Die Forschung zu Formen und Praktiken der Katechese nimmt derzeit wenig Raum im religionspädagogischen Diskurs ein. Zu wenig, finden Patrik Höring und Markus Tomberg. Sie berichten von einer Tagung zu aktuellen Themen der Katechese und den dabei sichtbar gewordenen offenen Fragen.
Einmal im Jahr macht sie von sich reden. Ansonsten fristet sie in vielen Kirchengemeinden ein Schattendasein: die Katechese. Aber einmal im Jahr weckt die Erstkommunion in den Gemeinden und in den Medien eine gewisse, kaum länger dauernde Aufmerksamkeit für die Katechese. Gerade war es wieder so weit: Rund um den „Weißen Sonntag“ veröffentlichen Medien wie katholisch.de, das Domradio oder die Kirchensendungen anderer Sender Hinweise auf das Fest und vorbereitende Katechesen.
Darüber hinaus, abgesehen vielleicht von der ab und an stattfindenden Firmung: Business as usual, wenn nicht gar gähnende Leere. Und das heißt: Katechese, eigentlich eine der zentralen Aufgaben der Gemeinde, vegetiert deutlich unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle. Katechetische Vorbereitungen auf Erstkommunion und Firmung, manchmal auch zur Taufe, gehören zwar zum kirchlichen Pflichtprogramm. Erfolgskontrollen, Qualitätsmanagement, nachhaltige Innovationen sucht man hingegen weitgehend vergebens.
Katechese verläuft im Sand.
Auch die jährlichen Pressenotizen der katholischen Medien gelangen kaum über Hinweise zu den Möglichkeiten der Familienkatechese hinaus. Immerhin nehmen sie wahr, dass Katechese schon allein deshalb oft im Sande verläuft, weil etwa die Liturgien, zu denen sie hinführen soll, vor allem Eucharistiefeiern, vielerorts gar nicht mehr regelmäßig stattfinden und gemeindliche Lebensfelder des Glaubens insgesamt längst vertrocknet sind. Dass offizielle Dokumente schon seit Jahrzehnten die Erwachsenenkatechese als eigentliche katechetische Herausforderung beschreiben, ist in der Wirklichkeit hierzulande kaum angekommen. Vielmehr herrscht Hilflosigkeit: Während der Änderungsdruck gespürt wird, fehlen personelle und materielle Ressourcen ebenso wie Ideen, wie eine innovative und wirksame Katechese für alle Altersgruppen aussehen könnte.
karikiert zum Zerrbild religiöser Bildung
Die katechetische Zurückhaltung vor Ort trifft auf eine Forschungslage, in der die Katechese ebenfalls allenfalls am Rande zur Kenntnis genommen wird. Religionspädagogische Forschung konzentriert sich seit langem auf den schulischen Religionsunterricht und karikiert nicht selten die Katechese gar als Zerrbild religiöser Bildung, wenn es gilt, eine tatsächliche oder vermeintliche „Rekatechetisierung“ des RU zu vermeiden. Religiöse Bildung und Katechese wirken dann als Gegenspieler, auch weil jene Stimmen, die einer sinnvollen und bewährten Aufgabenverteilung von RU und Katechese das Wort reden, nur ein verhaltenes Echo hervorrufen.
Neue Impulse für Katechese
Angesichts dieser Situation hat sich die Sektion „Außerschulische religiöse Bildung und Katechese“ der Arbeitsgemeinschaft Kath. Religionspädagogik und Katechetik (AKRK), der internationale Zusammenschluss von religionspädagogisch tätigen Forscherinnen und Forschern im deutschsprachigen Raum, entschlossen, der wissenschaftlichen Reflexion der Katechese im deutschsprachigen Raum neue Impulse zu geben. Hier liegen ja mit dem gut ausgebauten Religionsunterricht einerseits und einer lebendigen Ökumene andererseits spezielle katechetische Bedingungen vor, die eine eigenständige Bearbeitung des Themas erforderlich machen. Kurz vor dem Start der diesjährigen Erstkommunionsaison trafen sich Wissenschaftler:innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu einer Bestandsaufnahme. Gefördert wurde die Tagung von der Römisch-katholischen Zentralkonferenz der Schweiz und der Deutschen Bischofskonferenz.
Ziel der Tagung war die Entwicklung und Vernetzung von Forschungsperspektiven. Dabei zeigte sich zunächst, dass die Teilnehmenden sich weitgehend einig waren, was Katechese denn eigentlich sein soll: Ein biographisch angelegter und gemeinschaftsbezogener Prozess der Sinnfindung im Traditionsstrom des christlichen Glaubens, der sich nicht auf die Erschließung von Inhalten beschränkt, sondern immer auch handlungsbezogenes Lernen einschließt. Katechese ist religiöse Bildung!
Katechese ist religiöse Bildung!
