Jürgen Kaufmann, Citypastoral Nürnberg, denkt nach über Veränderung und Kultur. Veränderungskultur? Kultur der Weihnacht?
„Schatz, es kommt eine Veränderung auf uns zu. Bald sind wir nicht mehr nur zu zweit, sondern zu dritt.“ „Oh mein Gott! Du machst mich zum glücklichsten Mann der Welt! Wann ist es denn so weit?“ „Schon morgen. Um eins kommt Mutters Zug an…“.
Nun ja, mit der Veränderung ist das so eine Sache – manche sehnen sie herbei, manche fürchten sie, manche missverstehen sie. Ein altes chinesisches Sprichwort (derer gibt es bekanntlich viele) sagt ganz treffend: Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.
Zwischen Willkommens- und Verabschiedungskultur
Wir sehen das im Moment überdeutlich, Stichwort „Flüchtlinge“: Während die einen von einer „Willkommenskultur“ reden, würden die anderen lieber gestern als heute eine „Verabschiedungskultur“ installieren; wo für die einen die Herausforderung und Chance im Vordergrund steht, droht für die anderen die Gefahr der – genau! – Veränderung! Da ist dann schnell mal nichts Geringeres als das gesamte christliche Abendland in Gefahr, und manche versteigern sich rasch wieder in aus gutem Grund verbannte Jargons wie jenem vom „1000jährigen Deutschland“, dessen Tradition kurz vor der Auslöschung stehe: Alles soll um Himmels Willen so bleiben, wie es ist und am besten sogar wieder so werden wie früher.
Die gute alte Zeit eben. Nur: Sie kommt nicht wieder, einmal abgesehen von der Grundfrage, ob in ihr wirklich alles gut war. So banal wie zutreffend bringt das der römische Philosoph Ovid auf den Punkt: „Alles ändert sich.“ Wer sich dagegen stemmt, verkennt die Realität und versäumt im Übrigen auch sein Leben, weil wirkliches Leben nun einmal nichts anderes bedeutet, als Veränderungen zu gestalten.
Wenn die Dinge so bleiben sollen, wie sie sind, dann werden sie sich ändern müssen.
Und weil wir gerade bei Sprüchen sind: Eines meiner Lieblingszitate stammt von dem italienischen Schriftsteller Lampedusa: „Wenn die Dinge so bleiben sollen, wie sie sind, dann werden sie sich ändern müssen.“ Ein Widerspruch? Ganz und gar nicht. Man könnte auch so sagen: Wer festhält, was verändert werden muss, verliert alles. Am deutlichsten sichtbar wird dies an Beziehungen. Wer immer noch mit denselben Sprüchen bei seiner Liebsten punkten will wie vor 20 Jahren, wird irgendwann überhaupt kein Gehör mehr bei ihr finden. Um eine Beziehung lebendig zu halten, muss jeder die Bedürfnisse des jeweils anderen im Blick haben. Und die ändern sich eben, ob einem das nun passt oder nicht.
Jaja, es ist schon irgendwie tragisch: „Der Mensch will immer, dass alles anders wird, und gleichzeitig will er, dass alles beim Alten bleibt.“ (Wieder so ein Spruch, ich weiß; aber ein verdammt treffender eben. Diesmal übrigens von Paulo Coelho.) Dabei können manchmal kleine, unscheinbare Stolpersteine wahre Wunder wirken. Im bezaubernden Film „Die fabelhafte Welt der Amelie“ greift eine junge Frau unmerklich in das Leben von ihr mehr oder weniger nahestehenden Personen ein, indem sie Kleinigkeiten in deren gewohntem Tagesablauf verändert oder ihnen unerwartete Dinge in den Weg legt. Mit teils ungeahnten Folgen auf das weitere Leben dieser Personen.
So betrachtet muss man also gar nicht so weit gehen und alles hinter sich abbrechen oder von Grund auf verändern wollen. Es genügt ja vielleicht bereits, sich tatsächlich mal auf die Chance jener kleinen Stolpersteine oder Schritte einzulassen, die zu jedem Leben gehören. Wie gewaltig das Veränderungs- und Wendepotential aus zunächst höchst Unscheinbarem und Kleinem sein kann, gehört zu den Sternchenthemen in der Bibel. Eines davon beschäftigt uns regelmäßig gegen Ende des Jahres: Wir nennen es Weihnachten.
Text: Jürgen Kaufmann, Citypastoral St. Klara Nürnberg; Bild: Dr. Stefan Barth, pixelio.de.