Das feministische Andachtskollektiv (fAK) ist eine Gruppe von zehn jungen Menschen, die wöchentlich christliche Andachten aus feministischer Perspektive gestalten, und zwar auf Instagram. Was sind ihre Anliegen und Ideen?
Mir gibt das [fAK] die Möglichkeit, gleichzeitig kreativ und experimentell zu sein und theologisch zu denken. Ich hätte nie vorher gedacht, dass die Auseinandersetzung mit der ev. Perikopenordnung mal zu meinen leidenschaftlichen Hobbies gehören würde. (Paula Nowak)
An einem Sonntag Morgen wird, links das Handy, rechts der Kaffee, der Gottesdienstraum aufgesperrt. Es spielt Musik, es gibt eine Liturgie. Ähnlich wie alle anderen Sonntagsgottesdienste und doch ganz anders. Die Andacht ist ökumenisch, feministisch, jung und digital. Mit geschickt platzierten Stickern, Untertiteln und den richtigen Gifs zeigt sich die Wochenarbeit von 10 Personen, so denn das WLAN mitspielt, auf den Bildschirmen der Teilnehmer*innen. Das [fAK] lädt ein.
[fAK], das sind wir, dein feministisches Andachtskollektiv. Wir gestalten wöchentlich christliche Andachten aus feministischer Perspektive – und das auf Instagram.
Unser Kollektiv besteht aus einem Kernteam von zehn jungen Menschen, die so unterschiedlich sind, wie nur möglich: Katholisch, evangelisch, zwischen Hauptstadt und Dorf, gender-queer, weiblich, trans, cis, pastoraler Bereich, FSJ, Studium, bi-, pan-, heterosexuell, das alles wild gemischt. Bei uns treffen die verschiedensten Charaktere aufeinander und genau das macht uns stark.
Die intersektional feministische Stimme der Kirche, die uns vertritt, war für viele von uns kaum hörbar.
Denn wir sind unterschiedlich, aber fest vereint in der Idee, dass die Welt feministische, intersektionale Andachten braucht. Und wir glauben, dass es weder “neutrale” Gebete noch eine “neutrale” Theologie gibt. Also kann es auch kein kollektives mitgemeint in einer Theologie geben, die versucht, wirklich bei Menschen anzukommen. Aber die intersektional feministische Stimme der Kirche, die uns vertritt, war für viele von uns kaum hörbar. Also fingen wir an, sie laut und stark zu machen.
Den Gottesdienst, den wir wollen und brauchen, gibt es nicht? Dann machen wir ihn eben selbst.
Das fAk schenkt mir Kompliz*innen in einer Kirche, in der ich mich sonst oft fremd fühle. Mir tut es gut Banden zu bilden, um gemeinsam zu kämpfen, uns gegenseitig zu stärken und gemeinsame Erfolge, aber auch die Einzelner zu feiern. (Anna-Lena Passior)
Und so ist unser Kollektiv aus dem eigenen Bedürfnis heraus geboren. Den Gottesdienst, den wir wollen und brauchen, gibt es nicht? Dann machen wir ihn eben selbst.
Wir haben niemanden gefragt, wie das geht und was das beste Konzept sei, wir fingen einfach an und blieben dabei.
Und irgendwo zwischen Gott Unser und Mutter unser, zwischen Andachten mit wechselnder Predigtanzahl, mit Geschichten von queeren Heiligen, WhatsApp-Gesprächen mit Maria, Segen aus der Hängematte, einem freien Fluchpsalm zu Bildern einer Demo, Fürbitten mit Pusteblumen, Ruheorten, Appetizern, Tiktokfiltern, Fotos des trauernden Kollektivs, und “O Haupt voll Blut und Wunden“ fanden wir unsere Stimme, eine Stimme der Vielen.
Und Menschen begannen uns zuzuhören, freiwillig, und das am Sonntagmorgen auf Instagram. Immer wieder erreichten uns Nachrichten, die Mut machten und anspornten, digitaler Dank für unsere politische Haltung, für das Kein-Blatt-vor-den-Mund-Nehmen und sich klar zu aktuellen Geschehnissen positionieren und trotzdem eine stimmige, spirituelle Liturgie halten.
