Es gibt ihn erst seit kurzem wieder, seine Stellung ist prekär und irgendwie sitzt er zwischen vielen Stühlen: der Ständige Diakon der Katholischen Kirche. Das könnte seine Chance sein. Von Rainer Bucher.
Was unterscheidet Diakone, hier und heute, von den anderen Ämtern und Diensten der Kirche? Was ist das Besondere an den Ständigen Diakonen?
Was ist das Besondere?
Zum ersten und irgendwie am faszinierendsten: Diakone hat es über viele Jahrhunderte nicht gegeben. Der Ständige Diakonat verliert sich mit der spätantiken Sazerdotalisierung der kirchlichen Ämter, im Mittelalter und in der Neuzeit bis zum II. Vatikanum gab es den Diakon in der römisch-katholischen Kirche nur als Durchgangsstation zum Priestertum.
Ständige Diakone sind zudem weit überwiegend verheiratete Männer. Das unterscheidet sie vom Diakon auf dem Weg zum Priester und natürlich überhaupt von allen anderen Klerikern in der katholischen Kirche – sieht man von verheirateten Priestern in den unierten Ostkirchen oder konvertierten Protestanten ab.
Drittens aber: Als Diakone sind sie zwar Kleriker, also keine „Laien“, aber „auf einer niedrigeren Stufe der Hierarchie“, wie es in Lumen gentium 29.1 heißt. Der Vatikan hat diesen Abstand 2009 mit dem Motu proprio „Omnium in mentem“ kirchenrechtlich bekanntlich zur allseitigen Freude noch ein wenig vergrößert.
Alle drei Elemente machen den Ständigen Diakon zu einem etwas prekären Amt. Prekär meint hier nicht zuerst, wie umgangssprachlich, heikel, schwierig und problematisch, sondern ganz wörtlich „precarius“: auf Widerruf gewährt, unsicher, vielleicht vorübergehend. Schließlich heißt es in Lumen gentium 29.2 ganz lapidar, dass es den „zuständigen verschiedenartigen örtlichen Zusammenschlüssen der Bischöfe“ zukomme, „zu entscheiden, ob und wo es für die Seelsorge angebracht ist, dass derartige Diakone eingesetzt werden.“ Deutlicher kann man nicht signalisieren: Euch kann es, muss es aber nicht geben.
Konfrontationen
Nun konfrontieren diese drei Spezifika des Ständigen Diakons die katholische Kirche auch tatsächlich mit drei heiklen Realitäten ihrer selbst. Dass es den Ständigen Diakon über viele Jahrhunderte nicht gegeben hat, konfrontiert die Kirche mit der Geschichtlichkeit ihrer eigenen Ämter, die beim Ständigen Diakon sogar bis zu dessen Abschaffung führte.
Dass, zweitens, der Ständige Diakon zumeist verheiratet, also legitim sexuell aktiv und gleichzeitig Kleriker und liturgisch am Altar tätig ist, konfrontiert die katholische Kirche mit ihrer eigenen, immer noch ein wenig heiklen Einstellung zum Verhältnis von Sexualität und Kult. Der Zölibat ist schließlich vor allem auf Grund der spätantiken Wiederaufnahme außerchristlicher kultischer Reinheitsvorschriften in die Kirche eingewandert.
Dass schließlich, drittens, der Ständige Diakon Kleriker ist, aber keine Eucharistievollmacht besitzt, was genau spätestens seit dem Frühmittelalter den Kleriker ausmachte und schließlich auch seine Jurisdiktionsvollmacht begründete, das konfrontiert die Kirche mit ihrer eigenen Machtgeschichte, die nun seit einiger Zeit real eine Entmachtungs- und Abstiegsgeschichte geworden ist. Was aber bedeutet das alles für Ständige Diakone?
Konsequenzen
Dass es ihr Amt jahrhundertelang nicht gegeben hat, bedeutet schlicht, dass das, wofür es dieses Amt gab, durch andere besetzt ist. Wie immer man die lange und komplexe Geschichte zusammenfasst, wofür es Diakone und Diakoninnen in der antiken Kirche gab, deutlich ist, dass es zwei große Felder waren: zum einen der Dienst an den Geringen und Geringsten, und dann eben auch, wenn auch wahrscheinlich von Anfang an eher untergeordnet, der liturgische Dienst.
Für Diakonie wie Liturgie aber gilt: Beide Felder sind heute von anderen besetzt. Die Diakonie wird in unseren Breiten von der hoch professionalisierten Caritas geleistet, die Liturgie aber eben immer noch vor allem vom Priester vollzogen, zudem drängen auch immer mehr Laien, ermutigt durch die Volk-Gottes-Theologie des II. Vatikanums, in liturgische Vollzüge.
Was aber bedeutet das Verheiratetsein der Diakone? Die entsprechenden Selbstverständnistexte rekurrieren auf die Lebenserfahrung und Nähe zu der Lebenswirklichkeit der Nicht-Kleriker, die Verheiratetsein bedeutet. Aber das Verheiratetsein bedeutet eben auch, mit der jahrhundertelangen Gegenüberstellung von Sexualität und Kult im Sinne von Unreinheit und Reinheit zu brechen. Wie schwer das unserer Kirche immer noch fällt, sieht man auch daran, dass sie sich nicht entschließen kann, Frauen zu Diakoninnen zu weihen.
