Anlässlich der bald erscheinenden deutschen Ausgabe von Trees van Montfoorts Buch „Grüne Theologie“ führte Ari Troost ein Gespräch mit der Autorin.
Van Montfoort ist eine niederländische Theologin, die sich seit langem intensiv mit Grüner Theologie beschäftigt. Die niederländische Ausgabe ihres Buches wurde 2019 veröffentlicht, eine englische Ausgabe folgte 2022. In diesem bahnbrechenden Werk fragt sie, was Theologie und Nachhaltigkeit miteinander zu tun haben. Sie untersucht die agency des nicht-menschlichen Lebens in der Bibel und kritisiert das anthropozentrische Denken in der Theologie. Auf der Grundlage einer Analyse ökofeministischer Theologinnen plädiert sie für ein neues theologisches Paradigma, in dem Weltanschauung, Menschenanschauung und Gottesanschauung neu gedacht werden.
Was haben Theologie und Nachhaltigkeit miteinander zu tun? Diese Frage mag überraschen, denn wird nicht gerade diese Verbindung in grünen Kirchen gelegt? Van Montfoort ist sich darüber im Klaren: „Nicht jeder wird diesen Zusammenhang für selbstverständlich halten! Und abgesehen davon kann man die Beziehung auf verschiedene Weise betrachten. Meistens redet man unter dem Gesichtspunkt der Ethik darüber, wir müssen etwas tun. Der Welt geht es nicht gut, aus unserem christlichen Glauben heraus müssen wir uns um die Welt kümmern, also sollten wir die Umwelt weniger verschmutzen, eine weitere globale Erwärmung bekämpfen und verhindern, dass Tiere aussterben. Aber dies bleibt doch ganz an der Oberfläche. Die Theologie selbst ist Teil des Problems, die Theologie selbst muss sich ändern. Übrigens bin ich nicht die Erste, die das sagt, aber ich möchte eben diesen Punkt ganz klar darstellen. In der Theologie müssen sich Weltanschauung, Menschenanschauung und Gottesanschauung ändern, um die aktuellen Krisen zu bewältigen.“
Die Theologie selbst ist Teil des Problems, die Theologie selbst muss sich ändern.
„Das westliche Christentum hat sich mit einer Weltanschauung identifiziert, in der die Erde und alles auf ihr dem Menschen dient. Diese Denkweise hat es einem Teil der Menschheit ermöglicht, die Erde im Interesse des Wirtschaftswachstums auszubeuten. Die Umweltenzyklika Laudato Si‘ von 2015 nennt diesen Glauben an Technologie und Wachstum das technokratische Paradigma. In diesem Paradigma spielt der Eigenwert von Tieren, Pflanzen und Ökosystemen keine Rolle. So ist nicht nur Gott in den Hintergrund getreten, sondern auch das nicht-menschliche Leben. Kirche und Theologie sind stark anthropozentrisch geprägt und konzentrieren sich auf den Menschen. Die Bibel wird als eine Geschichte von Gott mit den Menschen gelesen. Das zeigt sich auch in Liturgie und Verkündigung, die sich ganz auf menschliche Erfahrung konzentrieren. Das ist eine Verengung des Blicks, die negative Folgen für unsere Mitgeschöpfe hat.“
Ein neues Paradigma, in dem der Mensch nicht im Mittelpunkt steht.
Van Montfoort plädiert für ein neues Paradigma in der Theologie, in dem der Mensch nicht im Mittelpunkt steht. Wie van Montfoort sagt, ist es „ein biblischer Gedanke, dass die Schöpfung ein Geschenk an den Menschen ist, aber das bedeutet nicht, dass der Mensch unmittelbar Herr der Schöpfung ist, denn dem Ewigen gehört die Erde und alles, was auf ihr lebt, wie Psalm 24,1 sagt.“
Im Anschluss an Philosophen wie Bruno Latour und Timothy Morton lehnt van Montfoort die Unterscheidung zwischen Kultur und Natur ab. Menschen gehören zur Schöpfung, genau wie alle anderen Lebewesen, die alle ihre eigene agency, ihre eigene Handlungsfähigkeit haben. Über die agency von Nicht-Menschen ist von verschiedenen Seiten, auch aus biblischer Sicht, geschrieben worden. Aber sie fehlt in der meisten Ökotheologie, wo die Schöpfung ein Objekt oder eine Ansammlung von Objekten bleibt, um die sich die Menschen kümmern müssen. Van Montfoort widmet diesem Thema einen wichtigen Teil ihres Buches. „Es ist ein biblischer Gedanke, dass die gesamte Schöpfung von Gottes Wesen Zeugnis ablegt und Gott lobt. Besonders in den Psalmen und in Teilen der Propheten sind es die Wälder und die Berge, die zum Lob Gottes aufgerufen werden. Obwohl bereits bei den Kirchenvätern eine Bewegung hin zu anthropozentrischem Denken zu beobachten ist, ist die Vorstellung einer nicht-menschlichen agency lange Zeit präsent geblieben.“
Wir finden es seltsam, dass der Mond und die Sterne das Lob Gottes singen
