Der Synodale Weg der katholischen Kirche ist in aller Munde. Chance zum Aufbruch oder wieder mal nur Gerede? Wird sich die katholische Kirche zu einer größeren Gleichbereichtigung zwischen Männern und Frauen, Laien und Geweihten entscheiden können? An der „Frauenfrage“ hängt der Erfolg des Synodalen Weges, so Claudia Lücking-Michel.
Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen gibt es in unserer Gesellschaft wenigstens schon auf dem Papier, auch wenn die Wirklichkeit oft genug dahinter zurückbleibt. In der katholischen Kirche jedoch, existiert sie noch nicht einmal auf dem Papier. Ja mehr noch: Kirche verstärkt in ihrem eigenen Raum gesellschaftliche Missstände in Blick auf Frauen noch einmal deutlich, da klerikale Männerbünde weiterhin funktionieren und ihre mysogynen Frauenbilder wirkmächtig pflegen. Viele Frauen erleben eine starke Diskrepanz zwischen ihrem eigenen Selbstverständnis, ihrer Lebenswirklichkeit als Frau in einer modernen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts auf der einen und kirchlichen Positionen auf der anderen Seite. Diese Schieflage wird aber nicht etwa als Missstand gesehen, der zu beheben ist, sondern die strukturelle Benachteiligung von Frauen wird nach wie vor mit angeblich theologischen Argumenten gerechtfertigt und jeder Kritik entzogen.
Klerikale Männerbünde pflegen ihre mysogynen Frauenbilder.
Der Synodalen Weg weckt jetzt viele Hoffnungen auch bei den Frauen. Es geht dabei um viel mehr als um eine Frage der Gerechtigkeit. Es geht um die Zukunft unserer Kirche! Der Erfolg des ganzen Synodalen Prozesses wird sich deshalb daran messen lassen müssen, ob in der Frauenfrage neue Meilensteine erreicht wurden.
Ebenso wie bei den anderen Themen, die beim Synodalen Weg jetzt aufgerufen werden, steht mit der Frauenfrage ein Problem an, das viel zu lange ignoriert und verschleppt wurden. Die deutschen Bischöfe widmeten ihm zwar bereits 1981 ein eigenes Hirtenwort „Zu Fragen der Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft“. Damals sprachen sie von einer Kirche, die „ein Modell für das gleichwertige und partnerschaftliche Zusammenleben und -wirken von Männern und Frauen sein“ sollte. Dieser Vision sind wir leider in all den Jahren nur wenig nähergekommen. Es wäre umgekehrt geradezu zum Fürchten, wenn Kirche in diesem Punkt Modell für unsere Gesellschaft würde.
Der Erfolg des ganzen Synodalen Prozesses wird sich deshalb daran messen lassen müssen, ob in der Frauenfrage neue Meilensteine erreicht wurden.
„Mehr Frauen in kirchlichen Führungspositionen“ – das ist mittlerweile ein Dauerthema der Bischofskonferenz und cantus firmus bei Gesprächen mit Bischöfen. Wer Professorinnen auf theologischen Lehrstühlen zählt, Frauen in Leitungsämtern von kirchlichen Organisationen oder in den Bistumsgremien selbst, stellt fest, dass die Entwicklung in die richtige Richtung geht. Mit dem Mentoring-Programm von Hildegardisverein und Bischofskonferenz existiert eine effektive frauenbezogene Personalentwicklungsmaßnahme. Trotzdem bleiben weiterhin viel zu viele Führungsämter quasi „gewohnheitsmäßig“ Priestern vorbehalten, ohne dass formal eine Weihe nötig wäre. Was ist etwa mit den Chefs der großen Hilfswerke, dem Sekretär der Bischofskonferenz, Akademiedirektoren, kirchlichen Behördenleitern – um nur einige Beispiele zu nennen? Frauen haben heutzutage zwar Aufgaben und Funktionen übernommen, von denen frühere Generationen nicht zu träumen gewagt hätten, aber der Zugang zu den entscheidenden Macht- und Funktionsstellen ist ihnen weiterhin verwehrt.
