feinschwarz.net ist auf dem Katholikentag. Die AfD ist auch eingeladen. Die Unterzeichner*innen dieser Erklärung lehnen die Einladung ab und sagen: Noch ist Zeit ein Zeichen zu setzen.
Der kirchenpolitische Sprecher Volker Münz der Bundestagsfraktion der Partei Alternative für Deutschland ist zum 101. Katholikentag 2018 nach Münster vom ZdK eingeladen worden. Die Unterzeichner*innen dieser Erklärung lehnen die Einladung ab. Die Politik der AfD ist für Christ*innen unannehmbar: Wir suchen einen Weg des Glaubens nach Auschwitz – Spitzenfunktionäre der AfD verhöhnen hingegen die Erinnerung an den Holocaust und verklären den verbrecherischen Krieg der Wehrmacht. Unser Glaube ist katholisch und ökumenisch, also weltumspannend – die AfD macht die Menschenrechte teilbar durch nationalen Egoismus. Uns ist die Bewahrung der Schöpfung dringendes Gebot – die AfD verbreitet Fake-News über Klimawandel und ökologische Krise.
Die Einladung des AfD-Politikers Münz stellt einen dreifachen Dammbruch dar. Noch gibt es die Möglichkeit, die Einladung zurückzunehmen und damit ein klares Zeichen zu setzen.
Dammbruch 1: Die Einladung des AfD-Vertreters stellt eine Normalisierung einer menschenfeindlichen und hasserfüllten Politik dar. Die AfD schürt Hass und Angst gegenüber allen, die als vermeintlich fremd deklariert werden, zum Beispiel durch Begriffe wie „Genderterror“ und „Islamisierung“. Damit mag man gegenwärtig in den Bundestag gewählt werden, für Christ*innen wird damit jedoch eine rote Linie überschritten. Die Gefährliche Erinnerung an den Nationalsozialismus, wie sie gerade in der Münsteraner politisch-theologischen Tradition verankert ist, erinnert uns Christ*innen daran, dass wir auch gegenüber dem Faschismus, der sich in der Demokratie entwickelt, wachsam sein müssen. Der rechte Flügel um Höcke, dem Münz angehört, betreibt die rechte Radikalisierung der AfD. Wir brauchen ein klares Zeichen: Für uns Christ*innen legitimiert der Einzug in den Bundestag auf keinen Fall die Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts.
Dammbruch 2: Die Einladung bricht mit der bisherigen klaren Linie der Abgrenzung von der AfD durch das ZDK (Leipzig 2016) und viele weitere katholische Organisationen (z.B. BDKJ). 2016 setzte das ZDK das klare Zeichen: Wir geben der AfD keine Öffentlichkeit. Gerade die Abkehr von dieser Politik setzt ein umso deutlicheres Zeichen: Jetzt sei die AfD akzeptabel. Und das in einer Zeit, in der sie sich immer weiter nach rechtsaußen bewegt. Im Jammerton hat sich die AfD als Opfer der etablierten Politik dargestellt. Damit verwischt sie jedoch aktiv das Verhältnis von Täter*innen und Opfern in der Gesellschaft. Sie zerstört das, was Christ*innen die „Autorität der Leidenden“ (Metz) nennen. Nicht die AfD wird zum Opfer, wenn sie vom Katholikentag ausgeladen wird, sondern bei ihrem Auftritt werden es all diejenigen, die unter Rechtsextremismus, Nationalismus und Sexismus zu leiden haben. Wir Christ*innen dürfen nicht der AfD auf den Leim gehen. Für uns gilt weiterhin die Autorität der Leidenden.
Dammbruch 3: Die Einladung durch das ZDK stellt einen Bruch dar mit dem langjährigen breiten und starken Widerstand der Münsteraner Öffentlichkeit gegen den öffentlichen Auftritt von AfD-Funktionär*innen. Wie können wir Katholik*innen uns noch in unseren Bündnissen gegen rechte Positionen als Katholik*innen outen, wenn unsere Kirche für diesen Dammbruch der Münsteraner Stadtpolitik verantwortlich ist? Wir Katholik*innen werden in Münster als progressive Verbündete disqualifiziert sein. Für weite Teile der kritischen Münsteraner Öffentlichkeit delegitimiert sich auch der Katholikentag als Veranstaltung selbst. Wir werden kaum mehr überzeugend für die Hoffnung stehen können, dass die herrschenden Verhältnisse nicht das letzte Wort haben.
