Philippa Haase und Tracy McEwan geben im Vorfeld der kommenden Synodensitzungen einen Einblick in die Ergebnisse der International Survey of Catholic Women, ISCW, einer internationalen Umfrage unter katholischen Frauen mit einem Schwerpunkt auf die Positionen der deutschen Teilnehmerinnen.
Katholische Frauen in Deutschland haben im Vorfeld der XVI. Bischofssynode 2022-24 gemeinsam mit Frauen aus aller Welt ihre Stimme erhoben, um eine verstärkte Beteiligung von Frauen in Amt und Leitung zu fordern und sofortige Maßnahmen zur Bekämpfung von Missbrauch anzumahnen. Ein Charakteristikum der Bischofssynode sollte eigentlich ein Prozess des Zuhörens sein, im Hinblick auf die aktuelle Agenda stellt sich allerdings die Frage, ob der Episkopat den Ruf der Frauen nach Reformen auch wirklich ernst nimmt. Oder anders gefragt: Hört man schlecht oder hört man nur nicht richtig zu? Are they hearing or actually listening?
Erstmals wurden für eine Bischofssynode über einen Zeitraum von drei Jahren Beiträge von Katholik*innen aus aller Welt eingeholt und geprüft. Dieses Vorgehen mit dem Anspruch, „zuzuhören“ („to listen“), ließ – nicht zuletzt unter Frauen – Hoffnung und Optimismus für eine integrativere katholische Kirche aufkeimen.
In Deutschland gab man sich bereits 2019 synodale Strukturen. Auch hier mahnte der Synodale Weg (2019-2023) eindeutige Maßnahmen gegen Missbrauch und für Geschlechtergerechtigkeit, einschließlich der Zulassung von Frauen zu sakramentalen Ämtern wie dem Diakonat an.[1] Rom legte man dies in theologisch reflektierten und breit abgestimmten Ergebnisschriften vor.
Trotz all dieser Bemühungen (auf nationaler und internationaler Ebene) scheint es wenig Aussicht darauf zu geben, dass die Forderungen der Frauen beim römischen Lehramt Gehör finden. Auf der abschließenden Sitzung der Weltsynode wird es keine Diskussionen über den Zugang von Frauen zum Diakonat geben.[2] Eine mögliche Änderung wird lediglich durch die erneute Einrichtung einer Arbeitsgruppe zum Thema Frauendiakonat in Aussicht gestellt.
Als Teil des Vorbereitungsprozesses der römischen Synode entschied sich das globale Reformnetzwerk Catholic Women Speak im Jahr 2022 für eine internationale Umfrage unter katholischen Frauen (International Survey of Catholic Women, ISCW), um die Ansichten und Erfahrungen katholischer Frauen zu untersuchen und für die Bischofssynode hörbar zu machen.[3] Dies ist die weltweit erste globale Umfrage unter katholischen Frauen; sie wurde von Forscherinnen der Universität Newcastle (Australien) geleitet. Der im März 2023 veröffentlichte Hauptbericht[4] fasst die komplexe Vielfalt, Ansichten und Anliegen von mehr als 17.000 Frauen in 104 Ländern zusammen. Die Befragten wurden über verschiedene Netzwerke und Foren weltweit, darunter Diözesen, Pfarreien sowie Frauennetzwerke und -organisationen, eingeladen, an der Umfrage teilzunehmen. Etwa 8% (n:1236) der Teilnehmenden stammen aus Deutschland; auf sie wollen wir einen genaueren Blick werfen:
Wie Tausende von Frauen aus der ganzen Welt betonen auch die Teilnehmerinnen aus Deutschland die zentrale Bedeutung ihres Glaubens, die Wichtigkeit der Eucharistie und ihre Teilnahme am kirchlichen Leben, äußern aber auch ein hohes Maß an Unzufriedenheit mit der Kirche.
Die überwiegende Mehrheit fordert nicht nur Reformen, sondern radikale Reformen.
Weltweit stimmen acht von zehn aller befragten Frauen der Aussage zu: „Ich unterstütze Reformen in der katholischen Kirche“. In allen untersuchten Ländern ist die Zustimmung groß, in Deutschland liegt sie bei 95%. Hier sprechen sich neun von zehn Frauen sogar für die Notwendigkeit radikaler Reformen aus.
