Caspar David Friedrich. Kunst für eine neue Zeit. Ein Ausstellungshinweis von Rainer Bucher.
„Anlässlich des 250. Geburtstags von Caspar David Friedrich (*1774 Greifswald– 1840 Dresden) präsentiert die Hamburger Kunsthalle die Jubiläumsausstellung CASPAR DAVID FRIEDRICH. Kunst für eine neue Zeit. Sie bietet die umfangreichste Werkschau des bedeutendsten Künstlers der deutschen Romantik seit vielen Jahren“. So steht es auf der Homepage der Hamburger Kunsthalle und so ist es auch.
Über 60 Gemälde Friedrichs und rund 100 Zeichnungen sowie ausgewählte Arbeiten seiner Künstlerfreunde, aber auch zeitgenössische Resonanzen und Reaktionen auf Friedrich lohnen unbedingt den Besuch. Zentrales Thema, so die Ausstellungsmacher, sei das neuartige Verhältnis von Mensch und Natur in Friedrichs Landschaftsdarstellungen.
Das kann man so sehen, wie man bei Caspar David Friedrich und in ihm überhaupt viel sehen kann: Romantik als „säkularisierte Fortsetzung der Religion mit anderen Mitteln“ (Safranski) oder tiefgläubigen Protestantismus, deutschen Nationalismus oder menschliche Existenzverfasstheit, herrliche Natur und das verstörende Grauen in ihr und hinter ihr.
Mich haben zwei Bilder bis ins Innerste berührt: der berühmte „Mönch am Meer“ und der weniger bekannte und auch viel kleinere „Abend“. Lange vor der Farbflächenmalerei eines Mark Rothko (oder, ganz anders, eines Günther Fruhtrunk, eine lohnende Ausstellung zur Zeit im Kunstmuseum Bonn) stehen hier Farbflächen gegeneinander bis an die Grenze der Abstraktion. Und immer wieder die Frage: Wer wagt warum wirklich Neues, mit hohem existentiellem Risiko, mit wechselndem Rezeptionserfolg und so ziemlich allein?
Ausweislich des ungemein lesenswerten und flott geschriebenen Buches von Florian Illies, Zauber der Stille. Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten, Frankfurt/M. 2023, war Caspar David Friedrich ein ganz melancholisch gestimmter Mensch, bis hin zur Kauzigkeit. Er malte seine Bilder einsam in seinem Dresdner Atelier, zusammengesetzt aus Erinnerungen, Zeichnungen (eigenen und fremden), Orte werden frei kombiniert und verschoben, der Watzmann gemalt, obwohl Friedrich nie in den Alpen war. Nie wirklich hatte er den erhofften nachhaltigen Erfolg, zum Schluss seines Lebens kam er schon wieder „aus der Mode“ und dennoch – oder deswegen – schuf Friedrich Bilder, die nachhaltig wirken und ebenso nachhaltig verstören.
Friedrichs Bilder seien „Ikonen der Sehnsucht“ heißt es bei Illies. Sie wurden denn auch, so sie nicht verloren gingen, reproduziert bis zum Kitschverdacht. Der „Wanderer über dem Nebelmeer“, die „Kreidefelsen auf Rügen“, das „Eismeer“ sind im kollektiven Gedächtnis der deutschen, durch Naturromantik immer verführbaren Kultur abgespeichert. Und dann steht man vor diesen Bildern und versteht, warum Friedrich zu seinen Lebzeiten nie den ganz großen Erfolg hatte, nach seinem Tod 1840 bis zur berühmten Berliner „Jahrhundertausstellung“ 1906 praktisch vergessen war. Diese Bilder sind einfach zu gut, zumindest die meisten, um gefällig zu sein. Sie zeigen Natur, werfen einen aber auf sich selbst zurück.
„Nichts kann trauriger und unbehaglicher sein, als diese Stellung in der Welt: der einzige Lebensfunke im weiten Reich des Todes, der einsame Mittelpunkt im einsamen Kreis“ – schreibt Kleist zum „Mönch am Meer“, das Bild soll Samuel Beckett zu „Warten auf Godot“ inspiriert haben.
Wenn Sie können: Besuchen Sie diese Ausstellung und beobachten Sie sich, wozu Sie das gekenterte, fast schon zerdrückte Schiff im „Eismeer“ oder der „Abend“ oder irgendeines der Friedrichschen Bilder inspirieren. Und wie sie Sie auf Sie zurückwerfen.
Hamburger Kunsthalle bis zum 1. April 2024. Besuch der Ausstellung nur mit Zeitfensterticket möglich. Katalog 58 Euro.
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Rainer Bucher, Bonn, bis September 2022 Professor für Pastoraltheologie an der Universität Graz.