Unser Gottesbild ist immer präsent und vielfältig, unsere Gebete, Predigten, Lieder verkünden einen queeren Gott, die unseren intersektionalen Feminismus mehr als nur erahnen lässt und die sich immer auf die Seite der Unterdrückten stellt.
Jetzt ist niemand Boss und alle verantwortlich.
Wir haben das Kollektiv geboren und es atmet eine Theologie, die sich nicht nur in theoretischen Diskussionen an Universitäten abspielt, sondern die schöpft, die Menschen miteinander verbindet und die mit den großen Fragen des Lebens, dort wo es weh tut und dort, wo es nur schön ist, um eine Antwort ringt.
Und das, nur weil wir es wollen. Nicht um zu gefallen, nicht für die Likes, nicht für den Fame. Auf Instagram, weil warum eigentlich nicht?
Instagram händigte uns ohne Fragen nach Konzept und ohne Pflicht uns festzulegen einen Kirchenschlüssel aus, wir sperrten auf und unsere Verbündeten kamen neugierig herein. Am Altar stehen wir alle, gleichzeitig und parallel und niemand steigt sich dabei auf die Füße, denn es gibt wenig hierarchische Strukturen, wenn man sie sich nicht selbst auferlegt. Für uns reichte eine WhatsApp Gruppe, ein Google Docs und die gemeinsame Entscheidung, keine Hierarchie zu wollen. Jetzt ist niemand Boss und alle verantwortlich. Das benötigt Durchhaltevermögen, gemeinsames Ringen um Konsensentscheidungen und jeder Stimme immer wieder Gewicht geben.
Das fAk gibt mir grundlegende Wertschätzung, Support und Anerkennung – als junge Frau und Religionspädagogin in Lederjacke. Einen Support, den ich mir in anderen kirchlichen Bereichen, aufgrund meines Geschlechts und meiner Lederjacke stets hart erkämpfen muss. (Maike Schöfer)
Heißt ohne Boss auch ohne geweihte / ordinierte Personen?
Nein, für uns nicht, wir haben Pfarrer*innen im Kollektiv, allerdings bisher keine katholisch geweihten Personen. Aber egal ob ordiniert / geweiht oder nicht, jede Stimme wiegt gleich viel. Die besondere Behandlung unserer Pfarrerinnen und Vikarinnen kommt höchstens dann auf, wenn es darum geht, wer die nächsten Andacht hochladen möchte, und diejenigen auf Pfarrstellen sonntagvormittags nie Zeit haben.
Wir planten nie Ökumene, wir waren es einfach. Ökumene ist für uns als Selbstverständlichkeit gesetzt.
Dass das Kollektiv ökumenisch wurde, war Zufall, den wir lieben lernten. Die Frage nach der Konfession stellte sich für uns nicht, so sehr nicht, dass wir manchmal auch nicht genau sagen konnten, wer eigentlich welcher Konfession angehörte. Es war einfach nicht wichtig.
Wir planten nie Ökumene, wir waren es einfach. Ökumene ist für uns als Selbstverständlichkeit gesetzt und wird nicht diskutiert. Wir unterstützen uns in unseren Kämpfen, die je nach Konfession unterschiedlich sind, aber sich doch ähneln.
So einfach kann Ökumene sein, wenn es keine Regeln gibt und der gemeinsame Antrieb groß genug ist. Dabei gibt es natürlich immer wieder mal Differenzen und unterschiedliche Ansätze, in denen auch unsere konfessionelle Prägung sichtbar wird. Das bereichert unseren kreativen Prozess und bremst ihn nicht aus, denn unterschiedliche Perspektiven auf religiöse Themen ist eine Stärke, die uns groß macht.
Faith spaces should be safe spaces.
In einem sind wir uns einig: “Faith spaces should be safe spaces”, also Orte des Glaubens sollten sichere Häfen sein. Das gilt für die Arbeit im Kollektiv als auch für unsere Andachten.
