Wie die Sternsinger-Kinder auf den Spuren der Heiligen Drei Könige unterwegs sind und damit einen wichtigen Beitrag zur Mission leisten. Von Klaus Kießling
Könige kommen in Mt 2,1–12 zwar vor, der neugeborene König der Juden auf der einen und König Herodes auf der anderen Seite, aber von dreien ist keine Rede, schon gar nicht von dreien auf dem Weg zur Krippe. Die Zahl von drei Geschenken – Gold, Weihrauch und Myrrhe – lässt vielleicht drei Schenkende vermuten, aber zwingend ist diese Schlussfolgerung nicht. Und davon, dass diese Schenkenden Könige seien, steht da auch nichts. Daher lassen die Heiligen Drei Könige wohl nicht nur an die Heilige Schrift denken, sondern auch an ihre Wirkungsgeschichte, insbesondere an die Mission der Sternsingerinnen und Sternsinger, die diese biblische Geschichte alljährlich von Neuem in Szene setzen und so dafür sorgen, dass diese Geschichte weiterhin Geschichte macht – und zu einer Erfolgsgeschichte wurde. Doch der Reihe nach.
Sternkundige mit Gold, Weihrauch und Myrrhe
Bei Matthäus sind Magier unterwegs, „Sternkundige“, wie Fridolin Stier übersetzt. Sie kommen aus dem Osten, „aus Ländern des Aufgangs“, näher ist ihre Herkunft nicht bestimmt. Vielleicht stammen sie aus Persien, vielleicht aus Babylonien, vielleicht aus Arabien. Sie haben einen Stern bei seinem Aufgang beobachtet und schließen daraus auf die Geburt eines Königs der Juden. Dass sie dieses Zeichen so lesen und verstehen, gründet wohl im Bileam-Orakel, wenn der heidnische Seher spricht: „Ein Stern geht in Jakob auf, ein Zepter erhebt sich in Israel.“ (Num 24,17)
Bethlehem wird zum Heilsort
Mit ihrem Suchen und Fragen lösen die Sternkundigen Verwirrung aus, ganz Jerusalem erschrickt – zusammen mit Herodes. In seinem Palast, im Zentrum der Macht lebt schließlich kein Neugeborenes. Herodes erfragt bei seinen Hohenpriestern und Schriftgelehrten den unbekannten Geburtsort. Gleichwohl scheint er mehr zu wissen als die Sternkundigen, die nach dem König der Juden suchen, während Herodes den Neugeborenen ausdrücklich als den Messias bezeichnet. Von den Bewohnern seines Königreichs macht sich niemand in das nahe Bethlehem auf, stattdessen kommen heidnische Magier aus der Ferne, um dem Kind zu huldigen. Herodes trägt ihnen auf: „Geht und forscht genau nach dem Kind! Sobald ihr es gefunden, berichtet mir, damit auch ich hingehe und mich vor ihm tief verneige.“ Herodes versucht die Suchenden zu missbrauchen und zu seinen Spitzeln zu machen.
Jerusalem oder Bethlehem? Jerusalem ist der Sitz des Herodes, in Jerusalem werden am Ende auch die Feinde Jesu wohnen. Bethlehem dagegen wird zum Heilsort, mitnichten „die geringste unter den Fürstschaften Judäas“. Die Sternkundigen jedenfalls folgen dem Stern zum Kind und zu seiner Mutter. „Und sie warfen sich nieder und verneigten sich tief vor ihm. Dann öffneten sie ihre Schatztruhen und brachten ihm Gaben dar: Gold und Weihrauch und Myrrhe.“ Sie teilen ihr Hab und Gut – über Landesgrenzen und religiöse Grenzen hinweg. „Und gewiesen im Traum, nicht zu Herodes umzukehren, entwichen sie auf anderem Weg in ihr Land.“ Der heuchlerische Herodes kommt hier nicht ans Ziel, sein Kalkül geht nicht auf, seine Machtmittel reichen nicht hin, er entscheidet sich daraufhin für mehr desselben.
der Menschgewordene, der jede irdische Allmacht in Frage stellt
Die Magier haben ihre Heimat verlassen, in der sie als Gelehrte anerkannt waren, sind in die Fremde gezogen, in der sie niemand kennt, und markieren einen Aufbruch der Völkerwelt. Die Dreizahl ihrer Geschenke drückt königliche Ehrung aus, sie lässt aber nicht auf die Zahl der Sternkundigen schließen. Die Heiligen Drei Könige entstammen nachbiblischer Tradition, sie gelten als Vertreter der damals bekannten Kontinente und werden Caspar, Melchior und Balthasar genannt. Auch die Zuweisung von Gold für den König, von Weihrauch für Gott, von Myrrhe für das Begräbnis setzt früh ein, aber nicht schon bei Matthäus. Dass die Magier zu Königen werden, mag daran liegen, dass in Psalm 72,10f verkündet wird, Könige würden aus der Ferne kommen und ihre Gaben bringen. Bei Matthäus aber ist der verheißene Messias der König – der König Israels, der König aller Völker, als der Menschgewordene derjenige, der jede irdische Allmacht in Frage stellt, und so der König der Herzen.
