Eine regelrechte “Pope-Mania” hat das Land erfasst, als Papst Franziskus im September die Vereinigten Staaten bereiste. Die in New Orleans lehrende Theologin Judith Gruber (Loyola University) hat für „feinschwarz.net“ eine pointierte Bilanz verfasst.
Schon im Vorfeld wurde dieser Besuch mit Spannung erwartet – und das nicht nur, weil es die erste Visite eines Papstes in den USA war. Vielmehr sind es die politischen Positionierungen des Bischofs von Rom, die den Besuch ins Zentrum des landesweiten Interesses rückten, weit über die Grenzen der katholischen Minderheit hinweg, die ca. ein Viertel der Bevölkerung ausmacht – dieser Papst macht die Mission der Kirche an jenen Themen fest, entlang derer die ideologischen Bruchlinien US-amerikanischer Politik verlaufen: immigration, climate change, abortion, marriage equality.
Während die Haltung Franziskus’ zu Migrationsfragen und Klimawandel eher der demokratischen Parteilinie entspricht, finden seine Aussagen zu Sexualmoral and Familie stärkere Resonanz mit republikanischen Positionen. In den USA führen die Frontstellungen in diesen Fragen das Land immer stärker an den Rand des politischen Zusammenbruchs – so droht derzeit der extrem konservative Flügel der republikanischen Partei mit einem weiteren ‘government shutdown’, sollte der Kongress der staatlichen Finanzierung der Organisation ‘Planned Parenthood’ zustimmen, die neben Schwangerschaftsberatung, gynäkologischer Gesundheitsvorsorge und Verhütungsinformation auch Beratung bei Abtreibung anbietet. In diesem aufgeheizten Klima haben sich beide Seiten entlang der tiefen ideologischen Gräben erhofft, politisches Kapital aus dem Papstbesuch schlagen zu können.
Doch wie Franziskus sich den kontroversen Themen näherte, widersetzt sich jeder Vereinnahmung.
Doch gerade mit seiner Rede vor dem Kongress, bei der es zum ‘Show-down’ päpstlicher Schützenhilfe in den ideologischen Grabenkämpfe kommen sollte, durchkreuzte Franziskus diese Erwartungen. Nicht, dass er davor zurückgeschreckt hätte, die heißen politischen Eisen anzusprechen – im Gegenteil. Doch wie Franziskus sich den kontroversen Themen näherte, widersetzte sich jeder Vereinnahmung. Die Rede des Papstes vor dem Kongress unterlief dessen ideologische Frontstellungen und ließ sich nicht in parteipolitisches Kleingeld ummünzen. Ein Beispiel: Franziskus lädt ein, die Goldene Regel zum Maßstab politischer Entscheidungsfindung zu machen – etwa in Migrationsfragen: “This Rule,” sagt er, “points us in a clear direction. Let us treat others with the same passion and compassion with which we want to be treated. Let us seek for others the same possibilities which we seek for ourselves. … In a word, if we want security, let us give security; … if we want opportunities, let us provide opportunities.” Und dann – die Überführung zum nächsten umstrittenen Thema: “The Golden Rule also reminds us of our responsibility to protect and defend human life at every stage of its development.” Der Schutz menschlichen Lebens in jedem Stadium seiner Entwicklung – in der Abtreibungs-Debatte ein klarer Code für “pro-life”. Die Republikaner sehen sich schon in ihrer Erwartung bestätigt, dass Franzikus eindeutig gegen Abtreibung Position beziehen würde – tosender Applaus der Zustimmung erhebt sich von ihren Bänken – Applaus, der jedoch irritiert verstummt, als der Papst fortfährt: “This conviction has led me, from the beginning of my ministry, to advocate at different levels for the global abolition of the death penalty.” Diese Schlussfolgerung des Papstes entspricht gerade nicht der republikanischen Agenda – ihr Ruf für den Schutz allen Lebens wird sehr schnell sehr leise, wenn es zur Diskussion um die Abschaffung der Todestrafe kommt.
