Daniel Kosch macht sich Gedanken über Change-Management in der römisch-katholischen Kirche und formuliert eine ehrliche Zustandsbeschreibung.
«Die Seelsorge unter missionarischem Gesichtspunkt verlangt, das bequeme pastorale Kriterium des ‚Es wurde immer so gemacht’ aufzugeben. Ich lade alle ein, wagemutig und kreativ zu sein in dieser Aufgabe, die Ziele, die Strukturen und die Evangelisierungsmethoden der eigenen Gemeinden zu überdenken. Eine Bestimmung der Ziele ohne eine angemessene gemeinschaftliche Suche nach den Mitteln, um sie zu erreichen, ist dazu verurteilt, sich als blosse Fantasie zu erweisen.»
(Papst Franziskus, Evangelii gaudium 33)
1 Kirche in der Transformationskrise
1.1 Kirche im Umbruch – Kirche in der Krise
Seit vielen Jahren gehört die Feststellung, die Kirche befinde sich in einem «tiefen Umbruch» bzw. «im Umbau»[1] zu den Gemeinplätzen der mittlerweile nicht mehr überschaubaren Literatur zur Situation und zur Zukunft der Kirche. Und im gleichen Atemzug ist jeweils von «Erosionsprozessen» und vom raschen gesellschaftlichen Wandel die Rede. Unter dem Eindruck des Missbrauchsskandals, der drastischen Zunahme der Kirchenaustritte und beunruhigender Zahlen zum schwindenden gesellschaftlichen Rückhalt der Kirche hat sich die Rhetorik vor einigen Jahren noch verschärft. Man sprach nicht mehr nur von «tiefgreifendem Umbruch», sondern ganz direkt von «Kirchenkrise». So fragte Hans Küng in seinem neuesten Buch «Ist die Kirche noch zu retten?» Der Soziologe Franz-Xaver Kaufmann stellte sein Buch «Wie überlebt das Christentum» in zweiter, erweiterter Auflage unter den Titel «Kirchenkrise». Der bekannte österreichische Pastoraltheologe Paul Michael Zulehner stellte die Kirche vor die Alternative «Aufbrechen oder untergehen». Ottmar Fuchs sah die Kirche «Im Innersten gefährdet», Rainer Bucher wählte den Titel «Die Provokation der Krise» und Michael N. Ebertz sah die Kirche «in sich wechselseitig verstärkenden Krisen» und «vor der Aufgabe der Neugründung.» Und der McKinsey-Direktor, der etliche Diözesen und die deutsche Bischofskonferenz beraten hat, stellte die bange Frage: «Schafft die katholische Kirche sich selber ab.»[2]
Bei dieser Situationsbeurteilung handelte es sich keineswegs nur um die Sichtweise kirchenkritischer Theologen. Auch der damalige Präsident der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, hat einen Abschnitt seiner programmatischen Rede anlässlich der Vollversammlung im September 2010 unter den Titel «Kirche, herausgefordert in der Krise» gestellt. Sogar Papst Benedikt XVI. fand starke Worte für Krise der Kirche angesichts des Missbrauchsskandals: «Ja, es ist eine grosse Krise, das muss man sagen. Es war für uns alle erschütternd. Plötzlich so viel Schmutz. Es war wirklich fast wie ein Vulkankrater, aus dem plötzlich eine gewaltige Schmutzwolke herauskam, alles verdunkelte und verschmutzte…»[3]
1.2 Gibt es einen «Franziskus-Effekt»?
Man könnte nun versucht sein, unter dem Eindruck des neuen Pontifikats von Papst Franziskus den Schlager «Nach em Räge schiint d’Sunne» anzustimmen und statt den dunklen wieder die hellen Farbstifte hervorzunehmen, um das Bild der Kirche zu malen. Und in der Tat: Die Stimmung hat sich aufgehellt. Man muss sich nicht mehr ständig rechtfertigen, weshalb man noch katholisch sei. Und Medien fragen nicht mehr nur nach Austrittszahlen, sondern nach Wiedereintritten dank dem «Franziskus-Effekt». Aber die Herder-Korrespondenz versah den Titel ihres Leitartikels «Stimmungsaufheller Franziskus?» im Juli 2014 mit einem Fragezeichen und hielt fest, man sei «in keiner der entscheidenden Fragen wirklich weiter»[4]. Auch die Austritte aus der katholischen Kirche in Deutschland sprechen eine klare Sprache: Sie nahmen zwischen 2012 und 2014 von 118‘000 auf 217’716 zu. Auch ein 2014 erschienenes Buch über «Die Zukunft von Religion und Kirche in Deutschland. Perspektiven und Prognosen»[5] urteilt nüchtern. Es spricht vom «Überlebenskampf um den Nachwuchs» (37), vom «Zusammenbrechen des milieuchristlichen Betriebssystems» (39), hält fest, dass «gegen die Erosion … kein Kraut gewachsen» ist (51), konstatiert eine «Tradierung und Innovationskrise … (die) nicht zuletzt als eine Plausibilitätskrise zu verstehen ist» (70) und meint sogar, «es mehren sich die Anzeichen, dass die katholischen und evangelischen Varianten der kirchlichen Gestalt des Christentums zu absterbenden Konfessionen werden könnten» (68).
