Nach dem gewaltsamen Tod von Georges Floyd zieht eine antirassistische Protestwelle durch die Vereinigten Staaten und hat inzwischen auch Europa erreicht. Christianna Flynn führt in einem persönlichen Brief vor Augen, warum es vor einer politischen Einstellung zuerst auf die innere persönliche Haltung ankommt. Und warum das die weitaus größere Herausforderung ist.
Meine lieben weißen Mitbürgerinnen und Mitbürger!
Ich möchte euch gerne ein bisschen über meinen Weg der letzten sieben Jahre erzählen. Ich möchte das tun im Bemühen darum, die Erfahrungen, die ihr möglicherweise jetzt gerade macht, ins Lot zu bringen, und all jenen, die jetzt vielleicht so ein Gefühl von Taubheit, Erstarrung, Überranntsein oder Ärger verspüren, Hoffnung zuzusprechen. Ich hatte diese Gefühle auch und manchmal habe ich sie immer noch. Und jeden Tag kämpfe ich dagegen an, eine Rassistin zu sein. Hier ist meine Geschichte.
Du bist nie so, wie du denkst, dass du bist.
Ich bin in Südost-Virginia aufgewachsen, in einer kleinen Stadt, die damals nur für Planter’s Peanuts [ein Snack, d. Übers.] bekannt war. In meiner Jugend hatte ich nicht viel Kontakt zu Schwarzen. Was ich wusste, war, dass sie auf der anderen Seite der Stadt buchstäblich jenseits der Bahngleise lebten. Gelegentlich sah man mal ein schwarzes Kind in unserer kleinen Nachbarschaft. So wie die Nachbarschaft reagierte, wenn jemand friedlich in unserer Straße auftauchte, nur um auf den Spielplatz zu gelangen, lehrte mich schon in frühem Alter, dass die Wertschätzung für Schwarze in der amerikanischen Gesellschaft wohl eher gering ist. Es war die Art, wie die Leute sich benahmen, plötzlich misstrauisch und ganz angespannt wurden, und sogar ihre Kinder vom gemeinsamen Spiel wegzogen, die mir zeigte, dass man vor Schwarzen wohl besser auf der Hut sein sollte, vor allem vor schwarzen Jungs und Männern. Später habe ich gelernt, dass man ein solches Verhalten ‘Mikroaggression’ nennt.
Der Tod kam über meine coloured Schwestern und Brüdern in Form tausender kleiner Schnitte und Stiche. Es war das unbewusste Alltagsverhalten, das wir reflexartig und ohne Nachdenken an den Tag gelegt haben, das sehr wohl aber von allen Nicht-Weißen als schmerzhaft wahrgenommen wurde.
Ich bin in einer sehr internationalen Familie aufgewachsen und war bereits mit zwölf Jahren im bürgerlichen Widerstand engagiert dank der Unterstützung meiner Mutter. Mein Vater ist Iro-Amerikaner und meine Mutter ist halb indianischer, halb schottischer Abstammung. Ich hatte Geschichten gehört über die Erfahrungen von Amerikaner*innen indianischer Abstammung und ich habe meine eigene Mutter erlebt, wie sie für die Rechte von Indianer*innen1 eintrat, und wie sie dafür Schikanen und Vandalismus einstecken musste, weil sie sich gegen den Vereinsnamen ‘Redskins’ empörte.2
Ich habe sieben adoptierte nicht-weiße Geschwister. Sie stammen alle von außerhalb der USA. Man hat uns oft als kleine ‘USA’ bezeichnet, wegen der Diversität innerhalb unserer Familie. Auf der anderen Seite war man als internationale Familie in einer kleinen Stadt auf dem Land auch bekannt wie ein bunter Hund. Das Ergebnis war, dass ich immer wieder in kleine Auseinandersetzungen und Rangeleien verwickelt war, weil ich meine Geschwister gegen irgendwelche rassistischen Anmachen verteidigte. Und ich dachte stets, dass die Erfahrungen eines solchen Familienlebens mich vor einer rassistischen Mentalität bewahren würden. Ich lag falsch.
Es beginnt nie auf der Strasse, sondern in deinem Kopf und Herzen.
