Die Kolumne für den Tag 60
Am Beginn der Coronakrise Mitte März stand bei uns der Wunsch, nicht nur analytisch die durch das Coronavirus sich stellenden Fragen und Herausforderungen zu bearbeiten. Es sollten in dieser Zeit der Ausgangsbeschränkungen auch die Erfahrungen und Umgangsformen unterschiedlicher AutorInnen zum Ausdruck kommen – vielleicht sogar mit der hintergründigen Leichtigkeit eines Karl Valentin.
Mit dem heutigen Beitrag, Kurztexten der Kolumnen-Verantwortlichen, beenden wir diese „Kolumne daheim“ – im Wissen, dass es nur ein Zwischenschritt ist im Umgang mit den Herausforderungen der kommenden Zeit. Jetzt besuchen wir wieder andere – hoffentlich sind sie zu Hause.
Wenn alle die Nerven behalten …
- dann übernehmen Supermärkte die niederländische Idee von „Plauder-Kassen“ für ein kleines Schwätzchen durch die Scheibe, gegen die Einsamkeit von Senior*innen.
- dann zahlen Kardinäle freiwillig in die Kaffeekasse der Vatikan-Kantine ein, wenn einer das Wort „Relativismus“ benutzt hat.
- dann atmen alle Gesunden dreimal tief ein und aus, bevor sie über Masken zu schimpfen beginnen.
Wenn alle die Nerven behalten, dann lässt sich in Ruhe gemeinsam nach Lösungen suchen, dann lassen sich Menschen trösten. Und andere können sogar angesichts der Misere noch schmunzeln. Wenn alle die Nerven behalten, dann lässt sich an den Prioritäten arbeiten. Dann sind die eigenen Kränkungen weniger wichtig. Dann wächst Haltung.
Wolfgang Beck
Was mir wichtig wurde in den vergangenen Tagen:
- dass das Christentum drei Dinge zu bieten hat: Realismus, den Aufruf zu Nächstenliebe und Gottvertrauen,
- dass die Theologie doch ein recht munteres Häufchen ist und sich kontrovers zu Wort gemeldet hat,
- dass Reduktion auch nach der Pflicht zu ihr eine Option sein könnte,
- dass leere Kirchen in leeren Städten wirklich etwas Wunderbares sind,
- dass die staatliche Pastoralmacht fast ebenso ambivalent ist wie die kirchliche,
- und dass Karl Valentin mal wieder Recht hat: „Ein Optimist ist ein Mensch, der die Dinge nicht so tragisch nimmt, wie sie sind.“
Rainer Bucher
Wenn alle das täten …
Die Ankündigung der Ausgangsbeschränkungen: Panik – das kann doch nicht sein – das können die doch nicht machen – Weltuntergang.
Einen kurzen Moment später: Schnitt – wie wärs nochmal ganz anders leben und arbeiten – work-life-balance.
Der Tiefpunkt: krank – isoliert – alles zuviel – Informationen – Gedanken – Worte.
Das Highlight: virtueller female.vision Frühlings-Summit – lebendig – engagierte Weltveränder*innen und am Ende Georg Kreislers „Wenn alle das täten“:
Bleib’n Sie doch mal Ihrer Arbeit fern
Geh’n Sie stattdessen spazieren!
Wenigstens vormittags, das macht doch Spaß –
Schlafen Sie aus oder lesen Sie was!
Alles wird weitergeh’n ohne Sie
Sie würden gar nichts riskieren!
Sie werden sagen: „Wenn alle das täten
Dann wär das ein schrecklicher Schlag!“
Ja – wenn alle das täten, dann hätten halt alle
Einen herrlichen Vormittag!
Was ich vermisse: herrlich leichte Tage! Nach wie vor.
Birgit Hoyer
Küss die Hand, Pandemie
Darf man in einer Katastrophe auch Witze machen? Ja – das zeigen nicht zuletzt jüdische Witze mit dem Anspruch: „Tränen kann man auch lachen!“ Ein solcher Zugang (der sehr gut in die Tradition von Karl Valentin passt) war in Österreich in den letzten Wochen die Umdichtung des EAV-Hits „Küss die Hand, schöne Frau“ in „Küss die Hand, Pandemie“ durch das EAV-Urgestein Thomas Spitzer.
In dem Versuch, gewissermaßen „dem Tod die Fratze“ zu zeigen, hat sich so mancher humoristische Umgang mit Corona entwickelt. Und christlich hat das wohl auch eine gute Tradition: das Osterlachen, das Halleluja – im Wissen darum, dass das letzte Wort das Leben hat.
Oder wie es Thomas Spitzer im Corona-„daheim“ sagt: „Glücklich ist, wer nicht vergisst, wo der Quarantäne Vorteil ist: Zahndi putz und Seifenschaum kenne ich seit Wochen kaum. Ich genieße mein Exil und darf stinken wie ich will. Von Kopf bis Fuß unrasiert, tanz ich nackt durchs Dasein ungeniert.“
Johann Pock
Danke!
Im Namen der Redaktion ein großer Dank an alle, die diese Kolumne mit ihren Geschichten, Gefühlen und Gedanken bereichert haben!
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AutorInnen: Wolfgang Beck, Rainer Bucher, Birgit Hoyer und Johann Pock sind RedakteurInnen von feinschwarz.net.
Beitragsbild: Unsplash