Zum «Tag der Diakonin» macht sich Birgit Weiler Gedanken aus lateinamerikanischer Perspektive. Mit dem Diakonat der Frau würde anerkannt, dass kirchliche Präsenz in Lateinamerika an den sozialen und kulturellen Brennpunkten sowie in entlegenen Gebieten mehrheitlich von Frauen gelebt wird.
Heute, am 29. April, ist der Festtag der Heiligen Katharina von Siena (1347-1380) und zugleich der Tag der Diakonin, was kein Zufall ist. Denn Katharina von Siena macht uns mit ihrem Lebenszeugnis Mut zu freimütiger Rede, die sie in ihrer Zeit gegenüber weltlichen und kirchlichen Autoritäten, einschließlich des Papstes, praktizierte. Sie betrachtete es als ihre Gewissenspflicht, auch unangenehme Wahrheiten auszusprechen, bewegt von ihrer tiefen Liebe zur Kirche.
Eine wachsende Zahl von Frauen nimmt in sich eine Berufung zur Diakonin als einem sakramentalen Dienst wahr
Im Geist Katharinas von Siena möchte ich hier einige Überlegungen zum Prozess der Wahrheitssuche beitragen im Bewusstsein, dass die Wahrheit nur im geduldigen Hören aufeinander und auf Gottes Geistkraft sowie im respektvollen Ringen um sie gefunden werden kann. Ausgangspunkt meiner Überlegungen sind meine Erfahrungen in der Kirche Lateinamerikas, vor allem Amazoniens.
Dort nimmt eine wachsende Zahl von Frauen in sich eine Berufung zur Diakonin als einem sakramentalen Dienst wahr, oft als Frucht eines persönlichen und gemeinschaftlichen geistlichen Unterscheidungsprozesses zusammen mit Menschen aus den Gemeinden, in denen sie ihre pastoralen Dienste tun. Im Einander-Zuhören und der geistlichen Unterscheidung im Vorfeld der Amazonien-Synode (2019) wurde meines Wissens in etwa einem Drittel der Eingaben der Wunsch formuliert, dass Frauen zum Diakonat als Weiheamt zugelassen werden. In den breit angelegten Beratungsprozessen vor der ersten Kirchlichen Versammlung Lateinamerikas und der Karibik sowie im Kontext der Weltsynode haben sich wiederum viele Frauen und Männer in Lateinamerika dafür ausgesprochen. In Amazonien als auch in ganz Lateinamerika und der Karibik, wird kirchliche Präsenz an den sozialen und kulturellen Brennpunkten sowie in entlegenen Gebieten mehrheitlich von Frauen, darunter vielen Ordensfrauen, mutig und konsequent gelebt.
«mit bewundernswerter Hingabe und leidenschaftlichem Glauben»
Wie in Querida Amazonía anerkannt wird, ist eine lebendige Präsenz von Kirche an so vielen Orten „starken und engagierten Frauen“ zu verdanken, die ihren Dienst „gewiss berufen und angetrieben vom Heiligen Geist tun“. Viele Frauen verkörpern „eine Kirche im Aufbruch“, die sich auf den Weg zu den Menschen macht, insbesondere zu denjenigen, die am meisten solidarische Liebe, Unterstützung, Weggemeinschaft und Ermutigung aus dem Glauben benötigen, eine Kirche, die glaubhaft Zeugnis von Gottes heilender und heilsamer Präsenz gibt. Diese Frauen verrichten „mit bewunderswerter Hingabe und leidenschaftlichem Glauben“ viele der Dienste, die im Missionsdekret des II. Vatikanischen Konzils als Dienste der Diakone genannt werden (AG 16); sie geben in ihrer Person Zeugnis von Christus Diakonos, von Gott, der sich in seinem Sohn in den Dienst der Menschen stellt, vor allem der Armen und besonders verwundbaren Menschen, die seiner Präsenz am meisten bedürfen. Mit einer Weihe der im Glauben engagierten Frauen, die sich zum Diakonat als sakramental anerkanntem Dienst berufen fühlen, würde die Kirche öffentlich anerkennen, was diese Frauen bereits leben, nämlich dass sie Christus, der dienend unter uns präsent ist, repräsentieren und die Kirche daran erinnern, dass dies ein unerlässlicher Teil ihrer Sendung ist.