„Man kann diese agency zum Beispiel noch im Sonnengesang von Franziskus von Assisi sehen. ‚Gelobt seist Du durch Schwester Mond und die Sterne‘, sagt Franziskus. Das ist ganz im Einklang mit den Psalmen, aber wir finden es etwas seltsam, dass der Mond und die Sterne das Lob Gottes singen würden. Deshalb ziehen wir eine Übersetzung vor, in der wir Gott für den Mond und die Sterne loben: ‚Gelobst seist Du für Schwester Mond und die Sterne.‘ Auch für Calvin sind die nicht-menschlichen Geschöpfe handelnd. Er bedient sich der Sprache der Schöpfungspsalmen, wenn er argumentiert, dass jeder Mensch Gott kennen kann: „Denn alles Geschaffene, vom Himmel bis zur Erde, konnte allen Menschen von seiner Herrlichkeit zeugen. Denn die Vögel sangen Gott in ihrem Gesang, die wilden Tiere riefen ihn an, die Elemente fürchteten ihn, die Berge hallten zu ihm, die Flüsse und Quellen zwinkerten ihm zu, das Gras und die Blumen lächelten ihm zu. „“
Die Gedichte der südafrikanischen Dichterin Antjie Krog werden in den Niederlanden manchmal in Gottesdiensten verwendet, weil sie der Schöpfung besonders gerecht zu werden scheint. In ihrer Messe für das Universum besingt Krog die Sonne, den Mond und das Meer, wobei das Meer eine eigene agency zu bekommen scheint. Van Montfoort ist in dieser Hinsicht jedoch nuanciert. „Ich fürchte, dass bei Krog die Schöpfung an die Stelle Gottes tritt. Aber dann ist die Erde nicht der Körper Gottes, dann tritt die Erde an die Stelle des Körpers von Gott. Damit ändern Sie die christliche Tradition nicht. Man verwendet dann alte Formen und gibt ihnen einen neuen modischen Inhalt. Schauen Sie vielmehr auf den Inhalt selbst. Vielleicht braucht man dafür neue Formen.“
Die Welt als Gottes Körper ist mir wichtig.
„Die Welt als Gottes Körper ist mir wichtig. Das ist genau das, was ökofeministische Theologinnen wie Sallie McFague und Isabel Carter Heyward bereits in den 1980er Jahren erarbeitet haben. Im Anschluss an McFague untersucht mein Buch die Arbeit moderner ökofeministischer Theologinnen wie Ivone Gebara, Catherine Keller und Elizabeth Theokritoff. Sie behandeln relevante Fragen auf einer sehr grundlegenden Ebene. Weltanschauung, Menschenanschauung und Gottesanschauung werden konsequent im Verhältnis zueinander untersucht.“
Wenn man von der agency von Menschen und Nicht-Menschen gemeinsam ausgeht, wird es dann nicht sehr schwierig, politisch zu handeln? Van Montfoort ist da ganz klar anderer Meinung. „Es ist ein beliebter Gedanke, dass wir etwas tun sollten, aber dann stellt man den Menschen wieder außerhalb der Schöpfung! Manchmal wird der Schluss gezogen, dass wir nichts tun können, wenn wir die Welt nicht verantwortungsvoll verwalten können. Aber das wäre ein Irrtum. Nicht im Mittelpunkt zu stehen und nicht alles kontrollieren zu können, bedeutet nicht, dass man machtlos ist. Sie haben Ihre Rolle in einem Ganzen, aber auch andere Lebewesen und eben nicht-lebende Wesen tun ihre Dinge. Die Lösung liegt in der Zusammenarbeit. Nicht verwalten, sondern zusammenarbeiten.“
In der Bibel steht der Mensch nicht über der Schöpfung, sondern ist Teil der Schöpfung.
Eine neue Perspektive, die die ganze Schöpfung zu berücksichtigen weiß: dies würde Bibelgerecht sein. „Wenn wir den Menschen im Mittelpunkt unseres Denkens stellen, stellen wir uns außerhalb der Schöpfung, und das entspricht nicht dem Konzept der Bibel. In der Bibel steht der Mensch nicht über der Schöpfung, sondern ist Teil der Schöpfung.» Wir sollten also auch auf Tiere hören, ja sogar auf Bäume und, wie die Bibel sagt, auf Berge. Und zwar nicht nur, weil wir geteilte Belangen haben, sondern auch weil wir glauben, dass Gott sich in ihnen erkennen lasst. Kennen wir die Ewige durch das Werk Ihrer Hände? Wer sind wir, dass Gott an uns denkt? Van Montfoort fordert uns auf, über fundamentale Fragen nachzudenken, die die Theologie neugestalten können.
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Text: Drs. Trees van Montfoort ist Pfarrerin, theologische Forscherin und Mitglied des Netzwerks Schöpfung und Nachhaltigkeit des niederländischen ökumenischen Kirchenrates. Dr. Ari Troost ist Pfarrer, wissenschaftlicher Forscher am Alt-Katholischen Seminar der Universität Utrecht und Mitglied des European Research Network Transcending Species – Transforming Religion.
Bild: Grünewald-Verlag