Implizite Theologie in der Popmusik – kann das auch explizite Kirchenchristinnen und Kirchenchristen inspirieren? Christian Bauer meint: ja. Und er demonstriert dieses Potenzial an einem Liedtext der britischen Band Mumford and sons, in dem der Unterschied von „sky“ und „heaven“ eine wichtige Rolle spielt.
1. Das Lied…
Das Seminar arbeitet weiter. In meinem Kopf, zuhause am Schreibtisch. Im Rahmen eines universitären Seminars zu säkularer Theologie in der Popmusik hat ein Studierender ein Lied von Mumford and sons vorgestellt: Hopeless wanderer. Wir suchen zunächst nach Versatzstücken einer ‚ausgewilderten’ explizit-theologischen Sprache. Dabei finden sich unter anderem Schriftzitate wie „I will call you by name.“ Der Kontext dieser Aussage liest sich wie wörtliche Rede im Munde Gottes:
So when your hope’s on fire
But you know your desire
Don’t hold a glass over the flame
Don’t let your heart grow cold
I will call you by name
I will share your road.
Spannender noch ist die nun folgende Suche nach impliziter Theologie im Lied – nach ihren biographisch-kontextuellen Voraussetzungen und nach den theologischen und pastoralen Konsequenzen. Zunächst zum Biographischen. Der Songtexter stammt aus einem christlichen Elternhaus und hat sich nach und nach davon entfernt:
I wrestled long with my youth
We tried so hard to live in the truth
But do not tell me all is fine
When I lose my head, I lose my spine
Bleibt mir nur weg, sagt der Text, mit eurer billigen Behauptung, es sei alles gut. Ich muss meinen Kopf ausschalten, um das zu glauben. Wenn ich das aber tue, dann verliere ich meinen aufrechten Gang. Ich bin ein „hopeless wanderer“, der seinen Weg nicht unter den sinnerfüllten heavens eures Glaubens geht, sondern unter den ereignisoffenen skies einer säkularen Welt. Euren Himmel gibt es nicht. Und mir reicht das auch: „I will learn, I will learn to love the skies I’m under.“
2. … und die Kirchenchristinnen und Kirchenchristen?
Was brauchen solche Wanderer einer fehlenden Hoffnung? Sicherlich nicht die ‚Eingemeindung’ durch eine tauffreudige Kirche, die aus ihnen gleich anonyme Christen macht. In ihrer aufrecht zweifelnden Säkularität können diese Wanderer aber daran erinnern, dass Christgläubige als societas Jesu potenzielle „Weggenossen“ sind: socii und sociae Jesu und der anderen Menschen unserer Zeit. Michel de Certeau SJ, einer der erklärten Lieblingsautoren von Papst Franziskus, hat einmal über den christlich-spirituellen Menschen von morgen geschrieben:
„Der Spirituelle ist ein Reisender, ein Wanderer. […] Sein Gepäck ist nicht üppiger als das seiner Zeitgenossen. Was er […] von ihnen empfängt und was er ihnen zurückgibt […], das begreift er als eine Frage, die sich in jeder Begegnung immer wieder neu stellt, als eine glückliche Wunde im Herzen jeder […] Solidarität […].“
Auch Christinnen und Christen sind solche Wanderer. Hoffnungsvolle Wandersleute, die ihre Weggemeinschaft anderen anbieten, die nicht mehr als das im Lied spürbare Restglimmen einer unbestimmten Hoffnung besitzen. Daran können auch Theologie und Kirche ansetzen. Am wichtigsten aber ist eine respektvolle, Freiheit lassende Solidarität des geteilten Weges (der Autor singt schließlich „hold me“, nicht „keep me“). Auf dem Weg Jesu, das ist jedenfalls meine eigene Erfahrung, muss man den Kopf nicht ausschalten. Und man kann Weggenossinnen und Weggenossen finden. In aller Freiheit, unter einem offen Himmel.
Bildquelle: Website von „Mumford and sons“