Schlange stehen zum Kommunionempfang – eine absurde Praxis angesichts der frühkirchlichen Tradition des Herrenmahles. Einiges müsste sich ändern an unserer Weise, Eucharistie und Abendmahl zu feiern. Dass dies von der Bibel her nötig wäre, erläutert Anneliese Hecht.
Seit Jesu Worten „Nehmt und esst“ (Mt 26,26) beim Abendmahl und seinem Austeilen des gebrochenen Brotes hat sich viel getan innerhalb der kirchlichen Mahlgemeinschaft. „Brotbrechen“, so heißt in der Apostelgeschichte noch das gemeinsame Mahl (vgl. Apg 2,42), das als Gedächtnismahl Jesu gefeiert wurde. Es war sowohl Vermächtnis des letzten irdischen Abendmahls Jesu wie auch ein Geschenk des auferstandenen Herrn. Deshalb wird es bei Paulus „Herrenmahl“ genannt. Lange Zeit wurde in der Kirche in den Mahlgemeinden wirklich ein Brot und ein Kelch geteilt als Zeichen der Verbundenheit mit dem einen österlichen Herrn und untereinander (vgl. 1 Kor 10,16f).
Was ist das – Mahl halten?
Das eucharistische Mahl weist nach der biblischen Überlieferung (1 Kor 11,17-34; Mt 26,20-29; Mk 14,17-25; Lk 22,14-23) vier Dimensionen auf:
- die Erinnerung an Jesu Tod („die Nacht, als er ausgeliefert wurde“)
- die Hingabe Jesu, zeichenhaft im gebrochenen Brot vergegenwärtigt („für euch“)
- der Bund zwischen Gott und seinem Volk („der Becher des neuen Bundes in meinem Blut“)
- der vorläufige Charakter des Mahles, der vorausweist auf die endgültige Gemeinschaft mit Gott („bis er kommt“)
Mähler symbolisieren in der Antike das Teilen von Leben (lateinisch: convivium = Leben teilen = Gastmahl). Das wird auch beim Herrenmahl spürbar. Es ist das Ereignis von geteiltem Leben der Gemeinde, ist Sonntag für Sonntag aber insbesondere die Vergegenwärtigung von Jesu Leben, Tod und Auferstehung. Bei Paulus, im ältesten Bericht vom eucharistischen Mahl, wird deutlich, dass es eine österliche Feier und ein wirkliches Mahl war, bei dem die Mahlgaben Brot und Wein auf Jesus als Person bezogen sind und seine innige Beziehung zur Gemeinde ausdrücken. Und er fordert die Mahlteilnehmenden ausdrücklich zum Essen und Trinken auf. Erst durch beides ist es ein echtes Mahl. Am Anfang der Kirche wurde dieses Mahl am je ersten Tag der Woche als dem Tag der Auferstehung und der Verbundenheit mit dem Auferstandenen abendlich gefeiert.
Eine verheerende Entwicklung…
Nach und nach aber – je größer der Graben zwischen Amt und Laien wurde – wurde dem Gottesvolk die volle Teilhabe am regelmäßigen und vollen Mahl vorenthalten: bis zum gelegentlichen Kommunionempfang an großen Festtagen oder sogar in der bloßen Augenkommunion mit dem Anschauen eines Bildes, etwa am Lettner. Bis zum Zweiten Vatikanum wurde der Gemeinde oftmals das Brot nur gezeigt, indem der zelebrierende Priester es vom Volk abgewandt bei den Wandlungsworten über den Kopf erhob. Dieses Brot bekamen meist nicht die Gläubigen zu essen, nur der Zelebrant. Und bis heute bricht und isst in der Regel nur der Priester die ihm vorbehaltene größere Hostie; das Volk erhält kleinere gestanzte Hostien aus ungesäuertem Brot, eher geschmacksarm, manchmal so dünn, dass sie am Gaumen kleben bleiben und mühsam mit der Zunge wieder gelöst werden müssen.
Was sind die Probleme der liturgischen Praxis heute?
