Es ist eine kommentierte Liste von 11 Geboten zu Haltung und Respekt im Netz, die Johann Hinrich Claussen, der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland und Joachim Hake, der Direktor der Katholischen Akademie in Berlin, heute am 9.02.2021 um 18.30 in einer Youtube-Liveübertragung aus der Katholischen Akademie der Öffentlichkeit vor- und mit Nora Bossong, Ijoma Mangold, Markus Beckedahl und vielen anderen zur Diskussion stellen werden.
Diese Liste hat nichts Spektakuläres und wirklich Neues findet sich in dieser Liste nicht. Originell kann, soll und darf diese Liste nicht sein. Sie ist der Niederschlag eines gemeinsamen Lern- und Gesprächsprozesses, Ausdruck der nüchternen Einsicht, dass den vielen Respektlosigkeiten und emotionalen Entgleisungen im Netz etwas entgegengehalten werden muss. Dass die Kraft von Listen unterschätzt wird, davon sind wir ebenso überzeugt wie davon, dass wir ohne Gebote des Anstands im nicht auskommen, an denen wir unser Verhalten zu messen und zu orientieren haben.
Neues möchte diese Liste nicht bieten.
An den 11 Geboten zu Haltung und Respekt im Netz haben – koordiniert von Marina Sawall – viele Menschen mit Anregungen, Beiträge und Ideen mitgewirkt. In Workshops, durch Fragebögen, Video-Statements und Veranstaltungen (vgl. www.anstanddigital.de) wurde über die Frage nachgedacht, welche Anstandsgebote und -regeln für eine demokratische und digitale Kultur grundlegend sind. Welche Maximen helfen uns im Netz zu mehr Anstand, der eigentlich selbstverständlich sein sollte?
Über ein Jahr lang haben wir die Frage nach überzeugenden Geboten der Haltung und des Respekts im Netz hin und her bewegt, haben uns in vielen kleinen und größeren Runden gefragt, welche Gebote für eine Kommunikation im Netz hilfreich sein könnte. Dabei geht es nicht um „muffige Benimmregeln“ oder Etikette im Netz und auch nicht um jene Frage, die das Recht lösen muss, sondern um jenen mittleren Korridor, in dem wir ohne Anstand, Respekt und Haltung im Netz nicht auskommen.
Unsere Hoffnung ist, dass diese Gebote eine Kraft entfalten, die aus ihrer indikativen Selbstverständlichkeit entspringt. Sie lauten z.B.: Empörungen unterscheiden, Nicht richten, Abstand halten und sich nicht gemein machen usw… Diese Gebote vermeiden das Ausrufezeichen, sind Infinitive, die als Gebote zu verstehen sind und fordern das Selbstverständliche.
Empörungen unterscheiden!
Neues oder Originelles findet sich hier nicht, und das wäre auch gar nicht gut, denn Gebote sollen nicht neu sein, sondern aus dem Inneren des Bekannten heraus Spielräume der Freiheit eröffnen, die durch eigene Respektlosigkeit, Unaufmerksamkeiten und Trägheiten verbaut sind. Einige von denjenigen, die diese 11 Gebote schon kennen, haben bemerkt, dass das Selbstverständliche so noch nicht gesagt wurde. Ja, auf das „Wie“ kommt es an, und es wäre schön, sie hätten recht.
Den polnischen Dichter und Essayisten Czesław Miłosz und die Schweizer Philosophin Jeanne Hersch verband eine lange, tiefe Freundschaft. „Was habe ich von Jeanne Hersch gelernt?“, fragte sich irgendwann Czesław Miłosz und notierte das Gelernte in zwölf Punkten und darunter auch diesen fünften Punkt:
„Dass die gebotene Haltung dem Dasein gegenüber der Respekt ist, und dass man folglich die Gesellschaft von Personen meiden soll, die das Dasein mit ihrem Sarkasmus herabwürdigen und das Nichts verherrlichen.“ (Czesław Miłosz, Gedichte. Ausgewählt und mit einem Nachwort von Adam Zagajewski, München 2013).
Aus uns allein heraus wissen wir wenig und können schon das selbstverständlich Gebotene kaum sagen, und werden es wohl auch allein nicht einlösen.
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Text: Joachim Hake, Direktor der Katholischen Akademie in Berlin.
Bild: Logo 11 Gebote anstand digital
Link zum Livestream: https://youtu.be/BI7pWl8smmA
Veröffentlichung von #anstanddigital 11 Gebote für Haltung und Respekt im Netz am 9.02.2021 um 18.30 Uhr auf www.anstanddigital.de in deutscher und englischer Sprache.