Im Projekt „Zur Ehe berufen“ werden angehende Ehepaare befragt und die Ehevorbereitung der Bistümer Eichstätt, Passau und Regensburg auf den Prüfstand gestellt. Von Alexander Lindl
Immer öfter kommt es vor, dass bei mir nach einem Online-Einkauf eine E-Mail im Posteingang landet: „Nehmen Sie sich fünf Minuten Zeit: Sind Sie mit Ihrem Einkauf zufrieden?“, oder ähnlich lauten dann die Betreffzeilen. Unternehmen ist es heute wichtig herauszufinden, welche Bedürfnisse ihre Kund:innen haben und mit welchen Produkten sie noch effektiver ihre Zielgruppe an sich binden können. Die katholische Kirche tut sich trotz vieler Gesprächsprozesse damit eher schwer.
Eine interessante Zielgruppe der Kirche sind die von Johannes Först als „Kasualienfromme“ bezeichneten Christ:innen, die v.a. an den Wendepunkten ihres Lebens auf Angebote der Kirche zurückgreifen. Ein solcher Wendepunkt ist es beispielsweise, wenn sich ein Paar entschließt, eine Ehe einzugehen, und dies mit einer kirchlichen Trauung auch öffentlich sichtbar macht. Im Auftrag der Bistümer Eichstätt, Passau und Regensburg befragen Mitarbeiter:innen des Lehrstuhls für Moraltheologie der Universität Regensburg und des Zentrums für „Ehe und Familie in der Gesellschaft“ der Katholischen Universität Eichstätt im Projekt „Zur Ehe berufen“ angehende Ehepaare.
Amoris laetitia als Kriterienkatalog.
Ausgehend von Amoris laetitia, dem von Papst Franziskus im Nachgang an die Bischofssynode 2015 verfassten apostolischen Schreiben, soll überprüft werden, ob die darin aufgestellten Eckpfeiler gelungener Ehevorbereitung, v.a. die persönliche Begleitung angehender Ehepaare und eine Gemeinschaft, die auch über die Hochzeitsfeier hinaus für das Paar da ist, in den genannten drei Bistümern ausreichend tief eingeschlagen sind. Deshalb wurden – hauptsächlich noch vor Beginn der Corona-Pandemie – insgesamt über 1.100 Frauen und Männer bei der Anmeldung zur Eheschließung, direkt nach einem Ehevorbereitungskurs und einige Zeit danach mithilfe von Fragebögen zur Gestaltung und zu den Inhalten der Kurse befragt. Ergänzt wurde dieser quantitative Teil durch leitfadengestützte Interviews von Teilnehmer:innen und – nicht zu vernachlässigen – Befragungen von Praktiker:innen in der Ehevorbereitung aus dem In- und Ausland.
76% der Befragten bewerteten das Angebot mit „sehr zufrieden“ oder „ziemlich zufrieden“, und fanden den Kurs offensichtlich anregend, informativ und gewinnbringend, obwohl sie vor den Kursen eher skeptisch waren. 33% der Studienteilnehmer:innen waren zur Ehevorbereitung verpflichtet worden, 31% wurde die Teilnahme dringend angeraten. Die Themen der Seminare deckten sich dabei im Wesentlichen mit den Erwartungen und Wünschen der Teilnehmer:innen: Kommunikation in der Ehe, Tipps zur Stärkung der Beziehungsqualität in der Ehe, die Bedeutung des Eheversprechens (Thema in 91% der Ehevorbereitungskurse), Umgang mit Krisen oder Streit in der Ehe.
Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage: Sakramentalität.
Allerdings – und hier taucht ein erstes Ungleichgewicht auf – ist lediglich für 43% der Teilnehmer:innen das Thema „Sakramentalität“ wichtig oder ziemlich wichtig. Dagegen wird in 84% der Kurse genau diese Frage sehr und in 16% weniger ausführlich behandelt wird. Nur ein Fünftel der Teilnehmer:innen, die einige Zeit nach dem Kurs befragt wurden, hat die Sakramentalitätsthematik nachhaltig beschäftigt. Mit der Ehe als Sakrament scheint – überspitzt formuliert – die Kirche einen „Service“ anzubieten, den die Paare gar nicht wollen.
Dann wäre es aus Sicht des Marketings eine sinnvolle Strategie, die Frage nach der Sakramentalität als ein optionales Add-On zur Trauungsfeier anzubieten. Ansätze in dieser Richtung gibt es schon seit längerem, beispielsweise bei Sabine Demel.1 Oder man muss sich, wenn die Ehe als Sakrament für unaufgebbar befunden wird, fragen, inwieweit man dieses Thema attraktiv machen kann, sodass es wie ein guter Werbeslogan im Gedächtnis der Paare hängen bleibt. Damit tun sich für die Ehevorbereitung zwei Fragekreise auf:
Wann ist die Ehe sakramental?
Einerseits: Wenn Papst Franziskus in Amoris laetitia, Nr. 206 davon spricht, dass „die Ehevorbereitung im Weg der christlichen Initiation verankert werden [soll], indem die Verbindung zwischen Ehe und Taufe und den anderen Sakramenten betont wird“, dann muss kritisch angefragt werden: Ist das Herstellen einer solchen Verbindung im Rahmen eines punktuellen Ehevorbereitungsseminars unter den gegebenen Voraussetzungen der angehenden Ehepaare möglich und sinnvoll?
Andererseits: Wenn die Frage nach der Bedeutung des Eheversprechens die Kursteilnehmer:innen umtreibt, ist dann damit von ihnen nicht implizit eine gewisse Form von Sakramentalität der Ehe schon mitgemeint, auch wenn sie möglicherweise nicht so benannt und erkannt wird? Oder anders gefragt: Wird die Ehe von den Eheleuten nur dann als Sakrament verstanden, wenn dieses Label auch groß auf die Verpackung gedruckt wurde?
Sichtbares Zeichen für die unsichtbare Liebe Gottes.
Das Gelingen der Ehevorbereitung und vor allem einer Ehe scheitert an dieser Diskrepanz allein sicher nicht. Aber diejenigen, die mit der Ehevorbereitung befasst sind, sollten sich fragen, ob sie etwas tun können und möchten, um ein möglicherweise zuvor nicht vorhandenes Bedürfnis zu wecken und neugierig auf das zu machen, was Sakramentalität (auch) meint: sichtbares Zeichen für die unsichtbare Liebe Gottes zu sein (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1). Einen offensichtlicheren und emotionaleren Ort dafür – auch für diejenigen, die mit Glauben und Kirche nicht viel anfangen können – gibt es vermutlich nicht. Zu beantworten bleiben die Fragen, wie gelingende Ehevorbereitung vor dem Hintergrund der Studienergebnisse in eine Theologie der Ehe eingebettet werden kann, und welche Rolle dabei auch die Vorbereitung außerhalb institutionalisierter Prozesse spielt.
Text: Alexander Lindl, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Moraltheologie und Koordination des Forschungsprojekts „Zur Ehe berufen“, Universität Regensburg.
Bild: pixabay
- Vgl. Demel, Sabine, Gegen das anachronistische Nebeneinander von ziviler und kirchlicher Trauung! Die Zusammenarbeit von Kirche und Staat im Konzept einer gestuften Sakramentalität der Ehe, in: Münchener Theologische Zeitschrift 44 (1993), 337–348. ↩