Mit der Krippe erzählt die Familie von Mathias Bröckl jedes Jahr von der Hoffnung der Weihnacht.
Ich erinnere mich noch allzu gut, dass meine Mutter, selbst als ich Jugendlicher oder Erwachsener war, immer wieder erzählte, dass mein erster Berufswunsch Schäfer gewesen wäre. Ich habe mich dann gefragt – und frage es mich heute noch –, was mich wohl damals dazu veranlasst hatte. Sicher war ein Motiv das imposante Bild, das ich aus meinem Kinderzimmerfenster mehrmals im Jahr sehen konnte, wenn ein Schäfer mit seiner Herde durch unser Dorf zog. Unzählige Schafe kamen vom gegenüberliegenden Hügel herab um auf der anderen Seite des Tales eine neue Weide zu erreichen.
Berufswunsch Schäfer
Vielleicht war es auch eine Sehnsucht nach Freiheit und Unbefangenheit, die ich hinter dem Schäfersein vermutete. Ganz bestimmt aber waren es die Schäfer-Hunde und die mit den Hunden und der Herde verbundene Verantwortung.
Immer wieder denke ich an diesen ersten Berufswunsch, wenn wir in unserem Wohnzimmer im Advent unsere Krippe aufbauen und die Hirten aufstellen. Dann sind sie noch auf dem Feld alleine und die Krippe ist leer. Josef und Maria kommen dann am 24. Dezember dort an, zuvor waren sie im Wohnzimmer unterwegs. Das Jesuskind und der Engel, den Sie auf dem Foto sehen, wird dann am Heiligen Abend von unseren Kindern feierlich hinzugefügt, wenn wir aus der Kirche zurückkommen. So „läutet“ der Engel gewissermaßen das Familienfest ein.
Der Engel läutet das Familienfest ein.
Und er macht dies mit einem „Mutmachspruch“, der mich in den letzten Monaten immer wieder beschäftigt und begleitet hat: „Fürchtet Euch nicht!“ Diese Zusage und die damit verbundene Hoffnung begleiten mich schon fast ein Leben lang.
1989 hatte ich im Theologiestudium in Würzburg einen der ersten
Predigtkurse unter der Leitung von Professor Zerfass besucht. Meine „Abschluss-Predigt“ hatte den kleinen Kanon:
„Das wünsch ich sehr, dass immer einer bei mir wär, der lacht und spricht: Fürchte dich nicht!“
als Aufhänger. Vom Nachgespräch mit den Gottesdienstteilnehmer*innen erinnere ich noch, dass es mir gelungen sei, die damit verbundene Hoffnung zu artikulieren.
Hoffnung artikulieren.
Ich glaube, dass wir Menschen diesen Zuspruch, diese Hoffnung derzeit sehr nötig haben. Im Moment fällt mir vermehrt auf, dass viele „dünnhäutig“ geworden sind. Die Einschränkungen der Freiheiten, die Ungewissheit über die persönliche, aber auch gesellschaftliche Zukunft, die potentielle Gefahr, die durch jeden Mitmenschen, aber auch durch uns selbst als mögliche/r Virenträger*in auszugehen scheint, schlagen auf die Psyche.
Und ich glaube, keiner von uns ist davor gefeit, hat doch noch niemand eine vergleichbare Situation erlebt. Uns fehlt dazu die Erfahrung, wir sind derzeit auf die Probe gestellt. In dieser Situation fällt uns allen schwer, der Zusage des Engels zu vertrauen und unseren Ängsten und Befürchtungen dieses Wort entgegenzustellen. Vielleicht tut uns da eine „Auszeit“ zu Weihnachten gut, auch wenn diese nur im engsten Familienkreis möglich ist. Eine Auszeit, bei der wir die Sondersituation um uns herum einmal hinter uns lassen und dieser Zusage des Engels in uns Raum geben können:
„Fürchtet euch nicht!“
Auf dass wir im neuen Jahr dann wieder zu einer Normalität zurückkehren werden, bei der unsere Sehnsucht nach Nähe, gemeinsamem Lachen und größtmöglicher Unbeschwertheit gestillt sein wird.
___
Text: Mathias Bröckl, Teilbereichsleiter Religionsunterricht, Religionspädagogik im Erzbischöflichen Ordinariat Berlin
Bild: Mathias Bröckl