Der Zugang zu den entscheidenden Macht- und Funktionsstellen bleibt Frauen weiterhin verwehrt.
Ein gerechter offener Zugang aller Getauften und Gefirmten zu allen Dienstformen und Ämtern, die die Kirche bereithält, ist theologisch möglich und strukturell nicht nur wünschenswert, sondern zwingend. Das gilt auch und besonders unter kritischer Würdigung der biblischen Befunde, der historischen Beispiele und einer überzeugenden theologischen Argumentation. Jedes einzelne gemeinhin vorgetragene Argument gegen die Frauenordination kann man nicht nur widerlegen, sondern geradezu zerpflücken. Aber ganz ehrlich, eine Antwort auf manch nach wie vor vorgetragene Begründung widerspricht eigentlich der Berufsehre von studierten Theologinnen und Theologen.
Jedes einzelne gemeinhin vorgetragene Argument gegen die Frauenordination kann man nicht nur widerlegen, sondern geradezu zerpflücken.
In der katholischen Kirche haben wir eine spezifische Ämtertheologie und historisch gewachsene Formate. Die Unterscheidung von einzelnen Diensten innerhalb des einen sakramentalen Ordos, samt deren jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen hat sich historisch über die Jahrtausende entwickelt und die konkrete Wirklichkeit der kirchlichen Ämter hat sich dabei ständig verändert. Manche Formen (etwa die Niederen Weihen) sind wieder verschwunden, andere mit dem II. Vatikanum neu belebt (das Ständige Diakonat). Welchen ernstzunehmenden Grund sollte es geben, diese Entwicklung jetzt gerade im Jahr 2019 einzufrieren? Natürlich kann man – und muss man zwangsläufig – die Profile der kirchlichen Ämter auch in Zukunft weiterentwickeln.
Vorgearbeitet haben viele. Seit der Würzburger Synode in den 70er Jahren steht die Forderung nach dem Diakonat für Frauen im Raum. Beide großen katholischen Frauenverbände, die kfd und der Katholische Deutsche Frauenbund, sind seit vielen Jahren mit diesem Anliegen unterwegs. Beide Verbände gehen in ihren Beschlusslagen aber mittlerweile weiter und fordern die Zulassung von allen Getauften und Gefirmten zu allen Weiheämtern. Das Gleiche gilt für das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, der Vertretung aller katholischen Laien in Deutschland. Der sog. Osnabrücker Kongress 2017 forderte eindeutig: „Die Beweislast ist umgekehrt. Nicht die Zulassung von Frauen zu den Ämtern ist begründungspflichtig, sondern deren Ausschluss.“
Zulassung von allen Getauften und Gefirmten zu allen Weiheämtern
Trotzdem werden Forderungen an die künftige Gestalt von Kirche bzw. ihrer Ämter und Dienste, viel zu oft als reine Interessensfragen von Frauen abgewertet und die Debatte als Machtkampf desavouiert. Natürlich, es ist auch ein Machtkampf. Der Zugang zu den Weiheämtern ist vor allem ein Zugang zu vielfältigen Formen von Macht. Das Gegenargument „es geht hier um Dienst und nicht um Macht“ ist scheinheilig und schwer erträglich, wenn es von den „Mächtigen“ den „Niedrigen“ entgegengehalten wird. Man sollte zwar erwarten, dass diese Macht im Sinne des Evangeliums und im Dienste aller eingesetzt wird, doch es ist nicht in Ordnung, wenn den einen nur der Dienst und den anderen die Macht angeboten wird.
Das Argument „es geht hier um Dienst und nicht um Macht“ ist scheinheilig und schwer erträglich.
