Die Amazonassynode bringt die ökologische und soziale Frage auf weltkirchlicher Ebene zusammen. Um dies zu kontextualisieren, findet im Hotspot der europäischen CO₂-Produktion, dem Rheinischen Braukohlerevier, am 18.-20. Oktober 2019 die «Klimasynode von unten» statt. Benedikt Kern hält es für unumgänglich, dass die Klimakatastrophe von Christinnen und Christen als Zeichen der Zeit verstanden wird.
Kairos für die Weltkirche
Am 06.10.2019 hat in Rom die Bischofssynode zu Amazonien begonnen. Im Vorbereitungsdokument wird bereits deutlich, dass die Fragen Amazoniens keinesfalls einfach nur partikulare Perspektiven in Lateinamerika betreffen:
«In der Kraft des Heiligen Geistes möchte die Kirche, die sich mit diesen Erfahrungen von Kreuz und Auferstehung identifiziert, im Dialog und gemeinsam mit den Völkern Amazoniens lernen, voll Hoffnung und Freude auf die Zeichen der Zeit zu reagieren. Wir hoffen, dass ein solcher Lernprozess in Dialog und Mitverantwortung sich auch in allen anderen Gegenden des Planeten fortsetzt, wo man die ganzheitliche Fülle des Lebens in jeder Hinsicht ersehnt. Wir glauben, dass dieser kairós, dieser gottgewirkte Moment Amazoniens uns zusammenruft und provoziert, dass er ein Moment von Gnade und Befreiung, von Erinnerung und Umkehr, von Herausforderung und Hoffnung ist.» (Nr. 34)[1]
Hier werden drei zentrale Aspekte deutlich:
- Erstens die Notwendigkeit der Parteilichkeit der Kirche, die sich durch die «Erfahrungen von Kreuz und Auferstehung» von den gesellschaftlichen Konflikten und ökologischen Krisenphänomenen als den globalen Zeichen der Zeit betreffen lässt.
- Zweitens wird hier die weltkirchliche Dimension einer Ausrichtung unterstrichen. In einer globalisierten Welt stehen die gesellschaftlichen Verhältnisse in den verschiedenen Erdteilen immer auch in einer Relation zueinander. Unrecht und Umweltzerstörung an einem Ort in der Welt betreffen immer die ganze Menschheit somit auch die Kirche als Ganze.
- Schließlich wird drittens betont, dass die Auseinandersetzung mit den drängenden Fragen nach den bedrohten Indigenen, dem Umgang mit Umweltzerstörung und Verarmung und der Überwindung dieser Bedingungen eine Chance für die Kirche darstellen, sich neu auszurichten – ja, hinzuhören und umzukehren.[2]
Kritische Selbstanfrage
Eine Umkehr der Kirche bedarf einer Erneuerung der Praxis sowie der eigenen Strukturen – vor allem aber ist sie eine kritische Selbstanfrage angesichts der gesellschaftlichen Verhältnisse. Ausgangspunkt ist dafür die Erfahrung und die Analyse der Wirklichkeit, um so die Zeichen der Zeit zu erkennen und angesichts dieser Zeichen in Bewegung zu kommen.
Zeichen der Zeit: Klimakatastrophe
Wenn unser Lebensraum durch den Klimawandel irreversible Schäden von sich trägt und die Gründe in erster Linie in der globalen Wirtschaftsweise mit ihrem Profit-, Wachstums- und Kapitalakkumulationszwang liegen, dann ist dies ein Zeichen der Zeit, dem sich Christinnen und Christen nicht verschließen können. Papst Franziskus bringt auf den Punkt, was den Zusammenhang von Ökologie sozialer Frage ausmacht: Man muss „die Gerechtigkeit in die Umweltdiskussionen aufnehmen […], um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde“ (Laudato Si, 49). Hierbei wird auch deutlich, dass sich der Klimakatastrophe nicht mit einer Änderung des Lebensstils beikommen lässt, sondern es um den Zusammenhang von Wachstum, Produktionsweise und Machtverhältnissen geht.
Überwindung des Kapitalismus
Nicht erst die in den letzten Jahren entstandene Klimabewegung, sondern auch fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen unmissverständlich auf, dass unmittelbare Anstrengungen zur Senkung des CO₂-Ausstoßes getan werden müssen. Gleichzeitig bedeutet das aber auch, dass es nicht bei Appellen an die staatlichen Institutionen und deren RepräsentatInnen und schließlich kosmetischen Reformen bleiben kann – sondern dass es auf eine Überwindung des Kapitalismus «von unten» ankommt, um dieser Welt eine Zukunft zu ermöglichen. Das heißt, dass es um die Organisation von solidarischen Strukturen in der Gesellschaft geht, die ein Jenseits der herrschenden Verhältnisse eröffnen können.