Eine Teilnehmerin drückt ihre Zerrissenheit so aus: „Schwierig, großer Vertrauensverlust in die Institution. Da mir aber der Glaube und die örtliche Kirche wichtig sind, steht man häufig vor einem Zwiespalt” (Deutschland, 26-40 Jahre).
Eine weitere gibt an, „wütend, traurig, fassungslos, entrüstet, kämpferisch, müde” zu sein (Deutschland, 56-70 Jahre). Es zeigt sich: Der Leidensdruck ist groß.
Von zentraler Bedeutung im Survey ist die Frage nach Frauen in Leitungspositionen.
Eine deutliche Mehrheit (95%) der deutschen Befragten bejaht, dass „Frauen auf allen Ebenen der Kirchenleitung voll einbezogen werden sollten“. Auch der Aussage, „Frauen sollten für die Priesterweihe in Frage kommen“, stimmen neun von zehn zu. Eine Teilnehmerin findet deutliche Worte: „Die Institution Kirche kann bei mir erst wieder punkten, wenn auch Frauen Weiheämter bekommen” (Deutschland, 56-70 Jahre).
Bei der Frage nach Frauen in Leitungspositionen geht es darum, Frauen als vollwertige und gleichberechtigte Mitglieder der katholischen Kirche anzuerkennen. Dass die Realität davon weit entfernt ist, bringt eine Frau so zum Ausdruck: „Mein Verhältnis ist sehr angespannt. Ich fühle mich – obwohl ich hoch qualifiziert bin – nicht geachtet und wichtige Aufgaben, denen ich gewachsen bin, werden mir nicht anvertraut. Ich arbeite als Gemeindereferentin im kirchlichen Dienst und habe genug davon, wie Frauen in Seelsorge, in Leitung und Verantwortung benachteiligt werden” (Deutschland, 41-55 Jahre).
Eine andere Teilnehmerin äußert hingegen Hoffnung für zukünftige Generationen: „Ich wünsche mir für meine Tochter eine lebendige, freie, gleichberechtigte und offene katholische Kirche, die wertschätzend mit Gläubigen und Mitarbeitern aller Art umgeht. Umdenken ist wichtig … schnell und fair” (Deutschland, 41-55 Jahre).
Der Umgang mit Missbrauch ist für die meisten befragten Frauen höchst problematisch.
Die Art und Weise, wie die katholische Kirche mit Missbrauch umgeht – insbesondere mit sexuellem, spirituellem, körperlichem und emotionalem Missbrauch – ist für die meisten befragten Frauen höchst problematisch.
Neun von zehn der deutschen Befragten stimmen der Aussage zu, dass die Kirchenleitung nicht genug gegen den sexuellen Missbrauch und seine Vertuschung unternimmt. Eine deutliche Mehrheit (97 %) ist der Ansicht, dass „die Kirchenleitung mehr tun muss, um andere Formen des Missbrauchs, einschließlich Machtmissbrauch und spirituellen Missbrauch zu bekämpfen“ und dass „Klerikalismus der katholischen Kirche schadet“. Das Bewusstsein und die Unzufriedenheit über den Umgang mit Missbrauch ist in Deutschland besonders hoch, die Zustimmung zu den Aussagen des Survey größer als in jedem anderen Land.
Die Frauen weisen in der Umfrage auf fehlende konkrete und zeitnahe Maßnahmen gegen Missbrauch hin und reflektieren persönliche Konsequenzen. Eine Teilnehmerin fragt: „Ist es wirklich moralisch oder ethisch vertretbar, hinter einer Organisation zu stehen, die solche riesigen Mängel hat und solche grausamen Straftaten wie den Missbrauch von Kindern vertuscht?” (Deutschland, 18-25 Jahre).
Eine weitere schreibt, sie sei: „skeptisch, was Veränderungen betrifft, die aber dringend notwendig sind. Traurig, wütend, dass das wahre Gespräch nicht gesucht/ erwünscht ist. Desillusioniert, dass alte Männer so viel Macht haben, unchristlich zu handeln. Der Umgang mit Missbrauch, mit leidenden Menschen macht mich sprachlos“ (Deutschland, 56-70 Jahre).
Die Befragten kritisieren Klerikalismus als Machtmissbrauch.
Sie sehen darin einen Indikator für die Notwendigkeit von Reformmaßnahmen.
