Seit 25 Jahren gibt es den Tag der Diakonin. Dorothea Reininger, Mitbegründerin und bis 2007 Vorsitzende des Netzwerks Diakonat der Frau, über Erreichtes und Erwartungen.
Am 29. April 2023, dem Gedenktag der Hl. Katharina von Siena, wird in diesem Jahr zum 25. Mal der „Tag der Diakonin“ gefeiert. Die Zentrale Veranstaltung von KDFB, kfd, ZdK und Netzwerk Diakonat der Frau findet dieses Jahr in Frankfurt statt und nimmt in seinem Motto „Wartet nicht!“ Bezug auf das eilige Aufbrechen der beiden Emmausjünger zurück nach Jerusalem, um die frohe Botschaft den Gefährten dort zu überbringen.
Dringlichkeit der Forderung
Dieses Motto bringt die Dringlichkeit der Forderung, es möge doch endlich, endlich (!) ein positives Signal von der Weltkirche – wenigstens für unsere deutsche Ortskirche – ausgehen, stark zum Ausdruck. Die Frage, ob das Jubiläum „25 Jahre Tag der Diakonin“ überhaupt ein Grund zum Feiern ist, ist ja durchaus berechtigt – denn eigentlich ging es den Initiatorinnen vor 25 Jahren darum, jährlich die Forderung nach einer Zulassung von Frauen zum sakramentalen Diakonat nicht nur wachzuhalten und zu forcieren, sondern gleichzeitig aufzuzeigen, warum die Kirche dringend eine Öffnung des bestehenden sakramentalen Diakonats für Frauen braucht. Und dass es trotz vieler Mühen und erarbeiteten Argumentationen und theologischen Expertisen immer noch nicht dazu gekommen ist, ist natürlich bedauerlich. Da kann einem schon mal der Mut und die Geduld abhandenkommen.
Andererseits: Man kann schon feiern, dass aus dem kleinen Pflänzchen, das vor 25 Jahren nur von wenigen, vor allem vom KDFB und dem Netzwerk Diakonat der Frau, gesetzt wurde, im Laufe der Zeit doch ein ordentlicher Baum geworden ist, der durch die Unterstützung durch das ZdK und die kfd gewachsen ist und aus der Landschaft der deutschen katholischen Kirche nicht mehr wegzudenken ist.
selten eine so deutliche Aussage der Bischöfe für den Diakonat der Frau
Und dieser Baum trägt nun Früchte! In der letzten Synodalversammlung des Synodalen Wegs im März d.J. wurde mit einer Mehrheit von 93,6% (80,7% bischöflicher Stimmen) ein Text des Forums III abgestimmt, der folgende Passagen enthält: „In diesem Zusammenhang setzen sich die deutschen Bischöfe auf gesamtkirchlicher Ebene weiterhin und bei der Weltsynode für die Zulassung
von Frauen zum sakramentalen Diakonat für alle die Teilkirchen ein, die dies auf Grund ihrer pastoralen Situation wünschen.“ Eine solche Zustimmung war vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen. Der Osnabrücker Bischof Bode, Co-Vorsitzender des Frauenforums, unterstrich in der Pressekonferenz gar, es habe „selten eine so deutliche Aussage der Bischöfe für den Diakonat der Frau“ gegeben (KNA 11.03.23) – und er hat Recht!
Ausdrücklich äußerte sich das römische Lehramt immer nur zum Priestertum der Frau.
Umgekehrt sind ja diese Formulierungen nicht neu: Nicht nur die Würzburger Synode in Deutschland, sondern viele nachkonziliare Synoden weltweit forderten fast wortgleich bereits in den 1970ern und 1980ern die Zulassung von Frauen zum damals wieder eingeführten Ständigen Diakonat. Sie alle sind – bis heute – unbeantwortet geblieben.[1] Ausdrücklich äußerte sich das römische Lehramt immer nur zum Priestertum der Frau. Jedoch gerade immer dann, wenn eine lehramtliche Äußerung des Vatikans zum Ausschluss von Frauen von der Priesterweihe veröffentlicht wurde, war dies ein Startschuss für eine intensivere Beschäftigung mit dem Diakonat. So war eine Folge von Ordinatio sacerdotalis (1994), dass ein Team von Wissenschaftler*innen um Prof. Peter Hünermann die Planungen für einen Internationalen Fachkongress zum Diakonat der Frau aufnahm, der im Jahr 1997 etwa 300 Teilnehmer*innen versammelte. Im gleichen Jahr gründete sich in Münster der gemeinnützige Verein „Netzwerk Diakonat der Frau“. Dieser machte sich zur Aufgabe, Frauen in Diakonatskreisen quasi in vorauseilendem Gehorsam auf dieses Amt vorzubereiten. Inzwischen haben 23 Frauen sich auf den Weg gemacht, ihre Berufung zu prüfen und sich für ein zukünftiges Amt zu qualifizieren und sich dann ihren Bischöfen zum diakonischen Dienst anzubieten. Im September 2020 haben weitere 15 Frauen diesen mutigen Weg begonnen.