In der Schweiz veröffentlichte das Pastoralsoziologische Institut (SPI) anfangs 2015 eine Studie zur Kirchenreputation, die auf Umfragen beruht, die unter dem Pontifikat von Franziskus gemacht wurden und die für die katholische Kirche zum Gesamtergebnis «knapp genügend» kommen. Symptomatisch ist das in der Studie zitierte Statement einer katholischen Politikerin der Grünen: «Betrachte mit Sorge die Entwicklung der Kirche – man braucht sie ‚irgendwie nicht mehr’».[6]
Es wäre also naiv, davon auszugehen, dass der «Kirchenwinter» hinter und ein neuer «Kirchenfrühling» vor uns liegt. Aber der Stimmungsumschwung und die Tatsache, dass Papst Franziskus im Gegensatz zu seinen Vorgängern sehr nüchtern und realistisch auch von der «verbeulten Kirche» (EG 49) spricht, erleichtert es immerhin, den Begriff «Krise» nicht einseitig negativ als Bedrohung zu bewerten, sondern im eigentlichen Wortsinn zu verwenden. Denn das griechische krisis bezeichnet eine mit einem Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation.
1.3 Gesellschaftskrise – Kirchenkrise – Gotteskrise
Fragt man nach den Ursachen dafür, dass die Kirche heute an einem Wendepunkt, in einer Entscheidungssituation steht, beginnen die Meinungen allerdings schon deutlich auseinander zu gehen. Ich beobachte – sehr vergröbert – drei «Diagnose-Typen»:
Die Kirchenkrise hat gesellschaftliche Ursachen
Die Kirchenkrise ist primär die Folge einer Gesellschaftskrise bzw. eines gesellschaftlichen Wandels. Manche beschreiben diesen Wandel soziologisch neutral mit Begriffen wie «Individualisierung», «Pluralisierung» und «Differenzierung», verweisen auf die erhöhte Mobilität, die Freizeitgesellschaft, die unglaublich viele Angebote bereithält, den allgemeinen Rückgang traditionaler Bindungen, den religiösen und weltanschaulichen Markt, auf dem die Grosskirche(n) ihre Monopolstellung verloren haben, aber auch auf den zunehmenden Druck von Erwartungen und Belastungen, denen Menschen ausgesetzt sind. Andere beschreiben den Wandel mit stärker ethisch bewertenden Kategorien: Werteverlust, Diktatur des Relativismus, zunehmender Konsumismus und Egoismus, Rückgang der Solidarität und des Bewusstseins, für das Gemeinwohl mitverantwortlich zu sein. Ob eher soziologisch-beschreibend oder ethisch-wertend wird damit festgestellt: Die Rahmenbedingungen für die Kirche sind schwieriger geworden. Vieles, was früher die Kirchenbindung stützte, ist weggebrochen oder doch deutlich schwächer geworden. Die Kirche steht im Wettbewerb und im Gegenwind.
Die Kirchenkrise ist hausgemacht
Der zweite Diagnose-Typ sucht die Ursachen der Krise in der Kirche selbst. Wiederum gibt es unterschiedliche Beschreibungen und Wertungen. Jene, die eher eine Aussensicht einnehmen, sind der Auffassung, dass die Kirche sich nicht ausreichend auf die veränderten Rahmenbedingungen eingestellt hat. Sie vermissen ein proaktives Management, eine zeitgemässe Kommunikationsstrategie und ein bedarfsorientiertes Kirchenmarketing. Daneben gibt es Analysten der Kirchenkrise, die vor allem den lehramtlich bedingten Reformstau betonen: Festhalten am Zölibat, Verweigerung der Frauenordination, verkrampfte Sexualmoral, Zentralismus, verweigerte Demokratisierung. Aber es gibt auch die Gegenposition: Die Kirche krankt daran, dass sie ihr Profil eingebüsst hat, dass es an Treue zum Papst mangelt, dass die aufmüpfigen Theologen alles in Frage stellen und die demokratischen Laien – vor allem in den staatskirchenrechtlichen Behörden – sich in Dinge einmischen, die sie nichts angehen. Und schliesslich gibt es eine Diagnose, die Papst Franziskus immer wieder in Erinnerung ruft: Die Kirche kreise zu sehr um sich selbst, um ihr eigenes Überleben, ihre eigenen Strukturen.
Kirchenkrise ist eigentlich Gotteskrise
Der dritte Diagnose-Typ stellt den Verlust der spirituellen Verwurzelung ins Zentrum. Die Gesellschaft hat Gott vergessen, in den Familien verdunstet der Glaube, in der Kirche wird zwar alles Mögliche organisiert und gemanagt, aber sie hat ihre lebendige Mitte, ihre Verwurzelung im Geheimnis Gottes und ihre Ausrichtung auf Christus, das Haupt der Kirche, verloren. Häufig wird der Verweis auf die «Gotteskrise» benutzt (bzw. missbraucht), um jene zu kritisieren, die von der Kirche mehr Zeitgenossenschaft und Reformen einfordern. Man unterstellt ihnen, sie blieben an der Oberfläche und seien der Auffassung, es reiche aus, die Fassade etwas zu renovieren, die eigentlichen Probleme aber lägen viel tiefer.
Veränderung JA – aber mit welchen Zielen?
Ohne diese sehr unterschiedlichen «Diagnosen» der Kirchenkrise zu beurteilen, muss allein aufgrund der Tatsache ihrer Verschiedenheit festgestellt werden, dass es alles andere als klar ist, welcher Art eine Veränderung sein müsste, welche die Kirche aus der Krise führen könnte. Damit ist ein weiteres Element der Kirchenkrise benannt, das oft – etwas vereinfachend – als «Polarisierung» bezeichnet wird: Die Ursachen der Krise sind ebenso umstritten wie die Ziele, die im Hinblick auf ein «Change-Management» in der Kirche ins Auge zu fassen sind. Hinzu kommt, dass gesellschaftliche Ursachen, innerkirchliche Krisenphänomene und tiefgreifende spirituelle Verunsicherungen sich nicht ausschliessen, sondern einander z.T. auch bedingen, weshalb es wenig bringt, sie gegeneinander auszuspielen. Ernsthaftes kirchliches Change-Management kommt m.E. nicht umhin, sich dieser Komplexität und Unübersichtlichkeit zu stellen und sie auch bei der Lösungssuche in Betracht zu ziehen.