Noch ist es nicht zu spät. Ein deutliches Zeichen wäre nun, gerade nach den jüngsten Entwicklungen, die Einladung mit aller nötigen Entschiedenheit zurückzunehmen und ein für alle Mal klarzustellen: Menschenfeindliche Politik ist keine Option für Christ*innen.[1]
Politisch wachsames Christentum steht für eine mutige Kirche und mit Dietrich Bonhoeffer dafür ein, dem Rad früh genug in die Speichen zu fallen.
Initiator*innen
Philipp Geitzhaus (Theologe, Institut für Theologie und Politik, Münster)
Jan Herbst (Theologe, TU Dortmund)
Christoph Holbein (Theologe, CAJ Deutschland)
Dr. Julia Lis (Theologin, Institut für Theologie und Politik, Münster)
Dr. Gregor Taxacher (Theologe, TU Dortmund)
Judith Wüllhorst (Theologin, Münster)
Erstunterzeichner*innen
Norbert Arntz (Pfarrer, Kleve)
Josef Becker (Theologe, Uni Münster)
Stefan Brake (Lehrer, Steinfurt)
Christel Bußmann (Theologin, Marl)
Jan-Niklas Collet (Theologe, Universität Köln)
Dr. Klaus-Gerd Eich (Theologe, Trier)
Prof. Dr. Ulrich Engel OP (Theologe, Institut M.-Dominique Chenu Berlin / Phil.-Theol. Hochschule Münster)
Dr. habil. Julia Enxing (Referentin für Theologie, Katholische Akademie St. Jakobus, Goslar)
Ruben Enxing (Goslar)
Peter Fendel (Dipl. Theologe, Lünen)
Prof. Dr. Claudia Gärtner (Theologin, Uni Dortmund)
Dorothea Große-Frintrop (Münster)
Stefanie Großguth (Theologin, Tübingen)
Simon Haack (Politikstudent, Münster)
Dietlinde Hackenbroich-Schiff (Theologin, Höxter)
Dr. Andreas Hellgermann (Religionslehrer, Münster)
Christian Herwatz (Jesuit, Berlin)
Lea Hufnagel (Theologin, Münster)
Dario Hülsmann (Theologe, Münster)
Stefan Jax (M.A. Personalentwickler Münster)
Florian Jäckel (katholischer Theologe, Hamburg)
Dr. Ferdinand Kerstiens (Pfarrer em.)
PD Dr. Jürgen Kroth (Theologe, Regensburg)
Hanna Liffers (Pastoralreferentin KSHG, Münster)
Andreas Luttmer-Bensmann (Bundesvorsitzender der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands)
Prof. em. Dr. Norbert Mette (Theologe, Münster)
Dr. Aurica Nutt (Theologin, Köln)
Stephan Orth (religionspolitischer Sprecher der Grünen Münster)
Dr. Paul Petzel (Theologe, Lehrer, Andernach)
Karoline Prudlo (Lehrerin, Münster)
Michael Ridder (Religionspädagoge, Münster)
Dr. Fana Schiefen (Theologin, Uni Münster)
Peter Schönhöffer (Theologe, Ingelheim)
Prof. Dr. Franz Segbers (Sozialethiker, Universität Marburg)
Charlotte Seier (Religionslehrerin, Köln)
PD Dr. Stefan Silber (Theologe, Osnabrück)
Martin Steffen (Sportwissenschaftler, Köln)
Prof. em. Dr. Hermann Steinkamp (Theologe, Uni Münster)
Marion Tumbrink (Theologin, Münster)
Lena Wasmuth (Medizinstudentin, Münster)
Melanie Wurst (Theologin, Frankfurt a.M.)
[1] Das Kooperationsverbot mit Pegida wird aufgelöst, Lutz Bachmann tritt auf dem politischen Aschermittwoch der AfD auf, der Junge-Alternative Vorsitzende Lohr marschiert gemeinsam mit der Identitären Bewegung: Der rechtsextreme Flügel, zu dem auch Münz gezählt wird, gewinnt immer stärker an Einfluss.
Vgl. zu diesem Beitrag den Leserbrief von Thomas Söding: