Vom „unfehlbaren Lehramt der Betroffenen“ sprach Bischof Rudolf Voderholzer beim Synodalen Weg. Den Artikel von Thomas Schüller zu dieser Äusserung kommentiert Flora-Nike Göthin in einem Leserbrief.
Zuerst bedanke ich mich sehr dafür, dass Herr Schüller einem Satz von „Bischof Rudi“ nochmals auf die Bühne verhilft, damit wir ihn auch wirklich verstehen und in seiner ganzen Dimension wahrnehmen können.
Aber ich bedanke mich auch bei Herrn Bischof Vorderholzer FÜR diese Aussage. So erschütternd sie für uns Betroffene ist, so erhellend beleuchtet Sie das dunkle Denken bis in die oberen Riegen derer, die uns zuhören und Wiedergutmachung anstossen sollten. Stattdessen werden sie selbst bzw. ihre leuchtenden Sätze wieder zum Stein des Anstoßes.
Ist es nicht das, was wir als Betroffene von jahrzehntelang vertuschten Greueltaten wirklichbrauchen? Klarheit und Transparenz?
Wenn ein Bischof solche Sätze weitestgehend unwidersprochen und konsequenzlos öffentlich aussprechen darf, zeigt es dann nicht auch, wie sicher er sich ist, dass ihm nichts passiert? Dass er vielleicht Gedanken ausspricht, die seine Kollegen vielerorts unter Ausschluss der Öffentlichkeit teilen und insgeheim bejubeln?
Mich hat auch ein Satz des Aufklärers und Befürworters des Synodalen Weges, Bischof Bätzing, auf der Pressekonferenz noch lange an seinem verkündeten Wort zweifeln lassen. Es betraf die Äußerungen zu dem Verfahren der UKA, der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen, welches bekanntermaßen so in der Kritik steht, dass Bischof Bätzing das Verfahren mit seinen Kollegen der DBK eingehend prüfen wollte.
Heraus kam nach vier Tagen (in denen ich jeden Tag, gelähmt wie ein Kaninchen vor der Schlange, auf ein diesbezügliches Ergebnis wartete) dass er an dem Verfahren festhalten wolle, aber ein Gespräch mit Vertretern der DBK, der DOK, der UKA und des Betroffenenbeirates der DBK anberaumt werde. Bei dieser Elefantenrunde wolle Bischof Bätzing erkunden, ‚ob die öffentlich benannten Retraumatisierungen der Antragsteller NUR durch die zu geringen Zahlungen oder AUCH durch die langen Wartezeiten ausgelöst würden…denn die könne man sofort verändern…..‚
Das war der Moment, in dem ich von dem bisschen Glauben abfiel, das mich noch auf eine Umkehr im Deutschen Kirchengeist hoffen ließ..
Was sind all die Lippenbekenntnisse von Anerkenntnis der Schuld, der Bitte um Vergebung, dem Willen nach Wiedergutmachung wert, wenn mit einem solchen Satz klar wird, dass von einem rundum versorgten Bischof noch immer nicht begriffen wurde, was es wirklich heißt, eine zerbrochenes Leben nach sexueller Gewalt und geistlichen Missbrauch oft an der Grenze des Existenzminimums weiter gestalten zu müssen?
Die Empathie- und absolute Verständnislosigkeit, die Bischof „Rudi“ in seinem Satz offen zeigte, klingt für mich auch bei Bischof Bätzing heraus. Ebenso bei Papst Franziskus, der deutsche Bischöfe im Amt lässt, in Polen allerdings zum selben Themenkomplex 14 Bischöfe ihres Amtes enthebt und sich für die jüngst veröffentlichen Schandtaten der französischen Kleriker öffentlich schämt….
Ist die Wiedergutmachung einer Weltkirche ein nationaler Glücks- oder Pechfaktor? Hatte man „Glück“ in Amerika Opfer geworden und mit Millionenzahlungen wenigstens finanziell entschädigt zu sein oder das Pech in Deutschland von einer UKA einen Brief zu erhalten: Tut uns leid, Sie haben schon die 5000 Euro erhalten wie wir Ihnen für drei Jahre Vergewaltigung berechnet hatten….
Wenn wir also genau hinschauen und hinhören, dann wissen wir doch, wo wir in Wahrheit stehen.
Und ist nicht diese Wahrheit, so schmerzhaft sie uns auch jedesmal wieder trifft, der wahre Heilungsprozess?
Die Heilung von den Heilsversprechen, die noch nie ernst gemeint waren.
Es geht nur um Macht und Feinde sind diejenigen, die diese Macht bedrohen.
Das ist die ganze Wahrheit….zumindest solange sie unwidersprochen von den eigenen Mitbrüdern bleibt. Denn auch andere Bischöfe könnten sich öffentlich – wie wir – dagegen wehren.
Unter einem Leserbrief zum Thema fand ich folgendes sehr zutreffende Zitat von Charlie Chaplin:
„Macht braucht nur derjenige, der Böses vorhat. Alles andere lässt sich mit Liebe erledigen.“
Womit wir wieder bei Jesus wären, von dessen Ursprungslehre sich die Kirche seit 2021 Jahren Schritt für Schritt, Tat für Tat und Satz für Satz entfernt.
Flora-Nike Göthin