Den ursprünglichen, nicht-klerikalen Sinn des Diakonats zurückgewinnen
Ebenso wie in anderen Teilen der Weltkirche, fragen sich auch in Lateinamerika Frauen, die sich für eine deutliche Stärkung der Rolle der Frauen in der Kirche einsetzen, ob ein Diakonat der Frauen wirklich dazu beiträgt oder eher klerikale Strukturen und die einseitige Festlegung von Frauen auf eine dienende Rolle verstärkt. Im Austausch wird jedoch bald klar, dass die Frauen, die sich zum Diakonat berufen fühlen, durch ihre Ausübung dieses Amtes effektiv dazu beitragen möchten, dessen ursprünglichen, nicht klerikalen Sinn zurück zu gewinnen und in der Kirche präsent zu setzen.
Ein Argument, das auch in Lateinamerika des Öfteren gegen das Diakonat der Frau als ein sakramentaler Dienst vorgebracht wird ist, dass es sich bei Episkopat, Presbyteriat und Diakonat um einen Ordo in drei Stufen handle. Da Frauen nicht zur Priester- und Bischofsweihe zugelassen sind, sei auch die Diakonatsweihe nicht möglich. Frauen könnten den diakonalen Dienst nur im Rahmen einer kirchlichen Beauftragung ausüben. Dabei wird nicht beachtet, dass bereits das Zweite Vatikanische Konzil die dem genannten Ordo-Denken zugrundeliegende scholastische Ämtertheologie aufgebrochen und das Diakonat wieder als ein eigenständiges Amt anerkannt hat. Denn in Lumen Gentium 29 wird gesagt, dass den Diakonen „die Hände nicht zum Priestertum, sondern zum Dienst aufgelegt werden“.
Christus als den repräsentieren, der aus Liebe dem Menschen in all seinen Dimensionen dient
In diesem Kontext ist auch an das Motu Proprio von Benedikt XVI. Omnium in Mentem zu erinnern. Darin macht er deutlich, dass die Diakone Jesus Christus als den Dienenden repräsentieren. Margit Eckholt spricht daher von „Jesus Christus als diakonos“. Der Diakon ist gerufen, in seiner Person Christus als den zu repräsentieren, der aus Liebe dem Menschen in all seinen Dimensionen dient (vgl. Peter Hünermann), insbesondere denen, die an die Peripherien der Gesellschaft gedrängt worden sind, in Armut leben und Not leiden, deren grundlegende Rechte häufig nicht respektiert werden und deren Menschenwürde oft verletzt wird.
Wie ein eigenständiges Diakonat sich zum drei-stufigen Amt verhält, wird die Kirche zukünftig klären müssen.
Die theologische Grundlage hierzu hatte Benedikt bereits im zweiten Teil seiner Enzyklika „Deus caritas est“ gelegt. Denn dort bekräftigt er: „Die in der Liebe zu Gott eingewurzelte Liebe zum Nächsten ist Pflicht vor allem jedes Gläubigen, aber sie ist auch Pflicht der ganzen kirchlichen Gemeinschaft“ (Nr. 20). Im Folgenden hebt er nochmals pointiert hervor, dass die Kirche „die Ausübung der Liebe nicht vernachlässigen [kann], wie sie ja auch die Sakramente und das Wort nicht aufgeben kann“ (Nr. 22). Die klare Unterscheidung, die Benedikt zwischen den verschiedenen Weisen der Christusrepräsentanz (Christus als Haupt und Christus als Diakonos) vornimmt, sowie die hohe Bedeutung, die er der Praxis der diakonischen Liebe auf allen Ebenen – von der örtlichen über die regionale bis hin zur Ebene der gesamten Kirche – beimisst, eröffnen neue Perspektiven und Möglichkeiten für ein Diakonat für Frauen als sakramental anzuerkennender Dienst. Wie ein eigenständiges Diakonat für Frauen und Männer sich zum drei-stufigen Amt verhält, wird die Kirche zukünftig klären müssen.