2 «Verflüssigungen» – eine kritische Situationsanalyse von Rainer Bucher
Als besonders hilfreichen Beitrag zur «Krisendiagnose» und «Krisenbewältigung» erachte ich das Buch «… wenn nichts bleibt, wie es war» des Grazer Pastroraltheologen Rainer Bucher «zur prekären Zukunft der katholischen Kirche».[7] Einprägsam ist schon das einleitend gewählte Bild der «Verflüssigung»: «Wir erleben den Beginn einer ‚liquid church‘ (P. Ward).» Benannt werden drei «Verflüssigungen»:
- Die Unvorstellbarkeit der Zukunft
- Die Vertreibung von der Macht
- Das Scheitern der Gemeindeutopie.
2.1 Was wir heute planen, wird die Zukunft mitbestimmen, aber wie, wissen wir nicht
Die Veränderungen, mit denen Gesellschaft, Religionslandschaft und Kirche konfrontiert sind, haben unter anderem folgende Eigenschaften:
- sie sind komplex und unübersichtlich
- sie laufen ungleichzeitig ab
- sie bahnen sich oft unterhalb der sichtbaren Oberfläche an und brechen plötzlich auf
- sie sind unberechenbar und manchmal sprunghaft
- sie werden unterschiedlich interpretiert und bewertet.
Mit dieser Charakterisierung der Gegenwart verbunden ist «die Unvorstellbarkeit der Zukunft».
2.2 Die Kirche gerät unter den permanenten Zustimmungsvorbehalt ihrer eigenen Mitglieder»
Was die Veränderung der Lage der Kirche(n) im Besonderen betrifft, vertritt Rainer Bucher folgende Auffassung:
«Der zentrale Befund im Feld des Religiösen dürfte sein, dass sich Religion offenbar zunehmend nach jenem Muster vergesellschaftet, nach dem in dieser Gesellschaft immer mehr Lebensbereiche organisiert werden: nach dem Muster und den Regeln des Marktes.»
Das hat unter anderem folgende Auswirkungen:
- Niemand muss sich auf spezifische Märkte begeben. In einer säkularisierten Gesellschaft ist der Mensch gegenüber dem religiösen Markt frei. Symptom dafür ist die Zunahme der Konfessionslosen.
- Auch wer sich auf den religiösen Markt begibt, behält seine Freiheit, wie es eben Kunden zusteht. In einer individualisierten Gesellschaft ist der Mensch im religiösen Markt frei. Diese Freiheit behält er diachron (er kann den Anbieter wechseln, in den Markt eintreten und wieder austreten) und er behält diese Freiheit synchron (er kann von verschiedenen Anbietern auswählen und kombinieren, was ihm passt). Symptom dafür ist die Reduktion der Kirchenbindung auf Kasualien an Lebenswenden (Taufe, Hochzeit, Beerdigung) und die Patchwork-Religiosität.
- Aber es gibt diesen religiösen Markt auch in einer «postsäkularen» Gesellschaft (J. Habermas) noch, mit ihm ist weiterhin zu rechnen und er wird nicht verschwinden. Auch in Zukunft werden die religiösen «Anbieter» in der Öffentlichkeit sichtbar sein wollen – sei es aus gläubiger Überzeugung, dass ihr «Angebot» für Individuen und Gesellschaft lebenswichtig ist, sei es aus der Absicht heraus, «Kunden» zu werben und werbewirksam auf ihr Angebot aufmerksam zu machen.
Die Ablösung der traditionellen, auf die Institution bezogenen und auf Dauer angelegten Mitgliedschaftslogik («einmal katholisch – immer katholisch») durch die Marktlogik hat für die Kirche einen tiefgreifenden Machtverlust zur Folge: Sie gerät unter den permanenten Zustimmungsvorbehalt ihrer Mitglieder. Die Frage lautet nicht mehr: Sagt die Kirche «ja» zu mir und zu meinem Leben? Sie lautet: Sage ich «ja» zur Kirche bzw. zu einzelnen ihrer Angebote, die zu meinem Leben passen? Der Glaube ist nicht mehr selbstverständliche, unhinterfragbare Vorgabe, wie er das noch für die letzte oder vorletzte Generation war, sondern er ist, wie es der jüngste Buchtitel des Religionssoziologen Hans Joas prägnant sagt, zur «Option» geworden.[8]
2.3 Das Scheitern der Gemeindeutopie
Als dritten zentralen Aspekt der heutigen Kirchensituation benennt Rainer Bucher das Scheitern der Gemeindeutopie. Glauben und Kirchlichkeit flächendeckend in Form von quasi-familiär verbundenen Gemeinschaften organisieren zu wollen, funktioniert nicht mehr. Das ist keineswegs nur eine Folge des Priestermangels, der zur Bildung grösserer Pastoral-Räume zwingt, sondern auch eine Folge sich verändernder Lebensgewohnheiten und –muster: Viele Menschen sind schlicht nicht mehr bereit und sehen für sich keinen Nutzen darin, sich in einer «lebendigen Gemeinde» zu «engagieren». Religiosität wird eher «flanierend», «bei Bedarf und Gelegenheit», «pilgernd» oder auch nur «konsumierend» erlebt. Eine Mehrzahl der Menschen hat – via Medien – mehr Kontakt zur «römischen Weltkirche», zum Papst und zu den Bischöfen, als zur eigenen Pfarrei und zum lokalen Seelsorger.
