Arm geboren? Eigentlich müssten Kinder, die in arme Verhältnisse hineingeboren wurden, in Christlich-Abendland eine besonders starke Lobby haben. Ist doch das berühmteste aller Babys ebenfalls arm zur Welt gekommen, damals, am Stadtrand von Bethlehem. Aber leider ist das kleine Jesulein, was Armut betrifft, nicht repräsentativ. Es blieb nicht in den prekären Verhältnissen der Vorstadt gefangen. Als hochbegabtes Zimmermannskind und Gottes Sohn hatte es dann doch ganz andere Entwicklungsmöglichkeiten als die Kinder vom Stall nebenan.
Ja, all diese andern, die bloß einfach Kinder armer Eltern sind? Deren Chancen, dereinst aus ihrer Misere herauszukommen, haben sich in den letzten Jahren kontinuierlich verschlechtert. Arme sind ja auch selber daran schuld, dass sie arm sind. So jedenfalls kolportiert es der neoliberale Mainstream. Und gerade dort, wo unablässig das Mantra vom drohenden Verlust der christlichen Werte heruntergebetet wird, gerade dort haben die Armen einen besonders schweren Stand. Kein Wunder. Das Verhöhnen von Benachteiligten, das Erniedrigen von Bedürftigen, das Ausgrenzen von Schwachen ist ja Teil der DNA von Konservativ bis Rechtsextrem. Den Tüchtigen gehört die Welt.
Na ja, den Kampf gegen Kinderarmut kann man sich als politische Partei vielleicht noch ungestraft auf die Fahne schreiben. Es tönt ja irgendwie edel, sich für arme Kinder einzusetzen. Aber leider ist Kinderarmut schlicht und einfach Elternarmut. Und mit der Bekämpfung der Erwachsenenarmut kann man hierzulande keine Stimmen machen. Sonst müssten wir am Ende ja über Gerechtigkeit reden, oder – noch schlimmer – über Umverteilung. Und das wollen wir uns doch alle lieber ersparen.
Den vorläufigen Höhepunkt der aktuellen Auseinandersetzung mit Armut setzte die Verleihung des diesjährigen Wirtschaftsnobelpreises. Erhalten haben ihn ArmutsforscherInnen. Aber was für welche! Die haben untersucht, mit welchen Tricks und Anreizen man Arme dazu bringen könne, ihr weniges Geld vernünftiger auszugeben. Also vielleicht mehr für Bildung und weniger für Zigaretten. Da wird Forschung ausgezeichnet, die Armut auf Verhaltensauffälligkeit reduziert. Und es sich leistet, nach den Ursachen für die Armut gar nicht erst zu fragen. Ist so viel Ignoranz überhaupt erlaubt? Offenbar schon. Sie ist sogar preiswürdig.
So weit, so arm.
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Daniel Lienhard ist Illustrator und Visueller Gestalter.
Er lebt und arbeitet in Bregenz / Austria.
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Bilder: Digitale Bildmontagen von Daniel Lienhard