Als erwachsener Mensch schließlich musste ich im Alter von 35 Jahren feststellen, als ich ein Graduiertenprogramm begann, dass ich während meines ganzen Lebens eine Menge Vorurteile und Stereotypen entwickelt hatte, alles unbewusste Haltungen, die sich tief in mir verwurzelt hatten, so lange ich mich zurückerinnern konnte. Ich hatte viel in der LGBTQ Community gearbeitet, und gedacht, ich sei progressiv, offen und mit weitem Horizont und Anwältin jeglicher Art von Leben. Ich lag falsch.
Ich mochte vielleicht schwarze Freundinnen und Freunde und Bekannte haben, aber ich war sicher nicht sehr mit ihnen verbunden, weil ich nicht all die Schwierigkeiten, die sie immer wieder erlebten, wahrnahm und Anteilnahme an ihren Schwierigkeiten bewies, indem ich mich informierte und für sie eintrat. Meine politische Aktivität gründete auf meinen eigenen sich überschneidenden Identitäten. Politische Aktivität, die sich durch die fremde Identität eines Anderen begründet, macht viel mehr Arbeit und erfordert vor allem den Einsatz von Empathie, woran es mir mangelte.
Der erste Kurs, den ich an der Chicago School besuchte, war ein Diversity-Kurs, der von einer nicht-weißen Frau geleitet wurde. Ich habe später gemerkt, dass die meisten Diversity-Kurse und Kurse, wo mein rassistisches Denken herausgefordert wurden, von nicht-weißen Männern oder Frauen geleitet wurden. Ich brauchte einige Jahre mehr, bis ich gemerkt habe, dass es vor allem nicht-weiße Professorinnen und Professoren waren, die alle Studierenden ermutigt haben, sich an Auseinandersetzungen über Rassismus zu beteiligen. Es dauerte, bis ich begriff, dass das so war, weil Weiße diese Auseinandersetzungen oft nicht hatten und immer noch nicht oft genug haben, um ihre Gesinnung nachhaltig zu verändern.
Meine lieben weißen Freundinnen und Freunde, es ist nun für *uns* an der Zeit, sich der Herausforderung zu stellen und sich in diesen schwierigen Diskussionen zu engagieren, um Rassismus zu entlarven. Es ist weder fair noch angemessen, sich dabei auf Nicht-Weiße zu berufen oder zu verlassen, dass sie uns das beibringen oder die Arbeit für uns tun. Das ist unser Job.
Das Schweigen der Mehrheit ist der Tod der Wenigen.
Ich bin immer noch auf dieser Reise. In dem ersten Diversity-Kurs haben wir den Film “Crash” angeschaut – sehr zu empfehlen. Ich kann mich noch deutlich an Gefühle wie ‘schockiert’ und ‘entsetzt’ erinnern – typische Reaktionen von jemandem, der absolut unberührt ist von den Erfahrungen schwarzer Männer, Frauen und Kinder und anderer Gruppen Coloured. Ich dachte, dass ich nach solchen Filmen und nach der Lektüre wissenschaftlicher Artikel meinen Mund aufmachen und mich an Diskussionen im Seminarraum beteiligen würde. Ich erinnere mich daran, dass damals alle Tische zu einer Runde zusammengestellt wurden, und ich furchtbar Angst hatte, irgendwas zu sagen.
Ich hatte keine Angst davor, mit nicht-weißen Menschen zu sprechen. Ich wollte ihnen ja klarmachen, dass *ich* KEINE Rassistin war. Es waren vielmehr die weißen Menschen, vor denen ich fürchtete, mich ihnen zuzuwenden und ihnen in die Augen zu schauen. Ich hatte das Gefühl, wenn ich sage, was ich fühle, verrate ich *uns* – irgendwie. Mein Mund bewegte sich nicht und mein Kopf dröhnte. Ich fühlte eine totale Starre und Nutzlosigkeit. Irgendwie fing ich an, tief in meinem Innersten zu begreifen, dass so ein Denken und Handeln viel schlimmer ist als ein paar üble Cops. Ich fing an zu merken, dass es unter Weißen einen “code of silence” gab. Mir ging auf, dass ich selbst nie frei von Rassismus war, dass auch ich eine Rassistin war. Heute weiss ich, dass ich aufgrund der Weise, wie ich in Amerika sozialisiert wurde, auch die Verantwortung habe, jeden Tags aufs Neue gegen diese ungebührliche Beeinflussung konkret anzugehen. Es reicht nicht, öffentlich keine Rassistin zu sein. Der passive Rassismus, dazusitzen als stille Komplizin, ist genauso schlimm wie offen gezeigter Rassismus.