Hier wie im dritten Bereich, die „niedrigste Stufe“ innerhalb der klerikalen Hierarchie zu sein, müssen Diakone damit umgehen, gewollt, aber irgendwie nicht ganz gleichrangig zu sein und von den Laien zu den Klerikern gerechnet, von diesen aber dann doch nicht wirklich von gleich zu gleich behandelt zu werden.
Vom Stigma zum Charisma
In dieser Situation bleibt nur eine Strategie, eine Strategie, die man sogar als zentrale Strategie Jesu analysiert hat: das Stigma zum Charisma zu machen. Das setzt enorme Souveränität voraus und wirkliche Distanz zu Fremdzuschreibungen: Das Gute daran aber ist, dass es eigentlich nur einer einzigen kleinen Verschiebung, genauer: einer Umkehrung bedarf.
Stigmata in den Augen anderer zu Charismen in den eigenen Augen zu machen, setzt zweierlei voraus: anzuerkennen, dass ich in einer heiklen und prekären Situation bin, und zweitens die Kraft und Souveränität, gegen diese Abwertung durch andere Um- und Aufwertungen durch einen selbst zu setzen. Was könnte dies für den Ständigen Diakon bedeuten?
Aus dem Stigma, dass die klassischen Handlungsfelder Diakonie und Liturgie von anderen besetzt sind, wie wird daraus ein Charisma? Indem man dieses Zuspätkommen als herrliche Freiheit interpretiert.
Aus dem Stigma, verheiratete, sexuell legitim aktive Kleriker zu sein, wie wird daraus ein Charisma? Indem man die prophetische Existenz einer nach-patriarchalen, von allen unjesuanischen Verständnissen von kultischer Reinheit freien Form des katholischen Klerus praktiziert.
Aus dem Stigma, irgendwie nur nachrangige Kleriker zu sein, die nicht „in persona Christi capitis“ handeln können, wie wird daraus ein Charisma? Indem man den Klerikalismus endgültig überwindet.
Diakone könnten so etwas wie „das freie, das unfestgelegte Amt“ einer Kirche sein, die sich in ihren Sozialformen immer weiter verflüssigt, die nicht genau weiß, wie es weitergeht mit ihr, weil man gar nicht genau wissen kann, wie es kulturell und gesellschaftlich, religiös und eben auch kirchlich weitergeht.
Das unfestgelegte Amt
Diakone könnten jener Teil des Klerus sein, der in seiner Unfestgestelltheit, Unfestgelegtheit am zukunftsfähigsten ist; freilich nur, wenn er diese Unfestgestelltheit nicht als Defizit erlebt, sondern sie in Kreativität und Flexibilität umgesetzt wird. Feste Rollen werden zukünftig sowieso nicht mehr tragen, das spüren gegenwärtig die Priester und vielleicht sogar manche Bischöfe. Notwendig ist situative Flexibilität, ist der Vorrang der pastoralen Aufgabenorientierung vor der Jahrhunderte alten Sozialform- und Rollenorientierung.
Und dann sind Diakone eben geweiht. Die Weihe kann eine wichtige Hilfe sein, das, was in der Perspektive früherer kirchlicher Zeiten und Theologien als Stigma erscheint, in Charismen, in Gaben und Chancen umzuwerten und auch so erleben und wirken zu lassen. Denn dass es so etwas wie eine sakramentale Weihe im Volk Gottes gibt, ist ja eine wirkliche Chance. Es ist die personale Institutionalisierung des Glaubens des Volkes Gottes an die größere Gnade Gottes. Es ist die feierliche Institutionalisierung des Glaubens, dass Gott sich den Menschen unwiderruflich und mit unkränkbarer Ausdauer zuwendet. Dafür gibt es Weihen in der Kirche. Sie geben nicht die Sicherheit von Vorrechten und Rollen, sondern den Zuspruch zum Risiko.
Dass Ständige Diakone frei sind von alten Festlegungen und vordefinierten Aufgabenfeldern, dass sie frei sind von den patriarchalen Traditionen des kirchlichen Amtes, dass sie frei sind vom Klerikalismus und seiner Versuchung der Macht, das erweist sich als schwierige Chance. Ständige Diakone sind so etwas wie das unfestgestellte, unfestgelegte, das freie Weiheamt, frei von den Belastungen der Macht, des Patriarchalismus und des Klerikalismus in einer Kirche, die gerade einer ziemlich offenen und unsicheren Zukunft entgegengeht.
Dass es da unbedingt wünschenswert wäre, endlich Frauen zu Diakoninnen zu weihen, sei noch erwähnt. Es ist eigentlich selbstverständlich.
https://www.feinschwarz.net/es-ist-angerichtet-argumente-fuer-den-frauendiakonat/
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Rainer Bucher ist Professor für Pastoraltheologie an der Universität Graz.
Photo: Rainer Bucher