Leser*brief von Johannes Böhm zum Beitrag “ Der Schweizer Weg im Umgang mit geistlichem Missbrauch“ von Michał Bursztyn vom 12. September 2024.
Der Beitrag stellt u. a. die Frage, „wie Beichtzimmer oder gar Beichtstühle im Sinne der Prävention gestaltet werden sollten. Wir können nicht mehr beichten wie bisher.“
Dazu möchte ich einige Beispiele aus eigenem Erleben mitteilen.
Paris im Jahre 2010. In einer der Innenstadtkirchen – möglicherweise in Notre Dame – sah ich in einer Seitenkapelle ein „gläsernes“ Beichtzimmer, in dem zwei Stühle standen. Eine Möglichkeit zu Beichten, die öffentlich sichtbar ist und dennoch die Diskretion wahrt. Allerdings war er gerade nicht in Gebrauch.
In Polen findet seit dem 17. Jahrhundert in jedem Jahr vom 6. bis 14. August die Fußwallfahrt von Warschau nach Tschenstochau statt, wo auf dem Jasna Góra das Gnadenbild der Schwarzen Madonna verehrt wird. In den 70er Jahren nahm ich daran teil. Die ca. 30.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer liefen in Gruppen zu 500 Personen. Am Gruppenende gab es die Möglichkeit, das Bußsakrament zu empfangen – für alle sichtbar, aber außer Hörweite.
Bei der Studentenwallfahrt nach Rosental in der Lausitz vollzog sich mein Beichtgespräch während eines Spaziergangs auf einem Weg, auf dem uns immer wieder Menschen entgegenkamen.
Am Ziel des Jakobsweges erlebte ich im Jahr 2010 in der Kathedrale von Santiago de Compostela drei verschiedene Möglichkeiten zu beichten:
– An den herkömmlichen Beichtstühlen kniete die/der Beichtende nicht an der Seite, sondern vor dem Priester. Ein Schild am Beichtstuhl informierte über die möglichen Sprachen. – Im Internet gibt es Fotos, wie Papst Franziskus auf diese Weise im Petersdom beichtet.
– In der Kathedrale treffen die Bankreihen von Mittelschiff und Querschiffen vor dem Altar in einem Halbkreis aufeinander. Vor Beginn der Pilgermesse standen – mit etwas Abstand – paarweise Sitze vor der ersten Bankreihe für Priester und Beichtende.
– Meine Beichte fand nicht in der Kathedrale statt. Mit dem Priester ging ich in ein benachbartes Gebäude. Im Innenhof, der von breiten Gängen umgeben war, setzten wir uns zum Beichtgespräch auf eine Bank. Ab und zu kamen Leute vorbei, weil der Weg zu einem Restaurant führte. Aber hier war es ruhiger als in der Kathedrale, in der wegen der vielen Pilger immer ein gewisser Geräuschpegel vorhanden war.
Angesichts des Missbrauchskandals ist es notwendig, jeglichen Möglichkeiten zum Missbrauch oder auch den Anbahnungen dazu bei der Beichte vorzubeugen. Dabei gilt es, sowohl öffentliche Sichtbarkeit als auch Diskretion zu gewährleisten.
Diese wenigen Beispiele möchten zum Weiterdenken anregen.
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Johannes Böhm, Dresden