Allerdings kommt diese Beschreibung in der Praxis nur bedingt zum Tragen. Empirisch konnte als erste Tagungsreferentin Eva Baumann-Neuhaus vom Schweizerischen Pastoralsoziologischen Institut in St. Gallen zeigen, wie weit gegenwärtige Prozesse der Entkirchlichung vorangeschritten sind. Inzwischen lässt sich ein deutlicher Kohorteneffekt erkennen. Sozialisierende Formen von Katechese sind offenbar weitgehend wirkungslos. Clauß Peter Sajak (Universität Münster) wies auf Chancen in der Firmkatechese hin: Deren Angebote eröffnen Freiräume, die rückblickend als durchaus wohltuend beschrieben werden, aber von real existierenden Kirchenerfahrungen häufig genug konterkariert werden, von einer „Auskunftsfähigkeit“ der Teilnehmenden ganz zu schweigen. Jasmin Hacks Vorstellung einer Umfrage der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral (KAMP) in Erfurt zeigte die großen Differenzen unter den befragten Praktiker:innen zur Frage, was denn überhaupt unter Katechese zu verstehen sei, während zugleich deutlich wurde, dass Erstverkündigung und Katechese aus Sicht der Befragten in der Pastoral aktuell keine Priorität haben.
Dass diese Situation sich als folgenreich erweisen könnte, legten die Ausführungen von Wolfgang Ilg (EH Ludwigsburg) nahe. Ergebnisse aus der Konfirmandenforschung erlauben die Vermutung, dass, ähnlich der Konfi-Zeit, Katechese eine bildende religiöse Intensiverfahrung sein kann („Konfi-Boost“), die für eine gewisse Dauer auch eine höhere Kirchenbindung hinterlässt, die aber, etwa durch Wohnortwechsel, bald gefährdet ist.
divergierende Bedeutungsvielfalt in der katechetischen Praxis
In umfangreichen Arbeitseinheiten diskutierten die Tagungs-Teilnehmenden diese Befunde, um weiterführende Forschungsperspektiven zu gewinnen. Große Herausforderungen bestehen bereits in der Klärung des Verständnisses dessen, was „Katechese“ bedeutet. Die weitgehende Übereinstimmung im Katecheseverständnis in der Forschung trifft auf eine breite, mitunter divergierende Bedeutungsvielfalt in der katechetischen Praxis. Hier liegt zudem der Schwerpunkt in der Sakramentenkatechese mit Kindern und Jugendlichen. Dass gerade Erwachsene Adressaten der Katechese sein sollten, dass Menschen in ihren jeweiligen Lebenssituationen angesprochen und ihre Erfahrungen thematisiert werden sollten, wird in der Praxis kaum gesehen, sodass auch keine entsprechenden organisatorischen, methodischen und inhaltlichen Konsequenzen gezogen werden.
Offenbar gibt es im Bereich der Katechese Spannungen zwischen Zielsetzung und Arbeitsweisen: Während einerseits das befreiende und sinnstiftende Potential der biblischen Tradition und des christlichen Glaubens behauptet wird, sprechen Methoden und Materialien oft eine andere Sprache. Immer wieder neigt katechetische Praxis dazu, einfach zu instruieren und zu behaupten oder sich auf die Ermöglichung harmonischer Erlebnisse zu reduzieren. Sie verweigert sich den Realitäten und ihren Ambiguitäten, bevormundet oder entmündigt damit aber letztlich. Hinzu kommen Defizite in der praktischen Anleitung und Begleitung: Katechet:innen fühlen sich mitunter allein gelassen oder überfordert und beklagen daher zurecht mangelnde Unterstützung durch Hauptamtliche. Diese wiederum sind angesichts einer Fülle an Aufgaben nicht immer in der Lage, professionell zu agieren.
verweigert sich den Realitäten und ihren Ambiguitäten.
Doch das Bild bleibt derzeit vor allem diffus, darin waren sich alle Teilnehmenden einig. Um gefühlte und subjektiv erlebte Wahrheiten in ein genaueres Verstehen zu überführen, sind Forschungsarbeiten unabdingbar. Es fehlt gerade in empirischer Hinsicht an vielem: Was geschieht in der Katechese vor Ort, wie wird sie erlebt, wie wirksam ist sie? Dabei ist theologisch-katechetische Grundsatzarbeit vonnöten: (1) Wann ist Katechese wirksam? (2) Was soll, was kann sie erreichen – und auf welchen Wegen? (3) Welche Didaktik braucht die Katechese? (4) Welche Kompetenzen benötigen Menschen, die als Katechet:in tätig sein wollen? (5) Welche Formen von Kirchlichkeit prägen die Katechese? Katechese, die gerade noch einmal im Jahr für geringe Aufmerksamkeit sorgt, ist zu wenig.
Die Forschungsarbeit muss intensiviert werden. Eine Folgetagung ist für das kommende Jahr geplant. Auch die Vernetzung der AKRK-Sektion mit anderen Playern wie der KAMP, dem Deutschen Katechetenverein (dkv) oder der Konferenz der diözesanen Referent:innen für Katechese, Katechumenat und missionarische Pastoral (KKMP) soll fortgeführt und weiter ausgebaut werden. Denn aus dem Bereich unterhalb des Radars findet die Katechese nur heraus, wenn sie sowohl theoretisch wie praktisch neu angeschaut wird!
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Dr. Patrik C. Höring ist Professor für Katechetik und Didaktik des Religionsunterrichts an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie
Dr. Markus Tomberg ist Professor für Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät Fulda
Bild: Wordcloud zu zentralen Begriffen im Feld der Katechese (Ergebnis der AKRK-Sektionstagung 2023)