Im Pontifikat von Papst Franziskus spielen Worte wie Synodalität und Dezentralisierung eine wichtige Rolle. Die Bischofssynoden und ihre Vorbereitung sind das zentrale Instrumentarium, mit dem er versucht, die Kirche ein Stück in Richtung 21. Jahrhundert zu führen. Wie aber wählt die Kirche eigentlich ihre Bischöfe aus?
Es wird immer wieder kritisch angemerkt, dass weltkirchliche Synodalität fast ausschließlich über Bischöfe gelebt wird. In der jetztigen Kirchenstruktur kommt ihnen jedenfalls die entscheidende Rolle auf dem Weg zu einer synodalen Kirche zu. Dies geschieht zum einen durch ihr aktives synodales Einbringen der diözesanen Erfahrungen auf der weltkirchlichen Ebene (im Idealfall). Dazu bedarf es zum anderen einer starken synodalen Struktur innerhalb der Diözese. Nur so können Erfahrungen und Einsichten der ganzen Diözese und nicht nur jene des Bischofs eingebracht werden.
Die zentrale Rolle der Bischöfe für die Synodalität
Nur durch eine hohe Bereitschaft von Bischof und Diözesanleitung zu einem Miteinander auf Augenhöhe mit dazu bereiten Getauften und Gefirmten kann der Glaubenssinn der Gläubigen einer Diözese zur Geltung kommen. Dazu reicht die Beratung durch einige wenige handverlesene Kleriker oder Laien aus der eigenen theologisch-spirituellen Ecke hinter verschlossenen Türen nicht aus. Wie auch in anderen Führungspositionen bilden sich ohnedies allzuschnell Ja-Sager-Kreise um den Bischof mit einer starken Abgrenzungstendenz gegenüber Andersdenkenden. Darüber hinaus kommt dem Bischof durch seine Art der Diözesanleitung eine wesentliche Vorbildfunktion für die Synoldalität auf allen anderen kirchlichen Ebene innerhalb der Diözese zu.
Die Kirche wird nicht durch Papiere und Leitlinien, sondern durch konkrete Menschen geprägt
Das Zweite Vatikanum leitete einen Wechsel von einer rein hierarchisch hin zu einer vorrangig als Volk Gottes gedachten Kirche ein. Dem folgten Elemente synodaler Kirchengestaltung auf allen Ebenen (Bischofssynoden und -konferenzen; Priester- und Pastralräte, Pfarrgemeinderäte). Allerdings verblieb auf allen Ebenen gleichermaßen ein stark hierarchisches Element. Der geweihte und kirchlich bestellte Amtsträger kann so gut wie immer seine eigene Entscheidung gegen jeden Beratungsprozess durchsetzen.
Damit bleibt aber das Funktionieren der Synodalität wesentlich vom Gutwill des Amtsträges abhängig. Alle anderen Beteiligten werden im Zweifelsfall zu Bittsteller:innen ohne echten Rechtsanspruch degradiert. Empfehlungen und Leitlinien für ein synodales Miteinander, wie sie in verschiedenen vatikanischen Direktorien und Dokumenten den Amtsträgern ans Herz gelegt werden, können ignoriert werden, ohne dass dies rechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Diözesanbischöfe und Pfarrer scheinen kirchenrechtlich in ihrem Amt so stark abgesichert, dass ein Rücktritt nur bei schwerem Fehlverhalten vorgesehen ist.
Beim Vorwurf einer missbräuchlich-autoritären Amtsführung folgt oft höchstens eine Visitation durch die nächsthöhere Instanz und gegebenfalls eine Versetzung meist ohne eine endgültige kircheninterne Klärung. Der Schaden für die Glaubwürdigkeit der Kirche bzw. ihrer Leitung ist unabhängig vom konkreten sachlichen Problem enorm. Es hängt also alles an der konkreten Person des Amtsträgers und seiner Art der Amtsführung. Kirche wird (wie andere Sozialgebilde auch) wesentlich stärker durch Menschen geprägt als durch Rechtsvorschriften, Papiere und Leitlinien. Und dies scheint prinziell sehr gut mit der jesuanischen Bewegung im Einklang, in der sie ihren historischen und theologischen Ursprung hat.