-
Reden und Handeln passen nicht zusammen
Bei den Einsetzungsworten heißt es: „Esst und trinkt“. Diesen Worten folgen aber keine Zeichen. Man bekommt da noch lange nichts – weil zwischen der Aufforderung Jesu und dem Essen noch eine Menge stattfindet: ein wortreiches Hochgebet, ein Vaterunser mit Einschub des Priesters vor dessen Schlusslob, ein Gebet um Frieden und Friedensgruß, das Agnus Dei, das Gebet zur Vorbereitung der Kommunion, häufig die Priesterkommunion, eventuell auch die Kommunion der Kommunionhelfer. Und: Es ist dann weder ein wirkliches Essen, weil es so wenig Brot ist, noch ein Trinken, weil in der Regel die Gläubigen nicht aus dem Kelch trinken dürfen, allenfalls die Hostie eintauchen – was aber kein „Trinken“ ist. Der Priester hingegen trinkt den Wein vor den Augen der Gemeinde. Ist so etwas ein Mahl, das Gemeinschaft ausdrücken soll mit Jesus Christus und untereinander?
-
Der Mahlcharakter hat sich verflüchtigt
Ein feierliches Mahl, das uns etwas bedeutet, nehmen wir in unserer Kultur um einen festlich gedeckten Tisch sitzend ein – zur Zeit Jesu tat man das liegend. Wir haben bei der Eucharistiefeier dagegen einen Altar, stehen oder knien und die Messtexte betonen den Opferbegriff. Damit setzen sie einen ganz anderen Akzent, der dem Mahl eher entgegensteht. Dazu kommt: Das Essen des Brotes geschieht im Stehen, vielfach im Gehen. Denn viele lassen sich die Hostie in die Hand geben und stecken sie dann im Weggehen in den Mund, um schon dem Nächsten Platz zu machen, damit alles möglichst schnell vonstatten geht. Nur wenige nehmen die Hostie in Empfang, stellen sich hin und nehmen sie in Ruhe zu sich. Ein Mahl, aus dem ein Steh-Imbiss, vielfach sogar ein Geh-Imbiss geworden ist – und das beim kostbarsten Mahl unseres Lebens!
-
Die Proportionen der Elemente der Eucharistiefeier marginalisieren die Kommunion.
Gegenüber dem langen Wortgottesdienst samt Predigt und dem langen Kanongebet nimmt die Kommunion wenig Raum und Zeit ein. Und dann ist da nur das auf das Minimum reduzierte Brotscheibchen, eher eine Andeutung von Brot. Ein Brotbrechen – am Anfang der Kirche ein wichtiges Merkmal – gibt es nur bei der Priesterhostie, nicht mehr beim Kirchenvolk. Damit ist ein wesentliches Element verschwunden.
-
Der Tabernakel mit dem konsekrierten Brot gewinnt überproportional an Bedeutung – unabhängig vom Mahlgeschehen.
In den Gemeinden ist es gängige Praxis, bei der Kommunion Kelche mit schon vorab konsekrierten Hostien aus dem Tabernakel zu holen und davon auszuteilen. Das ist aus manchen Gründen verständlich. Für viele ist es aber auch befremdlich. Jemand sagte zu mir: Das ist, wie wenn man es eben mal aus dem Schrank holen würde. Es hat beim Hochgebet nicht auf dem Tisch gestanden und deshalb wenig Bezug zum Mahlgeschehen an sich. Außerdem hat es zu einer Gebetsfrömmigkeit außerhalb der Eucharistiefeier geführt, die das eucharistische Brot als höhere Form der Gegenwart Jesu verehrt als seine Gegenwart im Geist in den Glaubenden selbst und dort, wo zwei oder drei in seinem Namen zusammen sind. Dass das heilige Brot aufbewahrt wird, war in der frühen Kirche den Kranken geschuldet, die nicht am Gemeindemahl teilnehmen konnten und denen es gebracht wurde, damit sie Teil der Mahlgemeinschaft sein konnten.
-
Die Kelchkommunion wird vorenthalten.