Der Papst hat sich in der politischen Kontroverse nicht festnageln lassen. Er hat sich nicht auf die eine oder die andere Seite geschlagen, sondern die Anliegen beider Seiten aufgegriffen, insofern sie auf das Gemeinwohl ausgerichtet sind – und gleichzeitig hat er aufgezeigt, dass dieses Ziel in den ideologischen Verengungen parteipolitischer Scharmützel allzuschnell aus den Augen verloren zu gehen droht. Timothy Egan kommentiert in der New York Times: “To see your political views validated, or opposed, by the vicar of Christ is to miss the point of what he said before Congress. The challenge is not to view his remarks as left or right, a yard gained or lost in a ceaseless struggle. For what is political, or even controversial, about asking people to be more openhearted, to see dignity in the forgotten and the passed over?” Dieser Diagnose ist zuzustimmen – bis auf einen Punkt: Franziskus’ Selbstpositionierung jenseits der ideologischen Sollbruchstellen ist höchst politisch: Indem der Papst die parteipolitischen Fronten durchkreuzt, justiert er die politische Auseinandersetzung neu und richtet den Fokus auf ein Ziel, das allem politischen Handeln zugrunde liegen sollte: die Würde aller Menschen, und ganz besonders die Würde der Marginalisierten.
Gleichzeitig wird in dieser politischen Botschaft auch sichtbar, in welcher Form die christliche Botschaft zur Sprache kommt – schließlich spricht der Papst als Oberhaupt einer Glaubensgemeinschaft; seine Statements zu den drängenden politischen Fragestellungen unserer Zeit versteht er klar als Glaubensaussagen. Franziskus verkündet das Evangelium, indem er auf gegenwärtige politische Handlungsrationalitäten Bezug nimmt und eine andere Logik ins Spiel bringt – eine Logik, die sich ideologischen Engführungen widersetzt und ihre potentielle Tödlichkeit aufzeigt. Erst in dieser Umdeutung etablierter Bedeutungsmuster nimmt die christliche Botschaft Gestalt an – sie ist außerhalb oder jenseits konkreter politischer Diskurse und ihrer etablierten Machtstrukturen nicht greifbar.
Für die Schriften des Neuen Testaments ereignet sich das Reich Gottes dort, wo die tödliche Logik der Pax Romana unterlaufen wird.
Die Rede des Papstes vor dem US-Kongress ist damit von einer theologischen Grammatik bestimmt, die bis in die normativen Schriften des Christentums zurückverfolgt werden kann und daher grundlegend für das Christentum ist: sie findet sich zuerst in der neutestamentlichen Botschaft vom kommenden Reich Gottes, die ein Ende der Gewaltherrschaft des Römischen Reichs, und aller irdischen Reiche, verspricht. Die Parabeln und Wundergeschichten, mit denen die Basileia Gottes vermessen wird, entwerfen die göttliche Herrschaft dabei nicht einfach als apokalyptisches Gegenbild zu Rom, das dessen oppressive Macht ersetzen und damit letztendlich replizieren würde. Die Texte haben eine tiefergehende Kritik hegemonialer Macht vor Augen: sie verwenden Strategien, die jene Strukturen unterlaufen, welche für die Etablierung und Instandhaltung von imperialer Macht notwendig sind. In seiner postkolonialen Analyse des Markusevangeliums schreibt Keith Dyer: “We glimpse some [of these strategies] (…) in the growing body of literature that hears the stories with the ears of the oppressed / minority / subaltern, alert to hidden transcripts, parody, and satire. The legion of drowning pigs, the anti-climactic entry into the Temple, and the farcical representation of Jesus’ trial have revealed undercurrents of subversive hope and humor when seen in this light. The results are diverse and not uniformly ‘anti-imperial’ – though Rome is the butt of the jokes (…) . Nor is it possible to argue from these accounts (…) that Mark envisages a bipolar reversal whereby the Kingdom of God through the parousia of Jesus defeats the Empire of Rome so that Christ takes his place at the head of the new patriarchal hierarchy. The hope that the ‘last becomes first and the first last’ is a parody of what it means to be first and last (as the extraordinary sequence Mk 9:35; 10:31, 43-4 demonstrates) and empties social rank of its meaning, just as the kingdom of God as a mustard seed and shrub (Mk 4:31-2) parodies and redefines the great nesting trees of the Daniel (4:9-12) and Ezekiel (17:23-4) visions of universal empire.” (Keith Dyer, ‘The Empire of God, the Postcolonial Jesus, and Postapocalyptic Mark’, 89). Für die Schriften des Neuen Testaments ereignet sich das Reich Gottes dort, wo die tödliche Logik der Pax Romana unterlaufen wird. Was das Evangelium ist, zeigt sich in der Subversion hegemonialer Diskurse.