Päpstliche Kommission
Trotz solcher Bemühungen auf unterschiedlichsten weltkirchlichen Ebenen tat sich von lehramtlicher Seite in Rom lange nichts – bis im Jahr 2016 eine weltweite Versammlung von 900 Ordensoberinnen Papst Franziskus bat, diese Frage zu prüfen. Papst Franziskus hörte zu, nahm diese Bitte auf und ließ eine Kommission einsetzen, die klären sollte, ob es in der Kirchengeschichte sakramental geweihte Diakoninnen gegeben habe, gleich den männlichen Diakonen.[2] Diese Kommission wurde erstmals sehr bewusst paritätisch – sowohl vom Geschlecht als auch von der theologischen Position – besetzt. Über ihre Arbeit legten diese Kommissionsmitglieder einen Bericht vor, der die beiden verschiedenen Positionen zur Sakramentalität der historischen Diakonatsweihe wahrheitsgetreu darlegte, aber dem Papst keine Entscheidungshilfe bot.
Nicht der Zugang von Frauen zu den kirchlichen Diensten und Ämtern ist begründungspflichtig, sondern deren Ausschluss
Zeitlich parallel zur Arbeit dieser Kommission wurde das Thema erneut auf wissenschaftlicher Seite beleuchtet. Im Jahr 2017, also 20 Jahre nach dem Stuttgarter Fachkongress, kamen 120 Teilnehmer:innen zu einem Kongress in Osnabrück zusammen, der nicht nur international, sondern außerdem ökumenisch angelegt war. Unter anderem wurde in den Abschlussthesen ausdrücklich erklärt: „Nicht der Zugang von Frauen zu den kirchlichen Diensten und Ämtern ist begründungspflichtig, sondern deren Ausschluss“. Und als Selbstverpflichtung wurde formuliert: „Wir werden weiterhin theologische Beiträge zu der erforderlichen Differenzierung zwischen der Öffnung des Diakonats und anderer Ämter für Frauen innerhalb des einen (sakramentalen) Ordo leisten. Der Diakonat als Amt für Männer und Frauen verstärkt die diakonale Grundausrichtung der Kirche.“[3]
Eine wichtige weltkirchliche Entwicklung war die Amazonas-Synode im Oktober 2019, die mit großer Spannung erwartet und beobachtet worden war. Das Thema Diakonat der Frau war schon vorab häufig als dringlich erwähnt worden und wurde während der Synode „von vielen Frauen, aber auch von mehreren Bischöfen …vorgetragen“.[4] Im Abschlussdokument hatte man die Formulierungen zum Diakonat der Frau dennoch betont vorsichtig gehalten, und im nachsynodalen Schreiben „Querida Amazonia“ vom 2. Februar 2020 erwähnte Papst Franziskus diese Möglichkeit mit keinem Wort. Jedoch versprach er die Einsetzung einer neuen Kommission zum Frauendiakonat, die inzwischen längst arbeitet. Diese zweite vatikanische Kommission ist nun mit systematisch-theologischen Wissenschaftler:innen besetzt und auch dieses Mal zumindest bezüglich ihres Geschlechts paritätisch. Deutlich intransparenter blieb dieses Mal jedoch das Verfahren der Besetzung dieser Kommission; ob diese inhaltlich ausgewogen ist, scheint mindestens fraglich.
Der entscheidende „Knackpunkt“ … ist die Frage nach der Einheit des Weihesakraments.
