Die Katholische Kirche Stadt Luzern stellt sich der Herausforderung der Nachhaltigkeit. Ein Erfahrungsbericht von Florian Flohr.
Ist die Kirche nachhaltig lebensverträglich? Das könnte in einer Organisation, in der es um „Leben in Fülle“ geht, wie eine rhetorische Frage klingen. Aber es ist ganz praktisch und konkret keineswegs so selbstverständlich, dass sich die Logik des Lebens im Sinne von Ökologie und Nachhaltigkeit durchsetzt. Und es ist übrigens auch ein Feld, in dem die Kirche(n) nicht als Lehrmeisterinnen auftreten können, sondern vor allem von Bewegungen und Wissenschaften zu lernen haben, die ausserhalb kirchlicher Kreise entstanden sind. Die Katholische Kirche Stadt Luzern will sich – wie andere Kirchen1 – dieser Herausforderung stellen.
Gebäude und Energie im Fokus
Dreizehn Kirchen und Kapellen, vierzehn Pfarrei- und Jugendheime und acht Pfarrhäuser, weitere Liegenschaften im Finanzvermögen – bei diesem grossen Gebäudepark ist klar, welcher materielle Aspekt in ökologischer Hinsicht im Vordergrund steht. Die Zahlen sprechen für sich:
- Energieverbrauch 4,7 Millionen Kilowattstunden für Heizung und 0,85 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahresdurchschnitt 1999 bis 2006;
- Energiekosten pro Jahr circa 500‘000 Franken;
- rund 3 Millionen Franken durchschnittlicher jährlicher Aufwand für Unterhalt und Werterhaltung der Liegenschaften;
- Gesamtbudget pro Jahr rund 24 Millionen Franken, davon rund 5 Millionen Franken Sachaufwand.
Als über die sinnvolle Verwendung des ausserordentlich hohen Ertragsüberschusses in der Jahresrechnung 2006 diskutiert wurde, war schnell klar, dass ökologische Fragen zum Energieverbrauch anstanden. So wurde eine Million Franken in einen „Fonds für Energie und Ökologie“ eingebracht, der 2010 nochmals um 300‘000 Franken anwuchs. Mit dem Geld sollten innert fünf Jahren klare Ziele erreicht werden: 10 Prozent weniger Energieverbrauch und 10 Prozent der Gesamtenergie aus erneuerbaren Quellen, mit folgender Wirkungskette:
Ein Zwischenbericht im Jahr 2012 zeigte, dass die Ziele weitgehend erreicht werden konnten.2 Ein grösseres Projekt ist in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Technik und Architektur in Luzern und im Dialog mit der Denkmalpflege noch in Bearbeitung: eine Photovoltaikanlage auf dem Kirchendach von St. Michael.
Natürlich sind diese Zwischenergebnisse noch längst nicht ausreichend, um den nationalen und internationalen Klimazielen gerecht zu werden. Aber das Thema ist auf der Tagesordnung der Verantwortlichen. –
Beschaffung und fairer Handel
Neben der Energie sind natürlich auch Baumaterialien, technische Einrichtungen, Computer, Papier und Putzmittel bedeutende Posten in der Kirchgemeinderechnung. Die Kirchgemeinde nahm deshalb 2011/2012 zusammen mit politischen Gemeinden an einem Projekt der Interessengemeinschaft ökologische Beschaffung Schweiz IGöB teil, in dem Vorgehen und Mechanismen bezüglich Nachhaltigkeit im öffentlichen Beschaffungswesen diskutiert wurden. Daraus ist ein alltagstaugliches Set von Instrumenten für Verantwortliche in diesem Bereich entstanden.3
Als im Jahr 2011 ein Konzept für „Entwicklungszusammenarbeit und zwischenkirchlichen Austausch“4 entstand, kam ein weiterer Nachhaltigkeitsaspekt ins Spiel: Die weltweite Dimension der Gerechtigkeit und der faire Handel. Neben der „klassischen“ Unterstützung von Entwicklungsprojekten kirchlicher Hilfswerke wurden deshalb rund 90‘000 Franken pro Jahr für entsprechenden Aktionen zur Verfügung gestellt. Damit unterstützte die Kirche zum Beispiel Kampagnen der Erklärung von Bern für faire Schokolade (inklusive einer Schoggi-Beilage im Pfarreiblatt) oder für Transparenz in der Textilproduktion.
Faires Lager
Schliesslich hat die Katholische Kirche Stadt Luzern ein Pilotprojekt angestossen, welches zur Zeit zu einem schweizweiten Gefäss weiter entwickelt wird. Die Idee war, die Sommerlager der Jugendorganisationen als Erfahrungs- und Lernfeld für faires und ökologisches Handeln zu nutzen. Gemeinsam mit Fastenopfer, Caritas, Jungwacht/Blauring und Pfadi wurden im Pilotjahr sechs Sommerlager unterstützt, die für die Idee zu begeistern waren.
In diesem Jahr lancierte die Trägerschaft den Wettbewerb „Faires Kochen im Lager“5, am 14. November wurden in Zürich die besten der 25 Einsendungen prämiert. Ausserdem entsteht ein Kochbuch.6
Es ist bewegend und ermutigend, bei jungen Menschen ein grosses Interesse und Engagement für eine lebenswerte Erde zu entdecken. Dabei steht nicht die Kirche im Vordergrund, sondern das innere Feuer für ein würdiges Leben aller Menschen, heute und in Zukunft. Das ist praktisches Christsein – auch wenn dieses „Label“ oft nicht gebraucht wird. Die Kirchen sind herausgefordert, von gelebter Nachhaltigkeit zu lernen und sie mit ihren eigenen Werten und Aktivitäten in Beziehung zu bringen.
(Florian Flohr; Bilder und Grafik vom Autor)
Legende zum Beitragsbild: Im Pfarreizentrum St. Michael wurde aus dem Fonds für Energie und Ökologie eine Solaranlage zur Warmwasseraufbereitung finanziert; im Hintergrund die grosse Fläche des Kirchendachs, für die eine Photovoltaikanlage projektiert wird.
- So haben zum Beispiel fünf Thurgauer Kirchgemeinden das Umweltlabel «Grüner Güggel» erhalten: Arbon, Ermatingen, Güttingen, Romanshorn und Sirnach. Weitere Information dazu – wie zu vielen anderen Nachhaltigkeitsthemen im kirchlichen Kontext – finde sich unter www.oeku.ch. Siehe auch Kurt Aufdereggen et al., Es werde grün. Umwelthandbuch für Kirchgemeinden, Luzern 2015 ↩
- http://www.kathluzern.ch/fileadmin/user_upload/Files/Dokumente/Zwischenbericht_Oekologiefonds.pdf ↩
- Weitere Informationen unter www.igoeb.ch ↩
- http://www.kathluzern.ch/fileadmin/user_upload/Files/Dokumente/Konzept_Entwicklungszusammenarbeit.pdf ↩
- Weitere informationen: www.faires-lager.ch; Videos hier ↩
- Einen Einblick gewähren zwei Kurzfilme aus den Lagern von Pfadi und Jungwacht ↩