2.4 Wahrnehmungsprobleme
Diese Entwicklungen werden in kirchlichen Kreisen zum Teil verdrängt, weil es sich um störende und verletzende Wahrheiten handelt. Zum Teil kommen sie auch deshalb nicht genügend in den Blick, weil in «engagierten kirchlichen Kreisen» die Kirchenbindung bei vielen noch nicht den Gesetzen der Marktlogik folgt, sondern der Logik verbindlicher Zugehörigkeit entspricht. Zudem leben sie oft in noch funktionierenden Gemeinden oder wünschen sich (nostalgisch oder utopisch) eine funktionierende, lebendige Pfarreigemeinschaft. Obwohl das Gemeindeprinzip immer weniger funktioniert, wird es hochgehalten und mit hohem Einsatz an finanziellen Mitteln und personellen Ressourcen verteidigt. Oft verdeckt die Innensicht die Aussensicht oder bleibt das Wunschdenken stärker als der Realitätssinn.
Ein weiterer Grund für die ungenügende Wahrnehmung der kirchlichen Realität ist das nach wie vor funktionierende Kirchenfinanzierungssystem. Es ermöglicht, mit dem Geld vieler nur noch Kirchensteuerzahlenden die personellen Ressourcen bereitzustellen, welche das kirchliche Leben vor Ort auch dann noch mit grossem Aufwand aufrecht erhalten, wenn die «aktive Kundschaft» immer kleiner und älter wird. Symptom dafür ist, dass proportional immer mehr Aufgaben gegen Bezahlung und Entschädigung wahrgenommen werden und weniger echte Freiwilligenarbeit geleistet wird.
3 Change-Management als Chance für kirchliche Institutionen
3.1 Grundsätze und Werkzeuge des Change-Managements «versachlichen» und «normalisieren»
Trotz oder vielleicht gerade wegen der erwähnten Schwierigkeiten, die Situation nüchtern und nicht beschönigt wahrzunehmen, sich auf eine gemeinsame Diagnose der «Kirchenkrise» zu einigen und sich auf ein «Therapiekonzept» zu verständigen, welches die Kirche zur «Veränderung», zum «Aufbruch», zur «Erneuerung» oder sogar zur «Neugründung» anstiftet, halte ich Grundsätze und Werkzeuge des «Change Managements», wie sie in den letzten Jahrzehnten entwickelt und erprobt wurden, für sehr hilfreich.[9] Denn sie tragen dazu bei, emotional und kirchenpolitisch oft stark aufgeladene Diskussionen zu versachlichen, und sie lenken den Blick auf das konkrete: die eigene Organisation, das eigene Umfeld, die eigenen Ressourcen und Entscheidungsalternativen. Sie helfen, das ständige Sich-im-Kreis drehen zu unterbrechen. Erfahrene Change-Manager erinnern die Kirche zudem daran, dass sie in mancher Hinsicht «ganz normal» ist: Andere Organisationen – gerade im Non-Profit-Bereich – haben ähnliche Probleme und Konflikte. Warum sollten also Management-Modelle, die sich für sie als nützlich erwiesen haben, nicht auch in kirchlichen Organisationen hilfreich sein?
3.2 Grundhaltungen eines aufbauenden Managements im Kontext von Ungewissheit und Unverfügbarkeit
Ebenso wichtig wie die Vorgehensweisen und Werkzeuge des Change-Managements sind m.E. Grundhaltungen, die sich im Management von Veränderungen als hilfreich erwiesen haben. Johannes Rüegg-Stürm, Autor des renommierten Neuen St. Galler Management-Modells[10] entwickelt sie in seinem bemerkenswerten Artikel «Aufbauendes Management im Kontext von Ungewissheit und Unverfügbarkeit»[11] im Dialog mit der christlichen «Glaubenspraxis» und mit der biblisch bezeugten «Lebenswirklichkeit der nachösterlichen Gemeinden». Er benennt folgende «Konvergenzräume zwischen christlich orientierter Lebenspraxis und einem systemischen Managementansatz[12]:
Zurückhaltung mit personalen Zurechnungen und (moralischen) Urteilen
Wirkung, Erfolg und Misslingen sind nicht einzelnen Personen zuzuschreiben, sondern gemeinsamer Praxis und Kommunikation. Dies entledigt die einzelne Person nicht ihrer Verantwortung, aber sie hat die Chance, in einem Kontext zu arbeiten, in dem nicht gleich jedes Misslingen zu einer Schuldzuweisung führt. Gerade eine Kirche, in der die alten Rezepte nicht mehr funktionieren und die auf der Suche nach einer neuen Gestalt ist, bedarf einer solchen «Fehlerkultur», weil ihr und ihren Mitgliedern sonst der Mut zum Experiment und zum Wagnis abhanden kommen.
Radikale Lösungsorientierung
Um zu wissen, was besser ist, müssen wir nicht wissen, was gut (bzw. schlecht) ist. Nicht Probleme und ihre historische Entstehung interessieren, sondern Lösungsimpulse, d.h. positive Unterschiede im Sinne einer lebensdienlichen Besserung. Aus problemorientierter Ursachenforschung wird allzu rasch ein Schuldzuweisungsritual. Es gilt, den Blick nach vorne zu lenken. Denn weder der «Blick zurück im Zorn» noch der verklärende Rückblick auf die «guten alten Zeiten» sind hilfreich. Die zentrale Stossrichtung aller Entwicklungsanstrengungen bilden somit Befähigungsstrategien, die dazu beitragen, neuartige vielversprechende Lebens- und Optionsräume auszuloten und zu realisieren.
Ungewissheit der Zukunft und Unverfügbarkeit des Lebens – Anerkennung von Grenzen der Machbarkeit
Ungewissheit und Ambiguität kennzeichnen den Normalzustand heutiger Organisationen. Ein gemeinsames Eingestehen der Ungewissheit und Unverfügbarkeit des Geschehens stärkt die kollektive Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit. Allmachtsphantasien und Machbarkeitsmythen haben nichts zu suchen im Neuen Testament – wohl aber ein Grundvertrauen, dass unser Leben über alle Bruchstellen und Grenzerfahrungen aufgehoben ist. Zukunftsoffenheit fördert kontinuierliche, revisionsfreundliche Lernprozesse.