Der entscheidende „Knackpunkt“ der innerkirchlichen und –theologischen Diskussion ist und bleibt die Frage nach der Einheit des Weihesakraments. Die Frage ist hier: Ist der Diakonat eine Vorstufe zum Priestertum und unlösbar durch die eine Weihe mit ihm verbunden, so dass aus der Zulassung zur einen Stufe unweigerlich auch die zur zweiten führt? Oder handelt es sich weniger um Stufen, sondern um unterschiedliche Ausprägungen des einen Weihesakraments, was ja bereits in den Formulierungen des Zweiten Vatikanums (LG) zu erkennen ist.
Zunächst schien eine kirchenrechtliche Einordnung Papst Benedikts XVI. hier Klärung zu schaffen, indem er 2009 die Sakramentalität der Diakonatsweihe zwar bestätigte, den Diakonen aber das Handeln „in persona capitis“ absprach. Er wies ihnen statt dessen – da sie keine eucharistische Vollmacht besitzen – einen „Rangplatz“ unter den beiden anderen Ämtern zu. Die Vermutung, dass der Papst diese deutliche Trennung vom priesterlichen Dienst auch vollzogen habe, um eine Tür zu öffnen für eine Zulassung von Frauen zum Ständigen Diakonat, erwies sich jedoch als Trugschluss.
Auch der Vorschlag, die Weihe von Frauen zu einer „Gemeindediakonin“ mit einer nicht-sakramentalen Segnung zuzulassen, den Kardinal Walter Kasper bei der Frühjahrsvollversammlung der DBK 2013 prominent vorgetragen hatte, wird bis heute immer wieder diskutiert. Ihm wird ebenso regelmäßig widersprochen – wohl, weil nicht einsichtig wird, was dieses nicht-sakramentale Laienamt mit keinem Zuwachs an Kompetenzen in dem großen Orchester der kirchlichen Dienste noch an zusätzlichem Klang einbringe und ob es wirklich noch gebraucht werde.
Was ist eigentlich Sinn und Auftrag des kirchlichen Amtes?
In der Rückschau des Versuchs, mit Hilfe der ersten päpstlichen Kommission die historische Faktenlage endgültig zu klären, muss kritisch angemerkt werden – was eigentlich vorab schon zu vermuten war –, dass bei einem Austausch rein historischer Fakten man nicht zu einem eindeutigen Ergebnis kommen konnte, denn u.a. verschwindet der Diakonat als ständiges Amt noch lange bevor der Begriff des Sakraments im 12./13. Jahrhundert definiert wird. Wichtig erscheint eher die Erkenntnis, dass es in der gesamten Zeit der Kirchengeschichte, weder im Osten noch im Westen, nie ein überregionales oder sogar gesamtkirchliches Konzil gab, das die Zulassung von Frauen zur (sakramentalen) Diakonatsweihe ausdrücklich verbot. Ohnehin kann es heute nicht darum gehen, altkirchliche Ämter und Praktiken in die heutige Situation der Kirche hinein zu kopieren. Diese Erkenntnis eröffnet die Möglichkeit und nötigt geradezu dazu, die Frage ekklesiologisch und pastoraltheologisch zu weiten, in dem Sinne: Was ist eigentlich Sinn und Auftrag des kirchlichen Amtes? Und noch grundsätzlicher: Was ist Sinn und Auftrag der Kirche? Und braucht es dazu heute Frauen im (sakramentalen!) Diakoninnenamt, um den Auftrag der gesamten Kirche zu erfüllen?