Mit seinem Entwurf einer pastoralen Hermeneutik hat das Zweite Vatikanische Konzil diese Grammatik als normativ für die Theologie der Kirche festgeschrieben. Auch hier gewinnt das Evangelium erst in der Deutung der Zeichen der Zeit Bedeutung. Mit dem Zweiten Vatikanum versteht sich die Kirche als Sakrament des kommenden Reiches Gottes deshalb nicht mehr als (apokalyptisches) Gegenbild zur Welt, sondern als unlöslich verstrickt in die Welt, in deren potentiell tödlichen Diskursen sie einen Unterschied etablieren möchte. Sie strebt nicht nach einer Form von Macht, die weltliche Macht ersetzen und damit letzlich replizieren würde, sondern gewinnt Autorität, indem sie die eigennützigen Interessen etablierter Mächte aufzeigt und stattdessen die Bedürfnisse von marginalisierten Menschen in den Blickpunkt rückt und ihnen damit wieder ein Stück weit Würde zukommen lässt.
Es ist dieser Einsatz … für die Würde marginalisierter Menschen, mit der der Papst erneute Glaubwürdigkeit für die frohe Botschaft der Kirche gewonnen hat.
Seit Beginn seines Pontifikats ist Franziskus dieser theologischen Grammatik gefolgt und sie prägte auch seinen Besuch in den USA. Laurie Goodstein berichtet für die New York Times: “After delivering an address to a joint meeting of Congress, Francis went directly to the homeless at Catholic Charities — an itinerary designed to send the message that his priority, and that of the church, is the people who live at the margins. In every city he visits on this trip, the pope is using his celebrity to compel the cameras to show the nation a picture that it might rather ignore: Here in Washington, he met the homeless, and in New York he plans to visit with immigrants. In Philadelphia, he will go to a prison. As the church’s prime teaching pastor, he has made clear that he is committed to a dual purpose: to bring hope and encouragement to those who are suffering, and to galvanize the comfortable to do something for those in need.” Es ist dieser Einsatz, in Wort und Tat, für die Würde marginalisierter Menschen, mit der der Papst erneute Glaubwürdigkeit für die frohe Botschaft der Kirche gewonnen hat. Seinen Worten wird Gehör geschenkt, nicht aufgrund seiner Machtposition als Oberhaupt der katholischen Kirche, sondern weil sein Plädoyer für eine andere politische Logik der Kirche Autorität in der Welt verleiht. In einer Diskussionsrunde im öffentlich-rechtlichen Radio NPR, in der darüber debatiert wurde, warum die Positionen des Papstes für den politischen Diskurs in den USA relevant sein sollten, sagt Robert Sheer, einflussreicher Journalist und Autor: “The pope deserves more credit than anyone I know in the past 20 years for provoking the important debates we need to have at this time. I think – hands down – that he is great.” (Erst) wenn die Kirche Spuren der Hoffnung inmitten von Unterdrückung und Tod aufzeigt, kann sie zu einer prophetischen Stimme für das kommende Reich Gottes werden.