Synodalität und Letztautorität bei Bischofsernennungen
Das Grundprinzip, dass Synodalität vorgesehen ist, aber ebenso beiseite gelassen werden kann, gilt auch für den Prozess der Bischofsernennungen. Aufgrund der skizzierten zentralen Rolle der Bischöfe für Synodalität in der Kirche muss dies als besonders folgenschweres Faktum etwas näher beleuchtet werden. Dabei soll hier nicht für eine freie Wahl der Bischöfe nach politischem Vorbild plädiert werden. Es darf bezweifelt werden, ob diejenigen die für einen „Bischofswahlkampf“ in den Ring zu steigen bereit sind, die geeignetsten geistlichen Hirten wären.
Im derzeitigen Verfahren der Bischofsernennungen gibt es mit den durchzuführenden Konsultationen auf den verschiedenen Kirchenebenen viele richtige Schritte und Vorgehensweisen. Neben der Intransparenz des Verfahrens muss das völlig freie Ernennungsrecht der Bischöfe durch den Papst kritisch hinterfragt werden. Als historisch junges Papstrecht wurde es erst in den letzten beiden Jahrhunderten für fast alle Diözesen der Welt durchgesetzt. Aufgrund dieses freien Erennungsrechts können am Schreibtisch des Papstes (oder am letzten Wegstück dorthin) völlig andere Kandidaten ins Spiel kommen als bei allen vorheriger Konsultationen. Damit ist Tür und Tor dafür geöffnet, dass über einzelne inoffzielle Kontakte aus Kirche, Politik oder Gesellschaft über das weitere Schicksal einer Diözese entschieden wird. Die Überlegungen offizieller diözesaner Gremien und Gruppen als zentrale Form syndodal verfasster Kirche und das Bemühen von Nuntien und Bischofskonferenzen können dabei vollständig ignoriert und konterkariert werden.
Das freie Erennungsrecht des Papstes ermöglicht die faktische Umgehung vorgesehener Konsultationsprozesse und synodaler Beratungen. Die Frage nach einem breiten Anforderungsprofil für eine konkrete Diözese kann zugunsten persönlicher Bekanntschaft oder Ähnlichkeit in theologischen Ansichten ausgehebelt werden. Damit ermöglicht es auch auf der inhaltlichen Ebene die antisynodal-autoritäre Durchsetzung eines gewünschten Kirchenkurses. Die zentrale Frage, welchen Bischof eine Diözese in ihrer konkreten Situation braucht, scheint dabei allein aus römischer Perspektive beantwortet. Eine analoge Praxis gilt im Übrigen in den meisten Diözesen ebenso für die Leitung von Pfarren. Auch hier gibt es oft weder bei der Gründung von Pfarrverbänden, noch bei der konkreten Personalbesetzung irgendeine Form des Mitsprachrechts.
Syndodalität und Dezentralisierung muss bei den Bischofsernennungen beginnen
Hand in Hand mit der anti-synodalen Struktur der jetzigen Regelung der Bischofsernennungen geht die Machtzentrierung in der römischen Kurie, da schließlich hier die Fäden für die Bischofsernennungen weltweit zusammenlaufen. Es wäre eine Illussion, dass der Papst ohne Vorbereitung durch andere eine völlig freie Ernennung rein aus eigenen Überlegungen heraus treffen könnte. Wenn aber die Ernennung des Papstes sowieso durch andere vorentschieden werden muss, warum dann nicht durch Menschen, die näher an der Diözese und ihren Bedürfnissen sind und die einen besseren Überblick über die möglichen geeigneten Kandidaten haben? Eine echte synodale Ernennung von Bischöfen müsste alle kirchlichen Ebenen (Diözese in ihren zentralen Gremien, Bischofskonferenz, Römische Bischofskongregation) so einbinden, dass an oberste Stelle niemand ernannt werden kann, der nicht ein positives Urteil von allen vorangehenden Ebenen hat. Dazu braucht es Transparenz und ein einklagbares Recht bezüglich der Einhaltung des Prozederes.
Das freie Recht der Bischofsernennung des Papstes durch ein Ernennungsprozedere zu ersetzen, das allen kirchlichen Ebenen ein rechtlich abgesichertes und einklagbares Mitsprache- bzw. Vetorecht einräumt, erscheint als grundlegender und unumgänglicher Schritt für eine echte synodale Verfassung der Kirche. Es wäre darüber hinaus auch für die von Papst Franziskus angestrebte Denzentralisierung der Kirche ein entscheidender Schritt.
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Dr. Rupert Grill ist Priester und Ausbildungsleiter für die Diakone in der Diözese St. Pölten. Er wurde 2019 mit einer moralpsychologischen Arbeit über das Thema Willensschwäche habilitiert.
Bild: Dieter Schütz – pixelio.de