Leben als stets gefährdeter Beziehungs- und Kommunikationsprozess
Gelingende Kommunikation ist eine der zentralen Voraussetzungen für erfolgreiches Management – und eine der zentralen Visionen von Kirche, die sich fundamental als «communio», als Kommunikationsgeschehen zwischen Gott und Mensch und unter den Menschen versteht. Eine der zentralen Herausforderungen ist daher sowohl für das Management als auch für die Kirche der Umgang mit all dem, was Beziehungen und Kommunikation gefährdet und belastet – Angst und Unsicherheit, Enttäuschungen, Konflikte. Im Zentrum gelingenden Managements stehen tragfähige Beziehungen und damit verbunden eine achtsame wertschätzende Kommunikation mit hoher Sensibilität für Erwartungsenttäuschungen.
Macht- und institutionenkritische Einstellung
Macht ist einerseits ein Bewegungsmoment jeder Entwicklung, anderseits aber – vor allem, wenn sie bei einzelnen Personen akkumuliert ist – anfällig für Machtmissbrauch. Machtballungen sind daher fragwürdig und riskant. Wichtig sind deshalb Instrumente der Machtteilung und gegenseitigen Machtbegrenzung. Denn nur in einem Handlungsraum, in dem die Beteiligten sich im Grundsatz als gleichwertig anerkennen und sich bewusst sind, dass alle aufeinander angewiesen sind, können sich die erwähnten Grundhaltungen auch wirklich entfalten.
3.3 Da, wo man wirklich steht, das konkret Notwendige und Mögliche tun
Gerade im Blick auf die Diskussionen um not-wendige Aufbrüche in der Kirche und um ein «kirchliches Change-Management» möchte ich die von Johannes Rüegg-Stürm formulierten Grundhaltungen um einen nach meiner eigenen Erfahrung sehr wichtigen Punkt ergänzen: «Da, wo man wirklich steht, das konkret Notwendige und Mögliche tun».
Es besteht nämlich in kirchlichen Kreisen eine doppelte Gefahr: Entweder landet man sehr rasch bei ganz grundsätzlichen Veränderungsforderungen, für die man nicht zuständig ist – und wiederholt dann längst bekannte Postulate an die Adresse Roms oder der Bischöfe. Oder man überfrachtet die Diskussion um mögliche Veränderungsprozesse mit zu hohen Erwartungen. Sehr rasch landet man also in der Ohnmacht, in der Überforderung und bei Fragen, die den eigenen Gestaltungsbereich übersteigen, was dazu führt, dass es beim ewig-gleichen Fordern und Klagen bleibt, ohne dass etwas geschieht.
Zur Gestaltung von Change-Prozessen gehört jedoch die Unterscheidung von dem, was «im System», «am System» und «um das System» ist:
- «Im System» ist, was ich oder die eigene Institution selbst entscheiden kann
- «Am System» ist, was von mir und der eigenen Institution noch beeinflusst werden, aber nicht autonom entschieden werden kann
- «Um das System» ist, was zum Umfeld gehört und was zwar berücksichtigt werden muss, aber nicht beeinflusst werden kann.
Change-Prozesse haben dann die grössten Erfolgschancen, wenn sie auf das fokussiert sind, was «im System» ist und nicht dort die Veränderung suchen und fordern, wo diese primär von anderen erwartet ist. Wer das Evangelium liest, wird feststellen, dass dies auch der Fokus Jesu ist: Die gebückte Frau, die er antrifft und aufrichtet – und nicht «alle Kranken», die hungrigen Leute, die er nicht brotlos auf den Heimweg schickt – und nicht «alle Hungrigen», der geldgierige Zöllner, den er dazu bringt, seinen Reichtum zu teilen – und nicht das ungerechte Wirtschaftssystem des römischen Weltreiches. Dass das christliche Bekenntnis von diesem auf das Konkrete und Nächstliegende fokussierten Jesus sagt, er habe die Welt verändert, ja sogar erlöst, gibt zu denken: Auch wir können die Welt verändern, indem wir dort Verantwortung übernehmen, wo wir zuständig sind.
Mit Martin Buber gesagt: «Das ist es, worauf es letzten Endes ankommt: Gott einlassen. Man kann ihn aber nur da einlassen, wo man steht, wo man wirklich steht, da wo man lebt, wo man ein wahres Leben lebt. Pflegen wir heiligen Umgang mit der uns anvertrauten kleinen Welt.»[13]
4 Zentrale Herausforderungen für die katholische Kirche in der Schweiz
Auch wenn man sich – im Sinne der soeben erläuterten Grundhaltungen – von Schuldzuweisungen löst, die von mangelndem Realitätssinn über Unfähigkeit im Management bis zum fehlenden Glauben reichen, und wenn man sich auf den eigenen Zuständigkeitsbereich beschränkt, bleibt es unumgänglich, das Umfeld kirchlichen Handelns und folglich auch die Herausforderungen zu kennen, mit denen die katholische Kirche in der Schweiz heute und in absehbarer Zukunft konfrontiert ist.[14]
Was die gesellschaftlichen Megatrends und die damit einhergehenden religionssoziologischen Entwicklungen betrifft, weist die diesbezüglich auch für die Katholiken einschlägige Studie «Die Zukunft der Reformierten» darauf hin, dass die Kirche «sie durch strategisches Handeln kaum beeinflussen» könne. Daher müssen sie «als gegebene Rahmenbedingungen des kirchlichen Handelns gesehen werden.»[15] Folgende Megatrends sind m.E. für die Zukunft der katholischen Kirche in der Schweiz von besonderer Bedeutung.
