Die Kolumne für die kommenden Tage 4
Ich gehöre einer Risiko-Gruppe (männlich, über 60, Ex-Krebsler) an und hätte guten Grund, mich zu ängstigen. Aber dazu habe ich gerade keine Lust. Es ist Frühling, und ein schöner noch dazu! Nach all dem Dauergrau, das mir monatelang die Laune vermiest hat, und nach einem Semester, das so vollgepackt war, dass die sonst so geliebte Arbeit auch keinen Spaß mehr gemacht hat, kommt jetzt die Sonne raus, es ist noch angenehm feucht und kühl, mein Mandelbäumchen setzt zum Blühen an.
Eigentlich sollte ich diese Woche in Rom sein, aber das hat dieses Virus, das nicht einmal ein Lebewesen ist, nur Gen-Müll, boshaft verhindert. Soll ich mir dann jetzt auch noch die Laune verderben lassen durch Klopapier-Hamsterkäufe und „social distancing“? Ich habe mich, obwohl ich sonst sehr gerne zu depressiven Reaktionen neige, dagegen entschieden.
Ich habe mich entschlossen, Corona zu genießen! Natürlich nicht das Virus selbst, wohl aber die Folgen der Vorsicht, die eine Pandemie so mit sich bringt. Wenn Corona mir schon mein Leben nehmen will, dann steht es mir gefälligst zu, dass die Sonne scheint und ich – solange es noch erlaubt ist – lange Spaziergänge mache – auf Waldwegen, wo man niemanden trifft. Es steht mir zu, dass das Staatsexamen verschoben ist und mir die frustrierende Arbeit des Korrigierens erst einmal erspart bleibt!
Ich lasse den Tag ruhig angehen und widme mich Dingen, die ich gerne tue. Ich bastle an Publikationen, koche, arbeite im Garten und höre alle Haydn-Sinfonien am Stück. 33 Stunden allerfeinste Musik! Und ich erfreue mich an zugeschickten Corona-Witzen: Von wegen, jetzt hilft nur gesunder Menschenverstand! Das Virus schreckt sichtlich vor Dummheit zurück. Beweis: Vergleichen Sie mal die regionale Verteilung der Infektionsraten mit der von AfD-Wahlerfolgen.
Joachim Kügler ist Inhaber des Lehrstuhls für Neutestamentliche Wissenschaften an der Universität Bamberg.
Bild: Rainer Bucher