Dr. theol. Thomas Staubli (Universität Freiburg/CH) reagiert auf den Text von Gregor Dewey und Gregor Maria Hoff vom 23. März 2023.
Beim Besuch einer Ausstellung zum Thema «Heimat» im Bonner Haus der Geschichte ist mir letztes Jahr vor Augen geführt worden, wieviele Menschen in Deutschland vom Thema der Binnenmigration betroffen sind, weil ihre Heimat dem Kohleabbau geopfert wurde. Mit Interesse habe ich daher diese Reflexionen zu einem Ort kirchlicher Beheimatung solcher Menschen gelesen. Die Lektüre hat mich angeregt, aber auch irritiert. Anregend finde ich die Idee der Kirche als Museum im Sinne einer Gedenkstätte – eine Idee, die bereits jene Priester hatten, die im Tempel von Jerusalem die Bundeslade mit den Gesetzestafeln, den Korb mit dem Manna und den blühenden Stab Aarons als Erinnerungsstücke und Zeugnisse aus der Zeit der Wüstenwanderung ausstellten. Irritiert hat mich die Anknüpfung bei J.K. Rowling. Nicht dass ich etwas gegen ihre phantastische Literatur hätte – ich habe alle Potter-Bände mit Genuss auf Englisch verschlungen –, aber ist der magische Wunschraum wirklich ein geeigneter Anknüpfungspunkt für einen Ort des Gedenkens? Nimmt er den Schmerz ernst, den der Verlust verursacht hat, der dem Gedenken zugrunde liegt? Für mich spricht aus dieser Anknüpfung eine Hilflosigkeit im Umgang mit der reichen jüdisch-christlichen Kultur des Gedenkens, die mir in diesem Artikel an zwei weiteren Stellen entgegenkommt. Da ist dieses Patrozinium St. Peter. Im Kontext einer römischen Kirche mit Zentrum über Petri Grab, die der Kirche nördlich der Alpen fast nur noch Kopfschmerzen und Bauchkrämpfe verursacht, ist das eine schwere Hypothek für eine Kirchgemeinde. Gibt es im riesigen Fundus kirchlicher Heiliger tatsächlich keine bessere Gestalt als jener galiläische Fischer, der in tausenden von Skulpturen zum Legitimator des römischen Patriarchats stilisiert wurde? Und da ist am Ende des Artikels dieser hilflose Verweis auf Abraham, jene überstrapazierte, katechetische Figur, die von Woody Allen zu Recht dafür verulkt wurde, dass sie einer wohlmodulierten göttlichen Stimme Folge leistete und bereit war, den eigenen Sohn zu schlachten. Mir kommen beim Gedenken an die durch den Staat Vertriebenen eher die KanaanäerInnen in den Sinn, die aus dem Gelobten Land, ihrer Heimat, vertrieben worden sind. Vielleicht wäre eine Kirche der Heiligen KanaanäerInnen ein Ort wirklicher spiritueller Erneuerung im postindustriellen (?) 21. Jahrhundert. Sie würde wohl auch zum Pilgerort anderer Menschen, die die schmerzhafte Ungerechtigkeit gewaltsamer Vertreibung erlitten haben.