Christus diakonos – oder Christus capitis
Nach den verpufften Initiativen der Amazonas-Synode hat nun die 5. Synodalversammlung in Deutschland getagt. Aufgrund der Zeitknappheit mussten die Texte für die zweite Lesung gekürzt und zusammengefasst werden, so dass in der endgültigen Fassung der Diakonat zusammen mit der Zulassung von Frauen zu allen Ämtern in einem Text behandelt wurde. Meiner Ansicht nach täte es der Kirche, ihrer Ämterstruktur und dem Diakonat um des diakonischen Profils der Kirche willen gut, wenn diese Fragen klar getrennt würden. Damit gäbe es in der Zulassung von Frauen zum Ständigen Diakonat zusätzlich die Chance einer diakonischen Profilierung dieses Amtes, seiner Abhebung vom Priestertum und damit seiner Stärkung. Denn diese beschriebenen unterschiedlichen Facetten des Themas zeigen m.E. eines ganz deutlich: Eine theologisch tragfähige Entscheidung wird nicht ohne eine klar profilierte Theologie des Diakonats und damit ohne eine Neubesinnung auch auf die gesamte Ämtertheologie zu fällen sein. Wahrscheinlich ist sie deshalb auch so schwerfällig. Mehr noch – mir scheint die Debatte tatsächlich auch massive Gegensätze in der Christologie zu offenbaren: Geht es in der Kirche um eine Nachfolge Jesu, des armen Wanderpredigers aus Galiläa, des „Christus diakonos“, der an der Seite der Armen und an den Rand Gedrängten stand und im Abendmahlssaal den Zwölf die Füße wäscht?[5] Oder geht es beim Amt um die Repräsentation des „Christus capitis“, des erhöhten nachösterlichen Pantokrator, der im Abendmahlssaal die Erinnerungsfeier seines Kreuzesopfers begründete und schließlich siegreich auferstand? Papst Benedikt hob 2009 eher den Christus diakonos hervor und grenzte ihn vom Christus capitis ab. Dem hat sich der Handlungstext, der im März von der 5. Synodalversammlung mit großer Mehrheit verabschiedet wurde, angeschlossen, indem er den Begriff des „diakonischen Leitungsamtes“ herausgenommen hat. Der Kompromiss war notwendig um der bischöflichen Stimmen willen, doch ist eine solche Abgrenzung richtig? Ist nicht Jesus zugleich der Christus, somit der Christus diakonos zugleich der Christus capitis – ganz im Sinne des gegenwärtigen Papstes, der immer wieder zu einer Wandlung der Kirche hin zu einer diakonischen Kirche im Sinne des armen Wanderpredigers aus Galiläa aufgerufen hat?
gemeinsame Ausbildung vorbereiten für eine Zeit, in der Frauen zu den Bewerberkreisen zugelassen werden
Wenn man bedenkt, dass noch im Jahr 2001 Diakonatskreise für Frauen, wie sie das Netzwerk Diakonat der Frau anbietet, offiziell durch eine römische Notifikation verboten worden waren, erhält allerdings der Handlungstext der 5. Synodalversammlung zum Thema Diakonat der Frau nochmal ein besonderes Gewicht. Dort heißt es: „Die Verantwortlichen für die Ausbildung und den Einsatz der Ständigen Diakone … und, wo dies möglich ist, auch der Diözesen, nehmen die Arbeit des ‚Netzwerkes Diakonat der Frau‘ wertschätzend wahr, treten mit den Verantwortlichen dieses Netzwerkes in einen lebendigen Austausch ein und integrieren die Erfahrungen der Ausbildungskurse des Netzwerkes in die Diakonenausbildung vor Ort, um so eine gemeinsame Ausbildung vorzubereiten für eine Zeit, in der Frauen zu den Bewerberkreisen zugelassen werden.“
„Wartet nicht!“– so möchte man den zuständigen Dienern der Weltkirche in Rom zurufen!
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Dorothea Reininger ist Mitbegründerin und bis 2007 Vorsitzende des Netzwerks Diakonat der Frau. 1999 Promotion über den Diakonat der Frau in den christlichen Kirchen. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Religionspädagogik und Praktische Theologie am Institut für Katholische Theologie an der Uni Osnabrück, Lehrerin an der Domschule Osnabrück.
[1] Vgl. die (unvollständige) Zusammenstellung in D. Reininger, Diakonat der Frau in der Einen Kirche, Ostfildern 1999, 47–52.
[2] Dies ist interessant, wenn man bedenkt, dass bereits 2001 eine Unterkommission der vom Vatikan eingesetzten Internationalen Theologenkommission unter der Leitung von Kardinal G.L. Müller festgestellt hatte, dass eine Zulassung von Frauen zum Diakonat nicht möglich sei.
[3] M. Eckholt/U. Link-Wieczorek/D. Sattler/A. Strübind (Hgg.), Frauen in kirchlichen Ämtern. Reformbewegungen in der Kirche, Freiburg 2018, S. 465.467.
[4] https://www.kathpress.at/goto/meldung/1821643/ordensfrau-synodentext-zum-frauendiakonat-bewusst-vorsichtig. Zuletzt aufgerufen am 15.03.2023
[5] Diesen Gedanken hat M. Eckholt, Neue Bewegung in der Frage nach dem Frauendiakonat?, in: ThPQ 165 (2017), 266–275, hier: S. 267 angestoßen.