4.1 Entflechtung der gesellschaftlichen Teilsysteme
Die verschiedenen gesellschaftlichen Teilsysteme (Wirtschaft, Gesundheitswesen, Medienwelt etc.) werden sich noch stärker vom Teilsystem «Religion» entflechten. Wenn die katholische Kirche in diesen Teilsystemen präsent sein und auf sie Einfluss nehmen will, muss sie sich auf deren Gesetzmässigkeiten einlassen und deren «Zulassungsbedingungen» akzeptieren.
4.2 Rückgang der Beteiligung am kirchlichen Leben
Die Zahl jener, die mit einer gewissen Regelmässigkeit aktiv am kirchlichen Leben teilnehmen, wird weiter rückläufig sein. Dies gilt unabhängig von der Frage, wie sich die Zuwanderung ausländischer Katholiken, die Kirchenaustritte und die Zahl jener entwickeln, die «statistisch» als Katholiken erfasst werden.
4.3 Zunehmende Bedeutung anderssprachiger Kirchenmitglieder
Die katholische Kirche wird ausländischer und mehrsprachiger. Dazu trägt einerseits die Zuwanderung, anderseits die Tatsache bei, dass die aus dem Ausland zugewanderten Katholik/innen jünger und kirchlich aktiver sind. Die «einheimische» katholische Wohnbevölkerung ist tendenziell überaltert und der «Schweizer Katholizismus» wird zu einem von mehreren Katholizismen in der Schweiz.[16]
4.4 Abnehmende finanzielle Ressourcen
Finanziell wird die Kirche ärmer. Sie wird sich weniger leisten können als heute. Bezogen auf das kirchliche Personal und seine Arbeitsbedingungen heisst das: Entweder wird die Zahl der Lohnempfänger/innen zurückgehen oder diese müssen zu schlechteren Bedingungen arbeiten. Angesichts der uneinheitlichen staatskirchenrechtlichen und steuerrechtlichen Ausgangslage in den verschiedenen Kantonen und der unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Veränderung ist damit zu rechnen, dass diese Entwicklung ungleichzeitig verläuft. Mancherorts hat sie längst begonnen, andernorts sind die Verhältnisse diesbezüglich noch intakt.[17]
4.5 Schwächer werdender gesellschaftlicher Rückhalt
Der kirchliche und gesellschaftliche Rahmen, der die kirchlich Engagierten in ihrer Identität stabilisiert wird schwächer. In der Mehrheitsgesellschaft (und bei jenen, die sich auch als Katholiken primär dieser Mehrheitsgesellschaft zugehörig fühlen) nimmt die Plausibilität einer lebenslangen und alle Lebensbereiche umfassenden Bindung an die Institution Kirche ab. Für die katholische Kirche als Institution bzw. Organisation hat dies zur Folge, dass die Kirchenbindung lockerer wird und die Trennlinie zwischen Mitgliedschaft und Nicht-Mitgliedschaft verschwimmt. Das heisst, dass manche zwar «formal» noch Kirchenmitglieder sind, aber sich «innerlich» nicht mehr zugehörig fühlen, und dass gleichzeitig andere zwar «formal» ausgetreten sind, sich aber trotzdem (manchmal) «irgendwie» zugehörig fühlen.[18]
4.6 Kirchenmitgliedschaft im Zeichen von Kosten-Nutzen Überlegungen
Das Verhältnis der Menschen zur Religion bzw. zu den «Angeboten» der Religionsgemeinschaften wird zunehmend «marktförmig». Unter dem «Horizont kundenbestimmter Beziehungen» steht «das Leben der Gläubigen … nicht mehr unter dem Zustimmungsvorbehalt der Priester, sondern die Priester unter dem Zustimmungsvorbehalt der Gläubigen»[19]. Damit ist nicht nur die Notwendigkeit verbunden, im Sinne einer «auftragsbestimmten Bedürfnisorientierung»[20] auch die Wünsche und Erwartungen der Menschen, die man erreichen möchte, mit in Betracht zu ziehen. Vielmehr geht damit auch ein erhebliches «Kränkungspotential» einher, insbesondere für Priester und Seelsorgende, die den Anspruch erheben, die lebens- und heilsnotwendige Botschaft zu verkündigen und «in persona Christi» personal und sakramental zu verkörpern. Denn im seelsorgerlichen Alltag bleibt ihnen die Erfahrung nicht erspart, dass sie auf wenig Interesse stossen und dass ihre «amtliche» Autorität selbst von den stark engagierten Kirchenmitgliedern keineswegs unhinterfragt angenommen wird.
4.7 Innerkirchliche Vielfalt und Polarisierung
Die kircheninterne Realität bleibt (und wird möglicher Weise noch vermehrt) von Polaritäten (und der damit verbundenen Gefahr von Polarisierungen) geprägt[21]: Die Kirche ist zugleich «synodal» und «hierarchisch». Sie muss «Einheit» und «Vielfalt» ausbalancieren, eine erkennbare Identität haben und für alle offen sein, Prioritäten setzen und gleichzeitig unterschiedlichsten Erwartungen gerecht werden. Zudem soll die Kirche die Menschen in ihrem Alltag begleiten und zugleich Zugang zu einer göttlichen Tiefendimension des Lebens erschliessen. Und schliesslich soll sie die grenzenlose und heilbringende Menschenfreundlichkeit Gottes bezeugen und gleichzeitig den hohen ethischen Anspruch des Evangeliums zur Geltung bringen. Mit all diesen Erwartungen – die zudem oft gegeneinander ausgespielt werden – ist nicht nur die Kirche, sondern sind in besonderem Mass die Priester, aber auch die Seelsorgenden als deren «amtliche» Repräsentanten konfrontiert. Ihnen wird zudem zugemutet, dass sie weitere Spannungen aushalten, z.B. Persönliche Authentizität bei gleichzeitiger loyaler Treue zur Institution; professionelle Kompetenz im Umgang mit einzelnen Zielgruppen (z.B. Kinder, Kranke) und Aufgaben (z.B. Management, Beratung von Menschen in Not) bei gleichzeitiger vielfältiger Einsatzfähigkeit; Leben aus einer den ganzen Menschen ergreifenden Berufung und Rollendistanz; innere Ruhe aus spiritueller Praxis bei gleichzeitiger Bewältigung eines enormen Arbeitspensums; Nähe zu den Menschen «vor Ort» bei gleichzeitiger Verantwortung für immer grössere Seelsorgeeinheiten.