Letztendlich bedeutet diese Grammatik christlicher Soteriologie aber auch, dass die Heilsbotschaft des Christentums nicht ein für alle mal gegeben ist. Sie lässt nicht auf eine ursprüngliche Sprache, einen selbstständigen Text zurückverfolgen, sondern war immer schon abhängig von anderen Diskursen, in denen sie einen Unterschied etabliert. Diese anderen Sprachen und ihre Bedeutungsmuster haben sich damit auch von Anfang an unwiderruflich tief in die normativen Texte des Christentums eingeschrieben. Das Evangelium kann nicht auf einen klar umrissenen, autochthonen Materialbestand reduziert werden, sondern wird nur in einer spezifischen Form greifbar: in der Kritik und Subversion etablierter politischer Diskurse. Die Heilsbotschaft steht der Kirche nicht als wertvolles – und unveränderliches – Depositum zur Verfügung, sondern ereignet sich dort, wo die potentielle Tödlichkeit hegemonialer Handlungsrationalitäten aufgezeigt und unterlaufen wird. Wenn das Evangelium dort Gestalt annimmt, wo die potentiell gewaltvolle Logik etablierter Bedeutungsmuster kritisiert wird, muss deshalb auch die Kirche selbst stets ihre eigenen Diskurse hinterfragen: haben sie noch kritisches, prophetisches Gewicht, oder sind sie durch ideologische Engführungen zu gefährlichen Mitteln der Unterdrückung geworden?
Auch zu dieser Reflexion gibt der Papstbesuch Anstoß: Beim „World Meeting of Families Festival“ in Philadelphia wich Franziskus vom vorbereiteten Skript ab und verlas nicht jene Rede, die zur politisch herausforderndsten seines Besuches hätte werden sollen, da sie die klar für staatliche Gesundheitsvorsorge und Arbeiterrechte eingetreten wäre. Stattdessen hielt er eine improvisierte Ansprache über „God, love, and family“. Olivia Smith berichtet für ABCNews: „‘All the love and beauty God has in himself, he gives it to the family,“ the pope said. …“You know what [God] likes most? To knock on the doors of families and to find the families who love each other, families who bring up their children to grow and help move forward to create, develop a society of truth, goodness and beauty,“ he added. The pope even joked about family life not being easy and that he knows about the problems they face — despite being a single man. „Families have difficulties, families fight, sometimes plates can fly. Children bring headaches. I won’t speak about mother-in-laws,“ he said. „With families, there is always light. … The family is like a factory of hope, a factory of Resurrection.“.’ Für die meisten KommentatorInnen war diese Ansprache ein weiterer Beweis für die pastorale Haltung dieses Papstes: Rory Caroll schreibt in The Guardian: „The pastoral address ignored the culture wars and instead veered between piety, homespun advice and laughs – including a line about mothers-in-law. … It was the Argentinean pontiff in parish priest mode, speaking from the heart, and off-the-cuff, to a flock which happened to include a live, global television audience.” Doch Franziskus’ scherzhafter Ton ist nicht harmlos – und er wird gerade nicht der Pastoralität christlicher Theologie gerecht, für die das Evangelium dann Gestalt annimmt, wenn sie die potentielle Tödlichkeit ideologischer Engführungen in etablierten Diskursen aufzeigt. Im Gegenteil: Er ist ein weiterer Baustein in der Idealisierung heteronorm konnotierter Familienbilder, hinter der sich ein Gewaltpotential verbirgt, das durch ihre Naturalisierung in der katholischen Tradition nicht kritisiert, sondern normalisiert und legitimisiert wird. Amanda Osheim weist darauf im Blog ‘Daily Theology’ hin: “Francis clearly intended to make a joke, and a number of people in the audience laughed in response. I am not going to concentrate here on the trope about mothers-in-law, which is a deeply sexist stereotype in itself. Rather, I am focusing on Francis’ dismissal of the violence of ‘flying plates.’ Domestic violence is a reality for many families, and flying plates are part of that violence. … Ignoring or laughing off the connection between “flying plates” and domestic violence both normalizes violence and serves to silence those who are vulnerable to violence. … While I cannot imagine that Francis intended to make a joke of families who live with domestic violence, I also cannot imagine that his words – or the laughter of his audience – offered these families any sense that the church knows their reality, speaks out against their abuse, or helps them find a path out of danger. Instead, tacit permission was given for the cycle of violence and hope to continue. … The church must not be silent on domestic violence, and when we speak it should be no joke.”
