kunstzeit in der Katholischen Hochschulgemeinde in Linz ermöglicht Auseinandersetzungen zwischen Kunst, Religion und Theologie. Theresa Stampler zu Erfahrungen mit der kunstzeit in Linz.
Wenn ein 5 kg schwerer Würfel Butter auf einem Podest unter einer Glühbirne im Zentrum des Raums der Stille der Katholischen Hochschulgemeinde in Linz steht und vor sich hinschmilzt, oder sich farbige Netze quer durch den Andachtsraum ziehen – dann wissen die zumeist Wirtschaft, Recht oder Technik Studierenden, dass eine neue kunstzeit angebrochen ist.
„Kunst kann eine Sprache von Religion sein,“ ist beinahe schon ein Standardsatz bei den Eröffnungen der kunstzeit-Reihe und drückt das Bemühen aus, als Katholische Hochschulgemeinde den Dialog mit KünstlerInnen auf Augenhöhe zu führen und sich selbst auf zeitgenössische Kunst im eigenen Gebetsraum einzulassen.
Kunst kann eine Sprache von Religion sein.
Wenn dieser Dialog aufgeht, ist es nicht nur der Versuch, wie Marco Sorace es in seinem Artikel vom 30. Dezember vergangenen Jahres schreibt, „das Christentum in unserer Gesellschaft auch in Zukunft sprachfähig zu halten“, sondern auch KünstlerInnen Sinnhintergründe und -zugänge zu eröffnen.
Holzköpfe mit Nägeln, Blumen-Igel,
Butterblock, Netze
oder Strichcodes
– was hat das in einem interreligiösen Gebetsraum zu suchen?
Die Reihe kunstzeit gibt es in der Katholischen Hochschulgemeinde Linz seit 2003. KünstlerInnen werden einmal im Semester eingeladen, sich auf den interreligiösen Raum der Stille, der durch seine wüstenhafte Kargheit wirkt, einzulassen und eine künstlerische Intervention zu entwickeln. Alternierend werden dazu Kunst-Studierende und arrivierte KünstlerInnen eingeladen. Teil der Eröffnung ist neben einer künstlerischen auch eine theologische Annäherung an die jeweilige Arbeit durch Hochschul-, Akademiker- und Künstlerseelsorger Markus Schlagnitweit. Oft gibt es auch musikalische Annäherungen, die Bezug auf die Arbeiten nehmen.
Annäherungen
Bei Wein und Brot wird im Anschluss oft bis Mitternacht von KunstfreundInnen und Gemeindemitgliedern diskutiert – über Kunst und Theologie, und die vielen Ebenen, Aspekte und Bezüge, die sich eröffnet haben, oder darüber, dass sich gar nichts eröffnet hat. Die Installationen verbleiben einen Monat lang im Raum, der nicht nur für Gottesdienste und Meditationen, sondern auch für Yoga und persönlichen Rückzug, aber auch als einziger Gebetsort für muslimische Studierende an der Johannes-Kepler-Universität genutzt wird. Durch den Wechsel von bewusster Leere und künstlerischer Installation dürfen, ja sollen Irritationen entstehen, die Verweise auf Transzendentes eröffnen können.
Wer spielt wem auf?
Von der nicht vorhandenen Linie
zur Negativen Theologie
und wieder zurück
Die derzeitige kunstzeit 28 wurde von der jungen Künstlerin Inga Hehn gestaltet. Zwei überlappende Sterne vertikal übereinander auf naturweißem Papier – die Rhythmik der Linien lädt zum Meditieren ein, die Tiefe im Zentrum und das offene Auseinanderstreben konzentrieren und weiten zugleich Blick und Geist. Doch nicht die meditative Wirkung der Arbeiten im Raum war Ausgangspunkt der theologischen Annäherung von Markus Schlagnitweit, sondern die Technik, mit der Hehn arbeitet. Die Linien sind nicht gezogen, wie es auf den ersten Blick scheint, sondern entstehen, indem Tusche in winzigen Bewegungen quer von einer Schablonenkante auf das Blatt katapultiert wird. Auf diese Weise ergeben kleine gespritzte Punkte und Striche erst die Linie im Blick der BetrachterInnen.
Kunst und Theologie
Hochschulseelsorger Markus Schlagnitweit verband in seiner theologische Annäherung diese Arbeitsweise mit negativer Theologie: durch die Aussagen, was Gott nicht ist, ergibt sich ein Gottes-Bild im Gläubigen. Die komplexen theologischen Ausführungen wurden interessiert und konzentriert verfolgt und im Anschluss diskutiert. Gerade von Seiten der KünstlerInnen werden die Annäherungen oft als wertschätzende und bereichernde Denkanstöße erlebt, und das Interesse an den theologischen Hintergründen ist ernst und oft existentiell. Umgekehrt sind es aber auch die Interventionen, die als neue Sprache einen Platz in den gottesdienstlichen Feiern einnehmen und manches Mal auch Studierende zu eigenen Annäherungsversuchen evozieren.
Gemeinsames und
Trennendes:
die Sprache
Kunst und Glaube sprechen unterschiedliche Sprachen. In der „Verwiesenheit auf das Transzendente“ (Axel Stock) stoßen sie auf Gemeinsames – erst dies ermöglicht einen Austausch wie bei der Reihe kunstzeit. Sich als Hochschulgemeinde am zentralen Feierort und mit den eigenen Werten und Traditionen zeitgenössischer Kunst auszusetzen, ist wohl eine Form der Exteriorität, wie sie Marco Sorace beschreibt. Von Kunst wird diese Form des „sich Aussetzens“ im öffentlichen Raum häufig gefordert – die Annäherungen einer breiten Gesellschaft an die Kunst ist jedoch genauso schwierig und oft oberflächlich, wie dies umgekehrt der Kirche zum Vorwurf gemacht wird. Auch Kunst ist vielfach in ihrer Sprache und ihrer Weltdeutung für viele Menschen unverständlich geworden.
Sprachfähig bleiben
Nicht nur das Christentum sondern auch Kunst muss sich darum bemühen, in Zukunft sprachfähig zu bleiben. In unserer Reihe kunstzeit in der Katholischen Hochschulgemeinde bemühen wir uns darum, den Ball nicht nur aufzunehmen, den uns die KünstlerInnen aufspielen, sondern ihn auch zurückzuspielen und das Spiel am Laufen zu halten.
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Mag. Theresa Stampler, Theologin, Kunsthistorikerin, Fremdenführerin, Linz
Beitragsbild: kunstzeit 27 – Kumulation von Barbara Lindmayr im Raum der Stille in der Katholischen Hochschulgemeinde Linz; Fotocredit: Barbara Lindmayr