Dreikönig: „Brich auf, mein Herz, und wandre!“
„Nicht nur Gott ist zu uns gekommen, sondern in Kraft dieser göttlichen Tat sind die Menschen selbst in Bewegung geraten, die Menschen selber gehen zu dem, der zu ihnen gekommen ist. Wir nennen ja dieses Fest, diesen ‚obristen Tag‘ (wie das Mittelalter ihn hieß): Dreikönig. Und so untheologisch und ungeschichtlich dieser liebe Name des gemeinten Festes auch sein mag, weil die Weisen aus dem Morgenlande an der Krippe weder den Gegenstand des Festes ausmachen, noch Könige waren und auch nicht sicher drei gewesen sind, so weist uns ‚Dreikönig‘ doch bedeutsam auf die Seite des Festgeheimnisses hin, daß die ersten Menschen aus der Ferne durch alle Fährnisse sich hindurchsuchten, wandernd und pilgernd, zu dem Kinde, das ihr Erlöser war. So ist dieser Tag das Fest der seligen Reise des gottsuchenden Menschen auf der Pilgerschaft seines Lebens, des Menschen, der Gott findet, weil er ihn suchte.
Wahrlich, wir lesen unsere eigene Geschichte, die Geschichte unserer ewigen Pilgerschaft, wenn wir die ersten zwölf Verse des zweiten Kapitels bei Matthäus lesen von den Magiern aus dem fernen Babylon, die vom Stern geführt, sich durch Wüsten durchschlugen und durch Gleichgültigkeit und Politik sich glücklich durchfragten, bis sie das Kind fanden und als den Heiland-König verehren konnten.“1
„Brich auf, mein Herz, und wandre!“
Mit diesen Sätzen leitet Karl Rahner über – von der biblischen Geschichte zu uns, die wir den Weg der Sternkundigen auf eigene Weise fortsetzen und weitergehen. Am Ende seiner Betrachtung formuliert er: „Brich auf, mein Herz, und wandre!“2
Aktion Dreikönigssingen – eine Erfolgsgeschichte
Diejenigen, die alljährlich neu aufbrechen und diesen Weg unermüdlich weitergehen, sind die kleinen und großen Sternsingerinnen und Sternsinger. Sie haben einen weltbewegenden Kreislauf der Freude und der Solidarität in Gang gesetzt – und Erfolgsgeschichte geschrieben. Doch taugt Erfolg als theologische, gar als spirituelle Kategorie?
taugt Erfolg als theologische, gar als spirituelle Kategorie?
Erfolg ist keiner der Namen Gottes, wie wir seit Martin Buber wissen. Kommen mit der Erfolgsbilanz einer Aktion, mit der Zahl der daran Beteiligten und der Höhe des erzielten Spendenaufkommens nicht quantitative Messlatten ins Spiel – gegenüber qualitativ hochsensiblen und darum schützenswerten Geheimnissen? Zugleich aber sind wir ganz menschlich auf Erfolg angewiesen. Wenn er ausbleibt, geraten wir dann nicht unweigerlich in affektive Teufelskreise, die nach Kompensationen rufen, mitunter Lebenslügen ins Leben rufen, gar in Märtyrerrollen flüchten lassen und Mutlosigkeit schüren, anstatt segensreich zu wirken?
Sternsinger mit Kreide, Kronen und einer Dose
Was segensreich wirkt, erweist sich erst im genauen Hinsehen und Hinhören. Befragt nach den schönsten Erlebnissen auf ihren weiten Wegen – „da haben mir die Füße wehgetan“ – kommt eine Frankfurter Sternsingergruppe zunächst auf manche Zurückweisung zu sprechen von „Leuten“, die wohl gar nicht wissen, „was das ist“, bevor sie sich der Frage nach den Highlights widmen: „Die, die uns was gegeben haben …, die fand ich am besten“, meint eines der Mädchen, ein anderes erinnert sich: „… beim Weltladen, beim Weltladen“, und ein Junge ergänzt: „Das war schön, weil die uns ja sehr viel geschenkt haben – sau viele Plätzchen und dann noch so einen Orangensaft … wie beim Würstchenstand die Bratwurst“. Die Kinder zählen auf, was ihrer eigenen Stärkung diente, und zugleich bringen sie ihre Freude über die Spendenerfolge für Kinder in Not zum Ausdruck: „… dass manche 100 Euro gegeben haben“ und dass sie „sau viele Scheine“ und „dann sehr viele Münzen“ sammeln konnten.