Es ist nicht nachzuvollziehen, warum jene Gläubigen, die es wünschen, nicht auch aus dem Kelch trinken dürfen, zumal im Kelchwort alle zum Trinken eingeladen werden! Das Argument, das sei nicht hygienisch genug, ist schwach. Denn es steht den Gläubigen frei, ob sie aus dem Kelch trinken oder nicht. Das Argument, es sei nicht zu organisieren, weil man nicht wisse, wieviele aus dem Kelch trinken, ist oft schon widerlegt worden. Ein kleines Mädchen aus einem unserer Bibelkurse sagte zu seiner Mutter: „Der Priester lügt immer in der Messe. Er sagt: ‚Esst alle davon‘, und wir Kinder bekommen nichts. Und ‚Trinkt alle daraus‘, und ihr Erwachsenen erhaltet auch nichts.“
Heute biblisch verantwortet Herrenmahl feiern – aber wie?
Wenn wir Jesu Vermächtnis aus der Bibel ernst nehmen und tun, was er uns aufgetragen hat, dann
- sollte das eucharistische Mahl ein echtes Essen und Trinken sein: mit Brot, das man miteinander brechen und essen kann. Das Brechen symbolisiert die Einheit in Jesus und miteinander. Das Brotbrechen ist in der biblischen Tradition zentral: Denn beim Brotwort „Das ist mein Leib“ meint im griechischen Urtext „das“ nicht das Brot (es ist im Griechischen männlich), sondern das Brechen des einen. Also sollte es auch miteinander gebrochen werden (vgl. 1 Kor 10,16-17). Es verdeutlicht Jesu Hingabe bis ins Gebrochensein im Tod. Das Trinken aus dem Kelch erinnert an den Bund Gottes mit seinem Volk, der sich dem Menschen in Jesu Hingabe bis zum blutigen Kreuzestod zuneigt.
- sollte es einen Tisch geben, um den man sich versammelt, keinen Altar, und sollte es nach Paulus ein einziges Brot und einen einzigen Kelch geben (1 Kor 10,16f). Dafür bräuchte es überschaubare Mahlgemeinschaften, die von Gemeinschaft nicht nur sprechen, sondern sie in einer überschaubaren soziologischen Größe auch noch spüren können. In dem einen Brot und Becher ist als Zeichen die Einheit in Christus sichtbar. Das ist angesichts der an das Zölibatspriestertum gebundenen Eucharistiefeier aufgrund des Priestermangels sehr schwer zu realisieren.
- sollten die Gewichtungen zwischen Worten und Zeichen wieder ausgewogener werden. Das Mahl selbst sollte wieder mehr Raum einnehmen. Und: Wort und Zeichen sollten enger beieinander sein: nach dem Brot- und Kelchwort unmittelbares Essen und Trinken.
- sollte die Feier des eucharistischen Mahles mit dem im Brot gegenwärtigen Leib Christi die Verbindung mit der Gemeinde als lebendiger Leib Christi wiedergeben. Denn im Mittelpunkt des Eucharistieverständnisses steht schon bei Paulus nicht allein die Verwandlung von Brot und Wein in den Leib Christi, sondern die Verwandlung selbstbezogener Menschen in den Leib Christi, die Verwandlung in Menschen, die teilen (1 Kor 11,17-34).
Klar ist, dass eine lange Praxis nicht von heute auf morgen radikal geändert werden kann. Zumal es für Christinnen und Christen um etwas geht, was ihnen heilig und kostbar ist. Aber es sind nicht wenige, denen die gegenwärtige Form zu schaffen macht. Eine Etappe auf dem Weg einer Erneuerung ist denkbar: So werden in manchen evangelischen Abendmahlsgottesdiensten und in Eucharistiefeiern einiger katholischer Gemeinden Stehkreise gebildet, in denen Brot und Wein geteilt werden. Die Gemeinschaft wird zeichenhaft spürbar und der Empfang des Abendmahls dauert etwas an. Die Glaubenden bleiben innerlich länger bewusst dabei, auch diejenigen, die erst im nächsten Stehkreis nach vorne kommen oder schon vorher im Kreis gestanden hatten.
So wie es ist, sollte es nicht bleiben.
—
Anneliese Hecht ist wissenschaftliche Referentin beim Katholischen Bibelwerk e.V. – Bild: Burkard Vogt / pixelio.de
Literatur zur Vertiefung:
Bibel heute 211 „Unser täglich Brot“ (3/2017); der obige Beitrag ist in einer kürzeren Form in dieser Publikation erschienen – Welt und Umwelt der Bibel „Heiliges Mahl“ 1/2017, Bibelwerk Stuttgart e.V.