Unterstützungssystem zwischen Mentees* und Mentor*innen zu schaffen, das Frauen* dazu ermutigt, eine wissenschaftliche Laufbahn in der Theologie einzuschlagen und ‚durchzuziehen‘.
Meinen eigenen Fähigkeiten zu vertrauen und größer zu träumen
„Das Athene Programm und besonders meine Mentorin haben mir Mut gemacht, meinen eigenen Fähigkeiten zu vertrauen und größer zu träumen, als ich es bisher gewagt habe.“ (Mentee, Jg. 2022/23)
Die Themen der Gespräche mit ihren Mentor*innen bringen die Mentees* dabei selbst mit: Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Promotionsphase, Unterstützung bei der Formung eines fachlichen Profils, Ratschläge bei der Finanzierung eines geplanten Promotionsprojektes. Die Palette dessen, was die Mentees* bewegt, ist breit. Das Programm richtet sich dabei zweifach aus: auf Kirche und Wissenschaft. Erfolgreiche Frauen* als role models sollen inspirieren, unterstützende Männer* können Türöffner sein. „Surround yourself with women who would mention your name in a room full of opportunities.”[7] Die Unternehmerin Tijen Onaran fordert Frauen* dazu auf, sich gegenseitig aktiv zu unterstützen und zu fördern – und sie ergänzt: „Dass Frauen sich für Frauen stark machen, ist richtig und wichtig. Es braucht aber auch mehr Männer, die sich für Vielfalt stark machen. Es muss ihnen auffallen, wenn sie an Tischen sitzen, die nicht divers sind. Und sie müssen sich aktiv dafür einsetzten, genau das zu ändern!“[8]
Die Potenziale, die Frauen* (selbstverständlich!) mitbringen, nicht verlorengehen lassen
Das Athene Mentoring Programm setzt diesen Gedanken in die Praxis um. Dies zeigt sich in der kollegialen Beratung unter den Mentees*, in Workshops zur Formulierung beruflicher Ziele oder Trainings zum Networking in Wissenschaft und Kirche. So werden Frauen*netzwerke gebildet, ausgebaut und öffentlich sichtbar gemacht. Die Idee des Athene Mentorings ist dabei ebenso simpel wie entscheidend: Die Potenziale, die Frauen* (selbstverständlich!) mitbringen, zu sehen, zu fördern und dort nicht verlorengehen zu lassen, wo veraltete Denkmuster oder gesellschaftliche Zwänge sie aufzuhalten versuchen. Unsere Arbeit im Athene Mentoring Programm zeigt uns immer wieder aufs Neue, dass das möglich sein kann.
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Bild: Privat.
Eva Maria Daganato ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung für Praktische Theologie (kath.) an der Universität Tübingen.
Katharina Zimmermann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte (kath.) an der Universität Tübingen.
Weitere Hinweise zum Programm: https://uni-tuebingen.de/fakultaeten/katholisch-theologische-fakultaet/fakultaet/dekanat/gremien/gleichstellungskommission/athene-mentoring/
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[1] Frauen* bezieht sich auf alle Personen, die sich unter der Bezeichnung „Frau“ definieren. Mit dem * lässt sich eine Geschlechtervielfalt jenseits einer binären Zuordnung sichtbar machen. In diesem Denkrahmen richtet sich das Athene Mentoring der Katholisch-Theologischen Fakultät Tübingen an Frauen, trans*, inter* sowie nicht-binäre Personen.
[2] Emunds, Bernhard; Retka, Marius; Zur Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses in der deutschsprachigen Katholischen Theologie (24.11.2022), https://www.uni-muenster.de/Ejournals/index.php/jcsw/article/view/4420/4589 (zuletzt geprüft 06.03.2023).
[3] Studie: Theologinnen wissenschaftlich und medial benachteiligt (19.01.2021), https://www.katholisch.de/artikel/28396-studie-theologinnen-wissenschaftlich-und-medial-benachteiligt (zuletzt geprüft 06.03.2023).
[4] Ebd.
[5] Ebd.
[6] Ebd.
[7] Instagram @tijen.onaran (31.01.2023)
[8] Instagram @tijen.onara (01.02.2023)