Ich schloss das Programm ab und bewarb mich für ein Doktoratsstudium – und da ging die eigentliche Arbeit erst richtig los. Einmal mehr waren es coloured Professoren, die mir geholfen haben, mich zu öffnen, und Situationen im Seminarraum geschaffen haben, die mir halfen, mehr aus mir herauszukommen. Wir hatten diese Fishbowl-Diskussionen, bei denen ich jetzt wirklich zur Auseinandersetzung beitragen musste. Jede/r Studierende musste teilnehmen. Ich selbst und andere Studierende des Adler-Instituts, einer Hochschule, die zuerst darauf ausgerichtet ist, Leute auszubilden, die im sozialpraktischen Kontext arbeiten, hatten nur die Chance dort zu sitzen aufgrund des Vorteils von Privilegien, die wir uns nicht verdient hatten, die wir einfach hatten wegen unserer weißen Hautfarbe und ein paar anderer kleiner Dinge, wie sie halt die ‘White Culture’ als Vorteil hat.
Rassimus kommt nicht immer im Kleid des Rassismus daher.
Wir erlebten wie Rassismus aus akademischer Literatur einfach gestrichen wurde, so dass wir am Ende dastanden mit weißgewaschenen psychologischen Behandlungsmethoden, die man aber nicht für nicht-weiße Klient*innen anwenden konnte oder für bestimmte andere ethnische Gruppen. Ich stellte fest, dass es einen systemischen Rassismus gibt, und dass unsere Gesellschaft dafür die Rahmenbedingungen geschaffen hat, die uns ermöglichen, schwarze Familien auseinanderzureißen, sie von Bildung fernzuhalten, und ja, sogar ganz legal Leute umzubringen, wenn es irgendwie nach einer Bedrohung aussieht. Michelle Alexander, Autor des Buches «The New Jim Crow»3, stellt das umfassend dar. Am Adler-Institut hörte ich zum ersten Mal schwarzen Studierenden zu. Zunächst erlag ich Gefühlen von Schuld und Scham. Ich weinte so manche heiße, traurige und wütende Träne, die mir das Gefühl gab, ein richtig schlechter Mensch zu sein. Unmittelbar entwickelte ich diesen weißen Helfer*innenkomplex und meinte, ich könnte und sollte alles sofort ändern, und dann endlich würde man mich als die «gute Weiße» sehen. Noch immer kämpfe ich gegen den Hang dazu.
Nun ist es einige Jahre her, dass ich meinen Weg als Antirassistin begonnen habe, und ich lerne immer noch, wie ich ein «abolitionist»4 sein kann, und ich muss sagen, dass meine inneren Grundmuster sich verändert haben. Ich hatte verschiedene persönliche Erfahrungen, die extrem dazu beigetragen haben, und sie alle hatte ich wegen meiner Privilegien als Weiße.
Im Jahr 2017 überlebte ich eine Schießerei in einem Starbucks – zusammen mit einer weißen Freundin. Wir beide konnten sehen, wie Sanitäter und Polizisten es nicht geschafft haben, wenigstens mal den Puls der schwarzen Männer zu fühlen, die angeschossen worden waren, derweil sie am Boden verbluteten. Wir bekamen mit, wie die Medien sofort das Narrativ vom «schiefgegangenen Drogendeal» bedienten, während die Leiche des Attentatsopfers noch am Boden lag und seine Mutter, seine Schwester und seine Freundin draußen vor dem Starbucks standen. Sie waren noch nicht mal in der Lage, seinen Leichnam würdevoll zuzudecken, um seiner Familie den grausigen Anblick ihres Sohnes, Bruders und Partners zu ersparen, der da ermordet auf dem Boden lag. Schwarze Leichen werden generell einfach nicht mit demselben Maß an Respekt und Würde behandelt, und dieser Tag war keine Ausnahme. Es war eine sehr bildhafte, erschütternde und unstrittig eindeutige Erfahrung, die dazu diente, meine Augen weiter zu öffnen.