Deutlich sichtbar wird die tödliche gegenwärtige Realität in Amazonien, aber auch in anderen Regionen des globalen Südens, wo bereits heute irreversible Umweltschäden das Leben von Menschen bedrohen (Ausbreitung von Wüsten, Inselüberschwemmungen etc.). Die Ursachen hierfür liegen größtenteils jedoch im globalen Norden, denn die größte CO₂-Produktion als eines der zentralen Probleme findet vor unserer Haustür statt.
Rheinisches Braunkohlerevier: ein Hotspot der Erderwärmung
Die höchste CO₂-Produktion Europas geschieht im Rheinischen Braunkohlerevier, wo seit der Ölkrise in den 1970ern im großen Stil Braunkohle verstromt wird. Die Folge ist, dass riesige Bürge-Wälder abgeholzt und Dörfer umgesiedelt werden. Im Jahr 2018 sorgte der Kampf um den Hambacher Forst für großes Aufsehen und trug mit dazu bei, dass sich seit dem die Klimabewegung weiter vergrößern konnte.[3] Angesichts dieser Zerstörung durch den Braunkohleabbau (dessen geplante Einstellung im Jahr 2038 jegliche Klimaziele unrealistisch gemacht hat) bietet es sich an, die Anliegen der Amazonassynode kontextualisiert auch in Sichtweite zu den Baggern des Tagebaus Hambach zu diskutieren. Jedoch nicht unter Bischöfen, sondern «von unten», mit denjenigen, die sich als ChristInnen und Nicht-ChristInnen an Klimaprotesten aktiv beteiligen.
Klimasynode von unten
Aus diesem Anlass veranstaltet der Diözesanrat der Katholiken im Bistum Aachen, das Münsteraner Institut für Theologie und Politik und weitere am 18.-20. Oktober 2019 in Düren die «Klimasynode von unten»[4]. Der Zusammenhang von Kapitalismus und Klimawandel einerseits und politische und widerständige Handlungsstrategien durch die Allianz von Sozialen Bewegungen und Christinnen und Christen andererseits sind dabei die Hauptthemen. Eine gemeinsame Abschlusserklärung soll schließlich an die Amazonassynode in Rom gesandt werden. Damit deutlich wird: Im Sinne einer Kirche, die umkehrt, ist es wichtig, dass Christinnen und Christen dem Klimawandel, der durch das Weiter-so der kapitalistischen Verhältnisse vorangetrieben wird, ihre Hoffnung auf Veränderbarkeit praktisch entgegensetzen.
Benedikt Kern ist kath. Theologe, Mitarbeiter am Institut für Theologie und Politik in Münster und Aktivist in der Klimabewegung.
Bildquelle: Hubert Perschke (Räumungsversuch des Hambacher Forstes im September 2018).
Kommentar des Autors zum Bild: Die Auseinandersetzungen um den Hambacher Forst, die Proteste von Ende Gelände (vgl. www.ende-gelaende.org) und die globalen Klimastreiks zeigen: Angesichts der Klimakatastrophe müssen Veränderungen «von unten» in die Hand genommen werden.
[1] Librería Editrice Vaticana (Hg.): Bischofssynode – Sonderversammlung für Amazonien (6.–27.10.2019), Amazonien: Neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie. Instrumentum Laboris, 2019. Übers. v. Norbert Arntz, hrsg. von Adveniat und Misereor.
[2] Vgl. Weiler, Birgit: Lernerfahrungen auf dem synodalen Weg – Erwartungen und Herausforderungen für die Amazoniensynode, Feinschwarz (04.10.2019), https://www.feinschwarz.net/lernerfahrungen-auf-dem-synodalen-weg-erwartungen-und-herausforderungen-fuer-die-amazoniensynode-in-rom/#_ftnref1.
[3] Vgl. Bebber, Maria: Im Hambacher Forst, Feinschwarz (04.10.2018), https://www.feinschwarz.net/hambacher-forst/ und Kern, Benedikt: Das Klima weiter im Hambacher Forst verhandeln!, Feinschwarz (16.11.2018), www.feinschwarz.net/das-klima-weiter-im-hambacher-forst-verhandeln/.