Die Argumentation Benedikts wird vom Synthesebericht der Weltsynode (Oktober 2023) übernommen. Papst Franziskus hat sich wiederholt klar gegen die Priesterweihe der Frau ausgesprochen. Zugleich hält er und hält auch die Synode den Diakonat der Frau als Weiheamt für prüfenswert. Damit erachten es der Papst und die Synode zumindest für prüfenswert, ob die Zulassungsbedingungen zum Diakonat anders sein können als zur Priesterweihe, und dies nicht nur bezüglich der Zölibatspflicht, sondern auch bezüglich des Geschlechts.
Effektive Beteiligung der Frauen in den Instanzen der Entscheidungsfindung
Sicher wäre das Frauendiakonat als sakramentaler Dienst ein wichtiger Schritt, allerdings neben bzw. zusammen mit mehreren anderen, die meines Erachtens ebenfalls sehr wichtig sind und bald mit Entschiedenheit getan werden sollten. Denn im Hinblick auf eine praktizierte Synodalität in der Kirche, bedarf es sowohl eines Mentalitätswandels als auch entsprechender Instanzen, Organe und Strukturen, die Synodalität effektiv fördern und stärken. Daher betont das Abschlussdokument der kontinentalen Phase der Weltsynode für Lateinamerika und die Karibik, wie wichtig es ist, „Räume zu öffnen, Mittel bereitzustellen und Wege“ zu schaffen für „eine effektive Beteiligung der Frauen in den Instanzen der Entscheidungsfindung“.
Für die Zukunft der Kirche weltweit wird es von entscheidender Bedeutung sein, dass Frauen sich mit ihren Charismen und Fähigkeiten in die Gestaltung und Praxis der Leitung in der Kirche einbringen können. Vielerorts, insbesondere in weiblichen Ordensgemeinschaften, sind in den vergangenen Jahrzehnten neue Wege erkundet worden, wie Leitungsautorität im gemeinschaftlichen Hören auf Gottes Geist, in einem gemeinsamen geistlichen Unterscheidungsprozess und konsensorientiert ausgeübt werden kann. Das ist auch die Praxis in der Kirchenkonferenz von Amazonien.
Ein neues Amt für den praktizierten Schöpfungsglauben Diakonie im Geist einer ganzheitlichen Ökologie
In Lateinamerika, vor allem im Amazonasgebiet sind wir dabei, miteinander und mit Hilfe von Gottes Geistkraft zu erkunden, welche neuen und bereits bestehenden Ämter und Dienste die Kirche vor Ort jeweils braucht, um ihre Sendung zu leben. Mehrfach wurde zum Beispiel bereits vorgebracht, dass wir in der kritischen Situation Amazoniens, in der wir an verschiedenen Orten den ökologischen Kipppunkten bereits sehr nahe sind, ein neues Amt für den praktizierten Schöpfungsglauben in der tätigen Sorge um diesen so wichtigen Teil des „gemeinsamen Hauses“ (LS) brauchen. Es geht um eine Diakonie im Geist einer ganzheitlichen Ökologie. Die Überlegungen hierzu sind noch im Gang.
Mut, Schritte der Erneuerung konsequent zu tun.
Bereits Querida Amazonía spricht davon, dass wir im Glauben dazu gerufen sind, „der Kühnheit des Geistes Raum zu geben“ (QA 94) und uns als Kirche auf neue Wege zu wagen, wo dies ein glaubwürdiges Leben aus Jesu Geist erfordert. Das verlangt den Mut, Schritte der Erneuerung konsequent zu tun.
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Prof. Dr. Birgit Weiler gehört dem Orden der Missionsärztlichen Schwestern an. Sie lehrt Systematische Theologie an der Päpstlichen Katholischen Universität von Peru/Lima und wurde von Papst Franziskus zur Beraterin für das Generalsekretariat der Synode ernannt.
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