Dass sich bisher nichts geändert hat, liegt nicht daran, dass noch Argumente fehlten. Es fehlt an dem Willen zur Veränderung, weil es für Kirchenmänner eine Einschränkung ihrer eigenen Macht bedeuten würde. Kirche kann sich aber nicht mehr erlauben, Talente, Begabungen und Berufungen der Hälfte ihrer Mitglieder ungenutzt zu lassen, weil sie den falschen Chromosomensatz haben.
Das Tagesschaubild aus Lingen mit Bischöfen in vollem Ornat, die statt mit den Frauen draußen im Regen zu diskutieren, ihnen aus dem Bus zuwinken, spricht Bände. Mit dem Entschluss zum sog. „Synodalen Weg“ hat eine Mehrheit von ihnen dann immerhin eingeräumt, „dass sich die Systemprobleme kirchlichen Machtmissbrauchs nur in einer veränderten geistlichen wie theologischen Auffassung von Macht und wirklicher Machtteilung im ganzen Volk Gottes bearbeiten lässt.“ (Gregor Maria Hoff) Am Ende haben die Frauen im Regen wahrscheinlich mehr bewirkt als sie in dem Moment geahnt haben.
Das Tagesschaubild aus Lingen mit Bischöfen in vollem Ornat, die statt mit den Frauen draußen im Regen zu diskutieren, ihnen aus dem Bus zuwinken, spricht Bände.
Wie zentral die Frauenfrage für die Zukunft der Kirche und damit für den Erfolg des Synodalen Wegs ist, hätte für alle von Anfang an deutlich sein müssen. Doch unter den drei Themen, die im Rahmen von sog. Foren im Synodalen Weg behandelt werden sollten, waren zwar wichtige Anliegen wie „Macht- und Gewaltenteilung“, „Sexualmoral“ und „priesterliche Lebensformen“, aber nein, das Frauenthema war nicht vorgesehen. Die Reaktion eines Verantwortlichen, Frauen seien ja in allen drei Themen mitgemeint und kämen damit auch vor, beruhigt nicht. Bei Bedarf kann man trotzdem auf dieses Argument zurückkommen, wenn es etwa um die Priester geht.
Zunächst sah der Synodale Weg drei Foren vor – das Frauenthema fehlte.
Es war folgerichtig, dass die ZdK Vollversammlung im Mai nicht nur mit Vehemenz einforderte, dass bei einem Dialog auf Augenhöhe beide Seiten die Agenda bestimmen müssen, sondern mit ebensolcher Vehemenz auch gleich das Frauenthema vorschlug.
Gleichzeitig lief Maria 2.0 zur Hochform auf. Das richtige Thema, zum richtigen Zeitpunkt, verbunden mit guten Aktionsideen, einem pfiffigen Titel und starken Bildern. Es zeigte sich schnell, dass auch ohne große Absprachen und Planungen das Anliegen wie in einem Lauffeuer aufgegriffen und öffentlichkeitswirksam vorgetragen wurde. Nicht nur einige wenige „linken Funktionärinnen“ fordern hier Veränderungen, sondern das Anliegen treibt ganz „normale fromme katholische Frauen“ auf die Barrikaden. Wenn es sein muss mit Rollator. Nicht länger wollen sie schweigen!
Das vierte Forum kam, die Besetzung der Arbeitsgruppe war prominent, das Exposé-Papier ist mittlerweile veröffentlicht.
Der Protest war erfolgreich…das vierte Forum kam: „Frauen in Diensten und Ämtern inder Kirche“.
Die allfälligen Gegenargumente kamen ebenso schnell:
- Im Synodalen Weg dürften nur Themen behandelt werden, die auch auf der Ebene der deutschen Ortskirche entschieden werden könnten, also gerade nicht das Thema „Frauen und Weiheamt“.
Nein, man muss über alles reden, sich Meinungen bilden und Voten formulieren können. - Die Mitwirkenden beim Synodalen Weg wollten mit ihrem deutschen Sonderweg die ganze Welt bestimmen.