Und wir leben im Kollektiv sehr unterschiedlich in Konfession, Geschlecht, Sexualität, Herkunftsregion, Beruf, Lebensabschnitt… und trotzdem fällt uns auf, dass wir diverser sein könnten.
Uns fiel auf, dass wir alle weiß sind. Auch nennen wir uns zwar ökumenisch, aber wo sind denn die vielen anderen christlichen Konfessionen? Bei uns treffen sich nur zwei. Unsere Berufe sind zwar unterschiedlich, aber dennoch alle mit akademisch theologischen Hintergrund. Unser Wunsch nach Diversität und angemessener Repräsentation ist groß, gerade deswegen wollen wir noch breiter aufgestellt sein.
Aber repräsentieren wir eigentlich die Kirche? Und falls ja, welche eigentlich?
Fest steht, zuerst einmal repräsentieren wir uns, bei uns fangen wir an.
Hinter unseren Andachten stehen Menschen, die ihren Glauben leben und diesen teilen, um Anschlussstellen zu ermöglichen für alle, die partizipieren wollen, die ebenso eine Theologie vermissten wie wir. Also ja, wir sind Kirche, denn wir gestalten sie. Und in unserer Kirchengestaltung sind wir frei, denn zur Form der digitalen Gottesdienste gibt es keine Vorgaben. Daraus entsteht eine digitale, kollektive Liturgie. Ein Gottesdienst, der divers, chaotisch und selbst verfasst ist und dennoch einen roten Faden hat. Der für alle ein sicherer Hafen ist und versucht, vielstimmig zu sein.
Das ist ein hoher Anspruch, der auch Herausforderungen mit sich bringt.
Woche für Woche, mit jeder Andacht puzzeln wir an der Idee, was und wer wir als Kollektiv sein wollen, was wir wie auf die Beine stellen, und überraschen uns selbst damit.
Und so stehen wir da, fragmentarisch und immer wieder vor neuen Herausforderungen. Zum Beispiel der Frage, ob wir neue Mitglieder aufnehmen.
Bei einem Kollektiv mit einem so hohen Arbeitsaufwand, das noch am Anfang steht, ist es normal, dass Menschen kommen und gehen. Immer wieder erreichen uns Anfragen von Personen, die gerne mit dabei wären.
Wir wollen keine exklusive Gruppe sein, gleichzeitig wollen wir unseren Vibe, unsere Dynamik und unsere Arbeitsfähigkeit nicht gefährden.
Wie damit umgehen? Wir wissen es noch nicht.
Durch überraschende Elemente und inklusives Sprechen und Handeln ermöglichen wir neue Kontaktpunkte.
Das fAk ist für mich zu einem spirituellen Zuhause geworden – und so führe ich mich auch auf. Ich kann hier gemeinsam mit starken Persönlichkeiten pöbeln, singen, lachen, weinen, beten, lieben, und weiß, dass ich dabei so akzeptiert werde, wie ich bin. (Lena Müller)
Wir haben noch nicht alle Antworten darauf, was aus uns wird. Aber wir wissen, was wir von der Kirche fordern.
Wir fordern von den Menschen, die Kirche sind, dass kirchliche Gemeinschaften frei von Diskriminierung werden, dass sie Safespace werden, dass politisches Sprechen selbstverständlich wird, dass Texte schön und ansprechend sind und einen Raum für Gebet eröffnen.
Durch überraschende Elemente und inklusives Sprechen und Handeln ermöglichen wir neue Kontaktpunkte, für andere, aber auch für uns, zum Glauben und zu Gott. Denn entgegen aller Befürchtung, kann die Darstellung von einem Gott aller Geschlechter Gebet auch neu ermöglichen. Alles was wir brauchen ist mehr Mut und mehr gemeinsame Entschlossenheit.
Wir suchten eine gelebte feministische Theologie, in der wir uns wiederfinden können. Also fingen wir an sie selbst zu schaffen.
Hier sind wir. Herzlich willkommen beim [fAK].
—
Autor*innen und Beitragsbild: Lisa Quarch und Veronika Rieger