5 Von Wind und Windmühlen, Mauern und Segeln
Der Soziologe Franz-Xaver Kaufmann hat in seiner sehr sachlichen Analyse der aktuellen Kirchensituation abschliessend festgehalten «Alles in allem erscheinen die Perspektiven für das Christentum in unseren Breitengraden wenig erfreulich.» Er ruft in Erinnerung, «dass die jüdisch-christliche Glaubenstradition stets ein angefochtene war und dass ihr weltlicher Erfolg nicht in Aussicht gestellt wurde. Die Beharrlichkeit des Glaubens auch unter den ‚Leiden dieser Welt‘ gehört ebenso zu den Merkmalen dieses Glaubens wie die Hoffnung auf göttlichen Beistand. Eine ’schöpferische Ratlosigkeit‘ wäre keine ungünstige Voraussetzung für die Auseinandersetzung mit einer unsicheren, offenen Zukunft.»[22]
Diese Bilanz spricht nicht gegen ein kirchliches «Management des Wandels», das die Veränderungen nicht nur erleidet, sondern den Umgang mit ihnen aktiv und vorausschauend gestaltet. Aber es spricht gegen ein sich selbst überschätzendes und überforderndes Kirchenmanagement, das meint, man könne die Kirche oder gar Gott selbst «managen», was etwas frei übersetzt «in den Griff bekommen» hiesse.
Aber weil «schöpferische Ratlosigkeit» für Kirchenmanager und –managerinnen etwas gar wenig ist, schliesse ich mit drei Zitaten.
Das erste, chinesische Sprichwort lautet: «Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen.» Es plädiert dafür, den Wind, auch den Gegenwind als Chance zu nutzen, um selbst in Bewegung zu kommen – und uns nicht defensiv vor ihm zu schützen, denn es könnte der Wind des Heiligen Geistes sein.
Das zweite Sprichwort lautet: «Nicht der Wind bestimmt die Richtung, sondern das Segel.» Es plädiert dafür, nicht «das Fähnlein nach dem Wind zu hängen», sondern sich zu positionieren und Kurs zu halten und uns dabei die Kraft des Windes zunutze zu machen, selbst dann, wenn er von der Seite oder von vorne kommt.
Das dritte Wort stammt von Ingeborg Bachmann: «Im Wiederspiel des Unmöglichen mit dem Möglichen erweitern wir unsere Möglichkeiten. Dass wir es erzeugen, dieses Spannungsverhältnis, an dem wir wachsen, darauf, meine ich, kommt es an; dass wir uns orientieren an einem Ziel, …»[23] Die dem Change-Management zu Grunde liegenden Auffassungen und die Instrumente, die es zur Verfügung stellt, tragen nach meiner Erfahrung dazu bei, dass es in der Kirche auch in Zeiten des Umbruchs gelingen kann, weder ins visionäre «Unmögliche» zu entfliehen, noch im pragmatisch «Möglichen» steckenzubleiben, sondern das «Spannungsverhältnis» zwischen beidem dort ebenso kreativ wie realistisch zu bearbeiten, wo man steht und konkret mitgestalten kann.
(Daniel Kosch, Zürich; Bild: Stephan Barth / pixelio.de)
[1] Baumann-Neuhaus, E./Aus der Au, C., Religion im Umbau, Inventar. Innovation. Investition, St. Gallen 2014.
[2] Küng, H. Ist die Kirche noch zu retten?, München 2011; Kaufmann, F.-X., Kirchenkrise. Wie überlebt das Christentum, Freiburg 2011 (erweiterte und überarbeitete Neuausgabe); Zulehner, P.M., Aufbrechen oder untergehen. So geht Kirchenentwicklung, Ostfildern 2003; Fuchs, O., Im Innersten gefährdet. Für ein neues Verhältnis von Kirchenamt und Gottesvolk, Innsbruck 2009; Bucher, R. (Hg.), Die Provokation der Krise. Zwölf Fragen und Antworten zur Lage der Kirche, Würzburg22005; Ebertz, M.N., Vor der Aufgabe der Neugründung. Die Kirche in sich wechselseitig verstärkenden Krisen, in: Pastoral im Umbau (HerderKorrespondenz Spezial 1/2011), 2-6; Mitschke-Collande, T.v., Schafft sich die katholische Kirche ab? Analysen und Lösungen eines Unternehmensberaters, München 2012.
[3] Benedikt XVI., Licht der Welt, Freiburg 2011, 40.
[4] Orth, S.., Stimmungsaufheller Franziskus, in: HerKorr 68 (2014) 325-327, Zitat: 327.
[5] Becker, P./Diewald, U., (Hg.), Die Zukunft von Religion und Kirche in Deutschland. Perspektiven und Prognosen, Freiburg 2014.
[6] Urs Winter-Pfändler. Kirchenreputation. Forschungsergebnisse zum Ansehen der Kirchen in der Schweiz und Impulse zum Reputationsmanagement, St. Gallen 2015, Zitat: 206.
