Am Internationalen Frauentag lädt Petra Dankova uns alle dazu ein, unsere Stimme laut werden zu lassen. Wofür? Für Gerechtigkeit, Mitgefühl und Solidarität – gerade auch in der Kirche.
Weniger als 3% der Führungskräfte in der Römischen Kurie sind Frauen. Auf der ersten oder zweiten Ebene der Leitung in den verschiedenen Vatikanischen Behörden gibt es keine Frau. Die Frauen auf der dritten Ebene mit dem Titel „Untersekretär“ kann man an den Fingern einer Hand abzählen. Dieser Mangel erklärt sich nicht nur, weil Frauen in der katholischen Kirche von der Priesterweihe ausgeschlossen sind. Kirchenrechtler_innen, Kurienkardinäle und der Papst sind sich einig: es kann und soll mehr weibliche Laien in diesen Positionen geben. Nur – es gibt sie nicht.
Die Zahlen sind unerbittlich. Aber interessiert es überhaupt noch jemanden? Manchmal scheint es, dass man Frauendiskriminierung im Zusammenhang mit der katholischen Kirche einfach automatisch mitdenkt. „Es ist halt die katholische Kirche, die steckt noch in den alten Zeiten“, heißt es. Doch die katholische Kirche hat über 1,2 Milliarden Mitglieder weltweit und es macht einen Unterschied, ob patriarchales Denken nicht nur in der spirituellen Heimat dieser Menschen, sondern auch in ihren Schulen, Krankenhäusern und Sozialen Diensten verwurzelt ist. Wir müssen die katholische Kirche aus dem Ausnahmezustand befreien, der es zulässt, dass Prinzipien, die uns in anderen Bereichen der Gesellschaft wichtig sind, in der eigenen Institution ausgeklammert werden.
Der amerikanische Friedensstifter John Paul Lederach schreibt in seinem berühmten Buch The Moral Imagination, dass jeder Prozess der Veränderung, vor allem in Konflikten, die sich über einen langen Zeitraum erstrecken und in denen Positionen erstarrt sind, zunächst eine neue kreative Imagination entwickeln muss. Es muss Leute geben, die sich über den festgefahrenen Ist-Stand hinaus neue Möglichkeiten vorstellen können. Der erste Schritt besteht darin sich zu erinnern, dass Krieg, oder in unserem Fall die Ausgrenzung von Frauen, nicht der Normalzustand ist.
Lederach glaubt, dass es Leute braucht, die ihre Berufung leben, um einen Konflikt zu verwandeln. Für ihn ist Berufung nicht ein Beruf, oder ein bestimmtes Amt, das eine Person innehat, sondern Berufung ist „sich selber treu zu bleiben.“ Lederach nennt solche Leute „Voicewalkers“ – diejenigen, die sich mutig nach ihrer inneren Stimme richten, auch wenn es ungemütlich oder sogar gefährlich sein kann. Es befreit.
Ich arbeite seit einigen Jahren mit der Initiative Voices of Faith, die sich für mehr Frauen in der Führungs – und Entscheidungsebene der katholischen Kirche einsetzt. Seit 2014 organisierten wir, zum ersten Mal in der Geschichte der katholische Kirche, eine Frauenkonferenz im Vatikan am 8. März, dem Internationalen Frauentag. Jedes Jahr mussten wir mit den höchsten Vertretern der Kurie erneut verhandeln. Die Konferenz war hart erarbeitet, aber es hat sich gelohnt. Von einer Insiderin wurde Voices of Faith als „eine frische Farbenexplosion im grauen Alltag des Vatikans“ beschrieben.
2018 mussten wir aber eine schwierige Entscheidung treffen. Ist es uns wichtiger im Vatikan zu bleiben, oder bieten wir Raum für alle Stimmen des Glaubens – auch jene, die hohe Kurienvertreter von unsere Liste gestrichen hatten? Wir haben uns für alle Frauenstimmen entschieden. Unsere Veranstaltung 2018 hat nicht im Vatikan stattgefunden, sondern einen Straßenzug entfernt.
Wir haben viel gelernt. Es war befreiend, zu unseren Prinzipien zu stehen. Es hat Mut und eine neue Energie gegeben. Voices of Faith ist gewachsen, nicht irrelevant geworden, wie uns einige Leute voraussagen wollten. Es waren die Frauen, die unsere Veranstaltung so besonders machten, nicht der begehrte Standort im Vatikan.
2019 machen wir einen weiteren Schritt. Am 8. März gibt es diesmal keine große Veranstaltung in Rom, an der Frauen aus der ganzen Welt teilnehmen. Denn wir wollen ein anderes Zeichen setzen. Unsere Kirche braucht dringend eine Re-Form. Vieles muss sich verändern, autokratische Machtstrukturen müssen aufgebrochen werden, Frauen müssen gleichberechtigt mitentscheiden und mitgestalten können. Diese Re-Form wird nicht aus dem Vatikan kommen. Sie wird von den Stimmen des Glaubens überall in der Welt kommen. Jede und jeder von uns ist gefragt. Wir sind die Kirche und müssen damit aufhören, das Machtsystem zu unterstützen, mit dem wir nicht einverstanden sind.
Dieses Jahr wollen wir am 8. März mobilisieren. Wir wollen die Stimmen der Frauen nicht aus dem Vatikan hörbar machen, sondern aus der ganzen Welt in den Vatikan als Signal senden. Ohne uns gibt es keine Kirche. Wir müssen alle „Voicewalkers“ werden und unser Gefühl für Gerechtigkeit nicht gerade da ausklammern, wo es als Ausdruck unseres christlichen Glaubens am stärksten sein soll – in der Strukturen unserer Kirche.
Dieses Jahr rufen wir alle Katholik_innen auf, den Frauentag aktiv mitzugestalten – und nicht nur diesen einen Tag. Hier sind drei gute Möglichkeiten:
1. Voices of Faith hat kürzlich eine digitale Kampagne mit dem Titel Overcoming Silence gestartet. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – laden Sie ein Foto von sich selbst auf der Website www.overcomingsilence.com hoch und teilen Sie mit, warum Sie die Notwendigkeit von Frauen in Führungspositionen und Entscheidungsfindung in der katholischen Kirche unterstützen.
2. Priorin Irene Gassmann (Benediktinerinnen aus Fahr, Schweiz) hat zusammen mit einigen Schweizer Frauen eine regelmäßige Donnerstag-Gebetsaktion gestartet. Beten Sie mit.
3. Frauen aus Münster haben die Intiative Maria 2.0 gestartet und zu einem Streik aufgerufen. Die Organisatorinnen sagen, so könne man sehr deutlich zeigen, dass Frauen nicht mehr die ungerechten Strukturen still aufrecht halten werden.
Was immer Sie tun, lassen Sie sich nicht einreden, dass Sie zu klein sind, um etwas zu bewirken. Seien sie „Voicewalkers“ und lassen Sie Ihre innere Stimme, die nach Gerechtigkeit ruft, in der Kirche laut werden.
Autorin: Petra Dankova ist Advocacy Director der globalen Initiative Voices of Faith and Lehrbeauftragte für Soziale Arbeit an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt.
Bild: Voices of Faith.