… eine Kirche, die weiß, dass sie nicht über das Evangelium verfügt, sondern ihm immer wieder neu auf der Spur ist…
Diese blinden Flecken, die auch in den Evangelisierungsanstrengungen des Papstes aufzuzeigen sind, sind ein Hinweis darauf, dass die Kirche kein Monopol auf die Heilsbotschaft Gottes hat – stärker noch: dass auch die Tradition der Kirche nicht vor ideologischen Engführungen gefeit ist, die dem Evangelium vom kommenden Reich Gottes nicht Raum verschaffen, sondern ihm im Weg stehen. Wenn die Kirche der Heilsbotschaft Gottes gerecht werden will, muss sie eine achtsame und wachsame Kirche sein und werden – eine Kirche, die weiß, dass sie nicht über das Evangelium verfügt, sondern ihm immer wieder neu auf der Spur ist, auf dass es inmitten von Unterdrückung und Ausgrenzung Wirklichkeit werden kann. Gemeinsam mit dem Bischof von Rom ist sie auf dem Weg.
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Erst nach der Abreise des Papstes (und nach der Fertigstellung dieses Kommentars) wurde bekannt, dass es in Washington zu einem kurzen Treffen des Papstes mit Kim Davis kam – jener Beamtin und evangelikalen Christin, die versucht, ihre Weigerung, same-sex marriage licences auszustellen, mit ihrem Recht auf Religionsfreiheit zu begründen. Seitdem wird heftig spekuliert, ob Franziskus mit diesem Treffen ihre Position unterstützt – und damit auch, kurz vor der Familiensynode, konservativen Kreisen in seiner Kirche Repräsentanz geben wollte. In einem Statement, das der Vatikan mittlerweile veröffentlichte, wird dagegen betont dass „The Pope did not enter into the details of the situation of Mrs. Davis and his meeting with her should not be considered a form of support of her position in all of its particular and complex aspects.“ Trotz dieser Klarstellung bleibt ein etwas schaler Eindruck zurück – Sylvia Poggioli kommentiert im öffentlich-rechtlichen Radio: “When news of the meeting broke after the Pope’s return to Rome, it had the appearance of having been furtive and contrasted with Francis‘ open and transparent style. It also cast a shadow over the pope’s overwhelmingly successful visit to the United States.” Fragen bleiben offen – wer etwa hat das Treffen organisiert? Wessen Interessen wurden hier vertreten? Sie rücken auch meine obigen Überlegungen noch einmal in ein neues Licht: Mit Kim Davis wird die Prekarität des formalen Kritieriums der christlichen Botschaft virulent. Hier wird offenbar, dass die theologische Grammatik der Subversion von Hegemonie keine eindeutige und einlinige Botschaft produziert, sondern ambivalent bleibt und diskrepante Interpretationen der Heilsbotschaft des Christentums erlaubt. Sie produziert eine Pluralität an Christentümern und Katholizismen – die sich aber alle der normativen Frage stellen müssen, inwiefern sie hegemoniale Strukturen unterminieren und dadurch würdevolles Leben für alle, und ganz besonders für die Ausgeschlossenen ermöglichen. Über diese Diskrepanzen hinweg kann Katholizität dann (nur) als Konflikt bestimmt werden: inmitten tiefschürfender Unterschiede wird die Einheit der Kirche durch und im Verhandeln ihrer Identität konstituiert – sie ist damit eschatologisches Ziel, aber auch eine (kirchen)politische Machtfrage: Wessen Stimme wird gehört? In dieser ekklesiologischen Grammatik, die Konsequenz der soteriologischen Grammatik des Christentums ist, erhält die Rolle des Papstes als Pontifex besondere Bedeutung: Als Brückenbauer ist er die Figur, an der die Auseinandersetzungen um die Balance und Tragfähigkeit der disparaten Verkündigung des Evangeliums zusammenlaufen – er ist die Figur, an der sichtbar wird, dass Katholizität work in progress ist.