Meine Freundin und ich hörten später, wie die Police Detectives versuchten, die Teile der Story zusammenzufügen, und dabei darauf setzten, dass wir sagen würden, er hätte eine Waffe am Körper getragen, als er ermordet wurde. Die Absicht war klar. Wenn Schwarze sterben, dann weil sie irgendwas verbrochen haben und es verdient haben zu sterben. An diesem Tag wurde ich weder erschossen noch wurde ich zu einer Verdächtigen. Die Polizisten und Sanitäter waren weit mehr um das stressinduzierte Nasenbluten meiner weißen Freundin besorgt als um die Leute, die angegriffen wurden. Im Jahr 2013 wäre ich vielleicht noch beruhigt gewesen, wenn sie gesagt hätten, es war nur ein «schiefgegangener Drogendeal». Aber nicht mehr im Jahr 2017. Und ganz sicher nicht im Jahr 2020. Heute bin ich dabei, mehr und mehr zu verstehen, dass ganz bestimmte Gruppen von Menschen in Systeme hineingeboren werden, die so für sie gemacht sind, dass sie zu Verlierer*innen werden, dass sie immer wieder in die Schusslinie geraten, dass sie Verfolgung erleiden. Weiße Amerikaner*innen mögen es, in solchen Diskussionen, Obama auf den Tisch zu bringen, was den Anschein erweckt, dass, wenn Schwarze *nur wirklich wollten*, sie sich selbst aus der derzeitigen Misere herausbringen könnten.
Sei nicht schuld an dem, was morgen nicht geschieht.
Dieser Ansatz entbehrt völlig des historischen Kontexts und ist frei von jeglicher Empathie und einer Sichtweise, die mit in Betracht zieht, was es heute braucht, um eine Community zu heilen, die seit Jahrhunderten in Bedrängnis ist. In Tat und Wahrheit ist unsere ganze Nation in Bedrängnis. Empathie und Handlungsansätze, die dieser Empathie einen Ausdruck geben, sind gefragt, um diese Nation das erste Mal wirklich zusammenzubringen. In der Realität war Amerika immer entlang seiner Ethnien gespalten. Angefangen mit dem Massaker an den Indianer*innen über die Entführung und den Abtransport afrikanischer Sklav*innen bis hin zu den heutigen Formen von Versklavung wie Masseneinkerkerung und Ausbeutung von «Sans Papier»-Arbeiter*innen. Unser Land ist errichtet auf dem Rücken von Menschen, die solcher Ausbeutung und Gewalt nie zugestimmt haben. Der Mord an George Floyd ist aufgezeichnet worden, damit die ganze Welt es sehen kann, aber da ist nichts Neues passiert. Es ist eine Fortsetzung, einfach ein Ereignis mehr, was schwierig zu übersehen ist, weil es dieses Video vom Mord gibt.
Derweil ich den Weg meines Doktorates weiter voranging, erkannte ich mehr von meinen Verteidigungsstrategien als Weiße. Wie ich darin sozialisiert worden bin, schwarze Männer als gefährlich und schwarze Frauen als wütend anzusehen. Ich beobachtete mein eigenes Unbehagen, wenn ich ihre Geschichten anhörte, und ich fühlte Schuld, wenn ich ihre Leiden sah. Ich wollte aus dem Raum verschwinden, so dass ich nicht da sitzen musste mit diesem immensen Gefühl von Verantwortung. Ich lernte, dass man das «weiße Schuld» nennt und dass das ein normaler Teil dieses Prozesses ist, wo viele Leute den Versuch zu verstehen beenden, weil das ganz große Bild anzuschauen einfach so verflixt unbehaglich ist. Aber ich verstand auch, dass ich, wenn ich diese «weiße Schuld» mich überkommen ließ, einfach an selber Stelle sitzen bleiben würde mit dem Gefühl der Ohnmacht, der Hilflosigkeit, und das alles nur, weil ich danach strebte, mich perfekt zu fühlen, als «gute weiße Person» angesehen zu werden und letztendlich um Unbehagen zu vermeiden, wenn ich mir vorstellte, andere Menschen zu mehr Problembewusstsein zu bringen.
Du kannst was tun.