Auch das nicht. Aber die Stimme der deutschen Ortskirche sollte deutlich vernehmbar sein, im Konzert der Weltkirche. - Veränderungen in der Frauenfrage würden Spaltung bedeuten.
Angesichts der Mehrheitsverhältnisse bei den Abstimmungen in der Bischofskonferenz fragt man sich, wo die eigentlichen Spalter sitzen. Auch aggressives Beharren ist eine Form von Spaltung. Und wer auf die aktuellen Austrittszahlen schaut, stellt fest, hier findet bereits Spaltung statt. Dieses Fanal wird aber immer noch zu wenig beachtet, weil viele einfach leise gehen, statt laut die Tür hinter sich zuzuschlagen.
Es ist jetzt schon deutlich, dass die Frauen in der Pilgergruppe, die zum Synodalen Weg aufbricht, viel Kraft und Herzblut einbringen. Und das, obwohl sie nach der aktuellen Satzung nur etwa 50 von mehr als 200 Delegierten ausmachen werden. Aber sie werden nicht diejenigen sein, die für den Wandertag den Kaffee kochen und die Butterbrote schmieren.
Nur etwa 50 der mehr als 200 Delegierten sind Frauen.
Sie fordern Gerechtigkeit. Dabei sind viele so erzogen, dass sie kaum etwas für sich selbst fordern. Sie kämpfen für ihre Töchter, die sie schon lange kritisch fragen, wie man zu so einer frauenfeindlichen Kirche (noch) gehören kann. Sie kämpfen für ihre Mütter, einer Frauengeneration, der gegenüber sich Kirche besonders viel zuschulden hat kommen lassen (hoffentlich wird das im Forum „Sexualmoral“ diskutiert, Sexueller Missbrauch von Frauen, Humane vitae und die Folgen, Umgang mit „ledigen“ Müttern, Geistlicher Missbrauch).
Wir brauchen in der Gruppe Frauen und Männer, die vorauseilen: Vor dem II. Vatikanum wurde die Messe auf Deutsch gefeiert, lange bevor das erlaubt war. Männer haben sich zu Ständigen Diakonen ausbilden lassen und standen parat, als die entsprechende Weihe dann eingeführt wurde. Wer weiß, ob es ohne diesen Ungehorsam einiger weniger für alle anderen dazu gekommen wäre. So gilt auch für die Frauenfrage: Der Synodale Weg sollte in seinen Beschlüssen alles ausreizen, was jetzt schon möglich ist, und bei dem was (noch) unmöglich ist, zur Not Tabus brechen. Ohne die Liturgische Bewegung würde die Messe womöglich heute noch auf Latein „gelesen“.
Der Synodale Weg sollte in seinen Beschlüssen alles ausreizen, was jetzt schon möglich ist, und bei dem was (noch) unmöglich ist, zur Not Tabus brechen.
Der (Synodale) Weg wird lang und anstrengend und hinter jeder Wegkurve tauchen weitere Herausforderungen auf. Für so einen Marsch braucht man gute Schuhe, ausreichend Verpflegung und ein klares Ziel vor Augen. Das heißt nicht Evangelisierung oder Reform, sondern Reform um der Evangelisierung willen. Unser Glaube hat eine horizont- und perspektiveröffnende Kraft, er kann befreiend und lebensspendend wirken. Ob und wie dies unter den Bedingungen moderner Lebensformen in Zukunft vermittelbar sein wird, lohnt alle Anstrengungen. Der Synodale Weg ist eine Chance – wir Frauen sollten sie nutzen.
Autorin: Dr. Claudia Lücking-Michel ist Vizepräsidentin des ZdK, Vorsitzende der AGEH und leitet – zusammen mit Bischof Wiesemann – das Forum „Macht, Partizipation und Gewaltenteilung“ des Synodalen Weges.
Bild: Tyler Nix, www.unsplash.com