[7] R. Bucher, …wenn nichts bleibt wie es war. Zur prekären Zukunft der katholischen Kirche, Würzburg 2012.
[8] H. Joas, Glaube als Option, Freiburg 2012.
[9] Vgl. dazu Kosch, D., Demokratisch – solidarisch – unternehmerisch. Organisation, Finanzierung und Management in der katholischen Kirche in der Schweiz (FVRR 19), Zürich 2007, 180-243; Kosch, D., Kirchliches Handeln im Spannungsfeld von Geist und Geld, in: Bischofberger, P./Belok, M. (Hg.), Kirche als pastorales Unternehmen. Anstösse für die kirchliche Praxis, Zürich 2008, 72-90; Kosch, D., Kirche und Management: Elemente gegenseitiger Annäherungen, in: Bischofberger, P., Aufbruch und Umbruch. Plädoyer für ein nachhaltiges Kirchenmanagement, Luzern 2014, 83-97.
[10] Zur Einführung s. Rüegg-Stürm, J., Das neue St. Galler Management-Modell, Bern22003; Rüegg-Stürm, J./Grand. S., Das St. Galler-Management-Modell. 4. Generation – Einführung, Bern 2014.
[11] Rüegg-Stürm, J., Aufbauendes Management im Kontext von Ungewissheit und Unverfügbarkeit, in: Haas, H.-S./Krolzik, U. (Hg.), Diakonie unternehmen (FS A. Jäger), Stuttgart 2007, 153-177.
[12] Einen hervorragenden, zugleich knappen und lesbaren Zugang erschliesst: Nagel, R./Wimmer, R., Einführung in die systemische Strategieentwicklung, Heidelberg 2014.
[13][13] Buber, M., Der Weg des Menschen nach der chassidischen Lehre, Gerlingen61994, 56f.
[14] Vgl. zum Folgenden: Kosch, D., Optionen im Hinblick auf die Zukunft der Diözesanpriester in der Schweiz, in: Bünker, A./Husistein R., Diözesanpriester in der Schweiz. Prognosen, Deutungen, Perspektiven, Zürich 2011, 206-215.
[15] Stolz, J./Ballif, E., Die Zukunft der Reformierten. Gesellschaftliche Megatrends – kirchliche Reaktionen, Zürich 2010, 27. Im Hinblick auf die «Krisenphänomene» in beiden Konfessionen wird gegenüber jenen, die innerhalb der kath. Kirche den «Reformstau» für viele Probleme verantwortlich machen, oft betont, es gehe den Reformierten «auch nicht besser» – die Krise habe also andere, hauptsächlich gesellschaftliche Ursachen. Dazu ist festzuhalten: Bezüglich dessen, «was mit der Kirche in Zeiten individualisierter und globalisierter Religionsnutzung geschieht» (Bucher, R., Priester des Volkes Gottes. Gefährdungen. Grundlagen. Perspektiven, Würzburg 2010, 116), besteht weitgehend Übereinstimmung. Deutliche Differenzen lassen sich jedoch –anhand der Studie von Stolz/Ballif wie auch anhand der Reputationsstudie (s.o. Anm. 6) – bezüglich der Frage ausmachen, wie die beiden Konfessionen darauf reagieren.
[16] Zu beachten ist allerdings, dass der Ausländeranteil an der (katholischen) Bevölkerung regional sehr unterschiedlich ist; vgl. zum Thema auch Kosch, D., Der Fremde als Einheimischer. Denkanstösse zur Migrantenseelsorge, in: SKZ 179 (2011) 116-118.144.149-151.
[17] Kirchenorganisatorisch ist diese Heterogenität bereits heute eine grosse Herausforderung – das Nebeneinander «armer» und «reicher» Regionen führt bezüglich der Frage, «was sich die Kirche leisten kann und soll», zu grossen Differenzen. Diese Disparität wird sich voraussichtlich noch verschärfen. Vgl. zum Thema: Marti, M./Kraft, E./Walter, F., Dienstleistungen, Nutzen und Finanzierung von Religionsgemeinschaften in der Schweiz. Synthese des Projektes FAKIR (Finanzanalyse Kirchen) im Rahmen des NFP 58 «Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft», Glarus 2010; Kosch, D., Die öffentliche Finanzierung der katholischen Kirche in der Schweiz. Zahlen, Zusammenhänge und Zukunftsperspektiven (FVRR 30), Zürich 2013, 1-42.
[18] Das ist langfristig auch das Hauptrisiko für die geltenden staatskirchenrechtlichen Regelungen und das daran gebundene System der Finanzierung der Kirche mit Hilfe von Kirchensteuern und Beiträgen der öffentlichen Hand. Vgl. dazu meine Analyse des «dualen Systems» aus Sicht eines kirchlichen Risiko-Managements: Kosch, D., Risiken des Dualismus für die katholische Kirche in der Schweiz, in: Pahud de Mortanges, R. (Hg.), Staatliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften: Zukunfts- oder Auslaufmodell (FVRR 31), Zürich 2015, 85-139.
[19] Bucher, Priester (15) 45.49.
[20] Vgl. dazu Famos, C.R., Kirche zwischen Auftrag und Bedürfnis. Ein Beitrag zur ökonomischen Reflexionsperspektive in der Praktischen Theologie (ReligionsRecht im Dialog 3), Münster 2005.
[21] Eine perspektivenreiche Situationsanalyse auf knappem Raum bieten: Först, J./Lappen, F./Rahner, J. (Hg.), Abbruch oder Aufbruch? Von der Eigendynamik des kirchlichen Strukturwandels, Berlin 2010.
[22] Kaufmann, Kirchenkrise (Anm. 2) 181.
[23] Aus Ingeborg Bachmanns Rede «Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar, gehalten an der Preisverleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden in Bonn am 17. März 1959.