Irgendwann aber rührte sich was in mir und ich wollte mehr mitbekommen. Ich fühlte mich vielleicht immer noch unfähig, irgendwas zu sagen oder zu tun (weil ich ja Perfektes sagen wollte, das den Menschen ein besseres Gefühl gab – womit ich sie aber eher erniedrigte), aber ich wollte mehr hören. Ich sage all das, um klarzumachen, dass man nicht fix und fertig eines Morgens als Antirassist aufwacht. Es macht Mühe. Es braucht Einsatz. Es ist riskant und unbequem und heftig. Aber es braucht dieses Gefühl des Unbehagens in der eigenen weißen Haut, um echte Empathie zu entwickeln für das, was meine schwarzen Brüder und Schwestern während ihres ganzen Lebens immer wieder durchgemacht haben – und auch all die Generationen vor ihnen. Es ist aber auch ein Prozess, den man durchmachen kann. Man kann ihn einfach beginnen: etwa indem man sich entscheidet, Dokumentationen zu schauen, die von Schwarzen produziert wurden oder bei denen Schwarze Regie geführt haben wie etwa «13th» (auf Netflix), «Paris is Burning» oder «The Kalief Browder Story». Oder du liest Bücher von nicht-weißen Autor*innen, wo du ihre Sicht der Dinge erfährst. Ein Teil dieses Prozesses kann auch sein, dass man Einladungen zu Veranstaltungen der Black Community folgt, wo man einfach mal dasitzt und zuhört. Der Prozess kann gelingen, wenn man in sich geht und reflektiert und niederschreibt, wie man selbst sozialisiert wurde und wie alles begann, so dass man jetzt vorherrschende Einstellungen auch wieder ändern kann. Oder man begegnet anderen Weißen, die diesen Prozess schon vor uns durchgemacht haben, und stellt ihnen die richtigen Fragen – weil man wirklich verstehen will. Diese Anstrengung ist also tatsächlich möglich, sie ist schaffbar, aber man muss es auch wollen. Ich kann Postings schreiben, bis mein Computerakku sich verabschiedet, und ich kann mich mit Andersdenkenden streiten, bis ich das letzte Wort meiner Sprache gebraucht habe. Aber Tatsache ist, einige Menschen wollen sich verändern und sich entwickeln und andere wollen einfach bleiben, wie sie sind. Wenn DU die Weiße/ der Weiße bist, die/der da gerade auf der Stuhlkante hockt und sich fragt, wo man anfangen könnte, dann ist dieser Brief genau an dich gerichtet.
Meine lieben Freund*innen, meine liebe Familie, wenn ihr immer mal wieder Texte wie diesen lest und euch knifflige Fragen gestellt habt, vergesst nicht: Ihr seid nicht allein. Da draußen sind viele wie ihr. Eure Gefühle und Reaktionen sind normal. Aber laßt diesen Moment und diese Gefühle nicht einfach so vorbeiziehen oder unterdrückt sie. Gerne gehe ich euren Weg mit euch, um den nächsten Wegabschnitt zu erarbeiten. Jetzt hast du diese wunderbare Gelegenheit, diesen Zeitpunkt der Geschichte als Anschub für dich zu nutzen.
Schreibt mir gerne privat, wenn ihr öffentliche Diskussionen nicht mögt. Auch wenn es wie eine Überforderung daherkommt: Alle Veränderung beginnt mit dem ersten Schritt. Und keine/r muss den allein gehen. Verbunden in der Solidarität mit unseren schwarzen Schwestern und Brüdern für eine bessere Welt, die am Ende eine gerechtere Welt für uns alle sein wird.
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Text: Christianna Flynn (geb. 1978 im US-Staat Virginia) hat einen Teil ihres Lebens in der immer wieder von Auseinandersetzungen zwischen Schwarzen und Weissen gezeichneten Metropole Chicago verbracht. Sie ist zertifizierte Supervisorin und doktoriert in Klinischer Psychologie. Sie ist verheiratet und lebt in den Niederlanden. Aus dem Englischen übersetzt von Martin Stewen.
Kontakt: christianna.flynn@gmail.com
Bilder: Jacob Nunez, Washington, DC.
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- Anmerkung des Übersetzers: Das deutsche Wort «Indianer» beschreibt nahezu ausschliesslich «American Indians» oder «Native Americans»: alle indigenen Bevölkerungsgruppen des nordamerikanischen Festlands (ausgenommen Eskimovölker). ↩
- Die ‘Redskins’ sind ein American Football Team aus Washington. Der Name bezieht sich direkt auf die blutenden Kopfhäute, für die französische Soldaten bei ihrer Jagd auf Indianer ein ‚Kopfhaut‘-Geld erhielten. ↩
- Alexander, Michelle; The New Jim Crow, New York 2010. ↩
- Anmerkung des Übersetzers: «Sklavereigegner» (Begriff aus der Geschichte des Amerikanischen Bürgerkriegs 1861-1865). ↩