Einige Frauen äußern ihre Enttäuschung über die Privilegien der Kleriker. Sie beschreiben, dass Frauen, obwohl sie für einen Großteil der täglichen Aufgaben in der Kirche verantwortlich seien, immer noch dazu angehalten werden, sich gegenüber den Priestern zurückzustellen und ihnen mit besonderer Ehrfurcht zu begegnen, während sie selbst mit Gleichgültigkeit behandelt würden.
Eine Frau stellt folgende These auf: „wenn jede Frau in jeder Pfarrei aufhören würde zu putzen, zu kochen, abzustauben, zu tippen, Regie zu führen, zu singen, in der Kinderkrippe zu arbeiten, Unterricht zu geben, ans Telefon zu gehen usw., nur für EINE Woche, dann müsste jede Pfarrei schließen” (Deutschland, > 70 Jahre).
Viele Frauen gehen.
Eine große Anzahl jener Befragten, die Missbrauch, Machtmissbrauch oder Klerikalismus erwähnen, berichten auch, dass sie die katholische Kirche verlassen oder sich von ihr distanziert haben.
Eine Frau schreibt: „Ich habe große Probleme mit der kath. Kirche, da sie nicht mehr glaubwürdig ist. Die Lehre Jesu ist nicht mehr in den Taten der Kirche zu erkennen. Auch dass die Frauen nicht die gleichen Rechte haben, ist für mich nicht nachzuvollziehen. Vom Umgang mit den sexuellen Missbrauchsfällen ganz zu schweigen. Verbrecher sind Verbrecher” (Deutschland, 41-55 Jahre).
Die Hälfte (51 %) der in Deutschland befragten Frauen stimmt der Aussage zu: „Ohne Reform gibt es keinen Platz für mich in der katholischen Kirche“. Eine Frau erklärte: „Ich hoffe, dass die katholische Kirche sich verändern wird. Mich hat sie schon verloren. Aber wenn sie sich nicht verändert, wird sie noch viel mehr Menschen verlieren” (Deutschland, 26-40 Jahre).
Wenige Tage vor der Abschlusssitzung der Weltsynode steht die Glaubwürdigkeit der Vision von Papst Franziskus von einer synodalen Kirche auf dem Spiel. Der deutsche Synodale Weg wurde in Rom als Sonderweg kritisiert, die Forderungen seien nur in der deutschen Ortskirche ein Thema. Der ISCW ist jedoch ein deutlicher Beweis dafür, dass nicht nur die Frauen in Deutschland bedeutende Reformen fordern, sondern in der ganzen Welt.
Dennoch finden wichtige Änderungen im Arbeitsdokument (Instrumentum laboris) kaum Erwähnung. Registriert man die Eingaben der Frauen nicht oder hört man ihnen nicht zu? Frauen werden wieder einmal mit einem eigenen Charisma, einer eigenen Berufung und einer eigenen Rolle abgegrenzt; es gibt wieder keine Zulassung von Frauen zum diakonischen Dienst. Doch ohne spürbare Reformen wird die Abwanderung von Frauen aus der katholischen Kirche in Deutschland und weltweit weitergehen.
Philippa Haase OSF, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Pastoraltheologie und Homiletik der Universität Regensburg. Sie ist Mitglied im dortigen Forschungsschwerpunkt “Hidden patterns” zu Missbrauch an erwachsenen Frauen in der katholischen Kirche: missbrauchsmuster.de.
Dr. Tracy McEwan ist Theologin und Religionssoziologin an der Universität Newcastle, Australia. Sie ist Mitglied des Forschungsprojekts “An interdisciplinary investigation of gendered violence in communities of Catholic women religious in Germany and Australia” im Programm des Projektbezogenen Personenaustauschs Australien des DAAD zwischen der Universität Regensburg und der University of Newcastle, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
[1] https://www.synodalerweg.de/fileadmin/Synodalerweg/Dokumente_Reden_Beitraege/beschluesse-broschueren/SW16-Frauen-in-sakramentalen-Aemtern.Handlungstext.pdf
[2] https://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2024/07/09/0560/01156.html
[3] https://www.catholicwomenspeak.com/cws-international-survey
[4] Tracy McEwan, Kathleen McPhillips & Miriam Pepper, 2023. International Survey of Catholic Women: Analysis and Report of Findings, Newcastle: University of Newcastle. http://dx.doi.org/10.25817/0FNN-Z889