„ohne einen Erwachsenen … kriegen wir einfach mehr Applaus“
Für die befragten Kinder ist sonnenklar, warum bei der Aktion Dreikönigssingen nicht Erwachsene für Erwachsene unterwegs sind: „… weil wenn das immer die Erwachsenen machen, ist es ja immer langweilig“. Schließlich gehe es darum, „dass die Kinder sich gegenseitig helfen“. Darum wollen sie auch „alleine singen“, denn „ohne einen Erwachsenen … kriegen wir einfach mehr Applaus“ und dann „auch mehr Spenden“.
Wie ihre biblischen Vorgänger haben die Sternsinger allerlei im Gepäck, zwar nicht Gold, Weihrauch und Myrrhe, aber Kreide, Kronen, eine Dose und vor allem Lieder, beispielsweise, wie ein Junge erklärt, vom „Weihnachtsschiff, wo dann Gott transportiert wurde“. Ein Mädchen erläutert, er meine „Es kommt ein Schiff, geladen …“, und fängt gleich feierlich zu singen an. Die Kreide ist gesegnet, und Segen bringen die Kinder in die Häuser: „Wir haben den in unserem Herz …“ – „Nein, wir haben den auch in unserem Mund, weil wir können den Segen aussprechen …“ – „Wenn wir so aufmachen, dann kommt der da rausgeflogen.“
„Aber ohne Sternsinger gibt es doch gar keinen Gott!“
Danach befragt, was sie denn vermissen würden, wenn es im nächsten Jahr keine Sternsingeraktion gäbe, rufen sie erst „Oje“ aus, bevor sie ganz einsilbig antworten: „Gott“. Und einer unter ihnen erläutert, warum die Aktion unbedingt weitergehen müsse: „Aber ohne Sternsinger gibt es doch gar keinen Gott!“ Dazu passt die Auskunft, dass die Sternsinger mit dem Weihnachtsschiff Gott transportieren. Und „dann gäbe es keine Spenden für die armen Kinder“, und einer befürchtet, dass „die dann vielleicht auch sterben“. „Also ich komm nächstes Jahr wieder.“ Diese kindliche Treue schimmert auch in den Aussagen durch, mit denen die Kinder sich von Aktivitäten zu Halloween abgrenzen: „… die erschrecken ja die Leute“, „die sammeln ja nur Süßes“ und „für sich“ – im Unterschied zu „unserer Arbeit“, die die Kinder „ganz umsonst“ machen, „aus Spaß“ und „für die anderen Kinder“.
Kinder und ihre Mission
Kinder erweisen sich als Kinder mit einer weltkirchlichen Mission, und wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen (Mk 10,15). Kinder werden zu aktiven Trägerinnen und Trägern missionarischen Handelns gegenüber Erwachsenen und gegenüber Gleichaltrigen. Diese Botschafterinnen und Botschafter des Himmels zeigen eine diakonische Kompetenz, die nicht vom Himmel fällt, aber ihre Mission charakterisiert, die in allen Regionen dieser Welt auf Kinderrechte, ja auf die königliche Würde der Großen und der Kleinen pochen lässt und auf solidarisches Handeln drängt.
die Treue zu einem Anliegen … nicht vom erwarteten Erfolg abhängig machen
Damit komme ich auf die Frage nach dem Erfolg zurück, auf den wir Menschen angewiesen sind, die Großen wie die Kleinen. Zugleich aber will ich die Janusköpfigkeit des Erfolgs ernst nehmen: Es kommt mir darauf an, die Treue zu einem Anliegen, das mich umtreibt, nicht vom erwarteten Erfolg abhängig zu machen – die Treue zu einem Anliegen, das ich mir im Horizont einer Berufung zu eigen mache und mir mit anderen zusammen angelegen sein lasse: „Nicht dem unberechenbaren Erfolg, sondern dem Anliegen gegenüber kann man treulos werden. Priorität kommt nicht dem Erfolg zu, sondern dem Anliegen, denn der Erfolg schwört keinen Treueeid.“ (Leo Karrer)3 Treue ist auf Dauer angelegt, sie macht unabhängig von Augenblickserfolgen. Und genau dafür sind die Kinder eindrucksvolle Vorbilder, auch wenn ich als Vater und Lehrer weit davon entfernt bin, Kinder zu Heiligen zu erklären. Aber die Sternsinger knüpfen an den Rückweg der Sternkundigen an: Sie erzählen auf ihren weiten Wegen von dem, was ihnen widerfahren ist. Sie wirken als Vorbilder dafür, dass sie eben nicht nur in Sternstunden, sondern auch unter widrigen Umständen ihrem Anliegen, ihrem Auftrag, der sie treibt, treu bleiben. Wie die Sternkundigen in der Schrift.
Zum Thema:
Klaus Kießling & Michael Mähr, „Die Sternsinger, wenn’s die nicht gäbe!“ Eine empirische Studie, sowie Klaus Kießling & Klaus Krämer (Hrsg.), „Die Sternsinger, wenn’s die nicht gäbe!“ Positionen und Perspektiven, jeweils Ostfildern 2012.
Text: Klaus Kießling
Bild: Karl-Michael-Soemer / pixelio.de