Sind aufgrund einer besonderen Sendung sakramentale Dienste für Laien möglich im aktuellen Kirchenrecht? Eine Antwort von Astrid Kaptijn.
Damit die gestellte Frage beantwortet werden kann, müssen vorgängig mehrere Aspekte geprüft werden: einerseits das Bild, das man vom Kirchenrecht und seiner Anwendung im Leben der Kirche hat, andererseits die bereits bestehenden Möglichkeiten gemäss den kirchenrechtlichen Normen. Schliesslich sollte der Blick in die Zukunft gerichtet werden: Welche Perspektiven könnten nach welchen Kriterien umgesetzt werden?
1. Welchen Zweck verfolgt das Kirchenrecht im Leben der Kirche?
Häufig wird das Kirchenrecht aus dem gleichen Blickwinkel wie das staatliche Recht heraus betrachtet. Folglich wird das Kirchenrecht als ein System von Normen angesehen, die es anzuwenden gilt, manchmal sogar buchstabengetreu. Ein Gesetz existiert jedoch nicht einfach bloss, weil es dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Diese Sichtweise wird voluntaristisch genannt und gründet auf Francisco Suarez SJ (1548-1617). Eine andere Sichtweise hebt den vernünftigen Charakter des Gesetzes hervor (rationabilitas, s. Thomas von Aquin): Sein Zweck ist die Förderung des Gemeinwohls der Kirche. Es bedeutet, dass der Gesetzgeber die Bedürfnisse der ihm anvertrauten Gemeinschaft der Gläubigen prüfen soll, um zu bestimmen, was zum Gemeinwohl dieser Gemeinschaft beiträgt, und auf dieser Grundlage zu entscheiden, welches Gesetz am besten zur Verwirklichung dieses Wohls beitragen könnte. Ich würde behaupten, dass die rationalere Sichtweise sogar relationaler ist: Sinn des Gesetzes ist die Unterstützung der Gemeinschaft durch den Gesetzgeber. Es existiert nicht einfach bloss, weil der Gesetzgeber es will.
2. Im Kirchenrecht vorgesehene Spendung bzw. Feiern von Sakramenten durch Laien
Zum einen sollte man nicht vergessen, dass das Ehesakrament von den Laien selbst gespendet wird. Dies mag wie eine Banalität klingen, doch in der Vergangenheit war dies ein häufiges Diskussionsthema, und manchmal ist es auch heute noch kompliziert. Laut einigen Autoren handelt es sich hierbei um eine theologische Meinung. Mit anderen Worten: Die Dinge könnten sich eines Tages ändern. Ich persönlich halte es für sehr wichtig, diesen Blickwinkel beizubehalten, da man sich von der Sichtweise der kommunizierenden Gefässe verabschieden sollte: Wo das Heilige ist, kann nichts Profanes sein. Es geht vielmehr um die Möglichkeit, dass durch den Menschen erkennbar wird, dass Gott am Werk ist.
Das Ehesakrament wird von den Laien selbst gespendet.
Zum anderen dürfen, wie wir wissen, Laien das Sakrament der Taufe spenden. Wenn man sich die Voraussetzungen genauer ansieht, wird man feststellen, dass sie dazu auf Grund einer Beauftragung durch den Bischof und als Stellvertreter/innen berechtigt sind, d.h. um die Abwesenheit oder Verhinderung des ordentlichen Spenders dieses Sakraments zu überbrücken. Die Rolle des ordentlichen Spenders ist Bischöfen, Priestern und Diakonen zugewiesen. Allerdings kann auch ein Laie dieses Sakrament spenden, er oder sie wird dies als ausserordentlicher Spender tun, aber nichtsdestotrotz als Spender. Im Notfall kann er oder sie dies auch ohne Auftrag des Bischofs tun.
Ein Laie kann auch bei einer Eheschliessung assistieren, d.h. er oder sie kann, meist im Auftrag des Diözesanbischofs, im Namen der Kirche die Zustimmung der Brautleute einholen und entgegennehmen. Diese Möglichkeit gilt vor allem für Fälle, «wo es weder einen Priester noch einen Diakon gibt» (c. 1112 §1). Es handelt sich also wiederum um eine Stellvertreteraufgabe.
Der Papst selbst ermutigt die Bischöfe, weitere Ämter einzuführen.
Zu guter Letzt wurde im Januar 2021[1] die Neuerung eingeführt, dass Frauen in das Amt der Lektorin und der Akolythin eingesetzt werden können. Zwar durften Frauen bereits die Aufgaben des Lektors und Akolythen wahrnehmen, doch nun können sie dies dauerhaft und auf der Grundlage einer liturgischen Einsetzung tun. Die gleiche Öffnung für Frauen wurde im Mai 2021 auch für das Amt des Katecheten eingeführt. Und es bleibt nicht bei diesen jüngsten Neuerungen. Der Papst selbst ermutigt die Bischöfe, weitere Ämter einzuführen, dies jedoch mit vorgängiger Genehmigung durch Rom.
3. Zukunftsperspektiven
Diese Taufämter – also Ämter, die Laien aufgrund ihrer Taufe übernehmen können – ermöglichen uns einen allmählichen Übergang zu weiteren Neuerungen. In seiner Botschaft vom vergangenen 15. August, in der er an die von Papst Paul VI. eingeführten Änderungen erinnerte, erwähnte Papst Franziskus mehrere Punkte, die meiner Meinung nach interessant sind in Bezug auf unsere Frage.
Die Vielfalt der Ämter hat ihren Ursprung im Heiligen Geist in Verbindung mit der konkreten Situation.
Er betonte, dass wir unsere Reflexion über die Ämter weiter vertiefen müssen. Papst Franziskus wiederholte mehrmals, dass die Vielfalt der Ämter ihren Ursprung im Heiligen Geist hat und dass sie folglich dynamisch und flexibel sind. Darüber hinaus ist der Papst der Meinung, dass der Heilige Geist diese Ämter in Verbindung mit der konkreten Situation der Kirche an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt in ihrer Geschichte hervorbringt. Mit anderen Worten: Diese Ämter sind nicht überall in der Kirche dieselben, denn man muss dem Heiligen Geist an den verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten Gehör schenken. In der synodalen Zeit, die wir gerade erleben, ist dies besonders zutreffend und im Einklang mit der Sichtweise des Kirchenrechts, die ich oben erwähnt habe: Es hat die Aufgabe, das Gemeinwohl der Kirche zu fördern, und dies erfordert ein aufmerksames Wahrnehmen und Benennen der Bedürfnisse der Gemeinschaft der Gläubigen an einem bestimmten Ort.
Auch in dieser Botschaft vom August 2022 führt der Papst eine Form der Konsultation ein: In den kommenden Monaten möchte er einen Dialog mit den Bischofskonferenzen über ihre in den letzten 50 Jahren mit den eingesetzten, aber auch mit den ausserordentlichen Ämtern gemachten Erfahrungen eröffnen.
Ämter vertiefen und weiterentwickeln.
Der formale Rahmen mag günstig erscheinen, aber noch muss der Inhalt geprüft werden. Die eingesetzten Ämter (ministères institués) könnten vertieft und weiterentwickelt werden. Meiner Meinung nach könnte man im Hinblick auf die Ämter des Lektorats und des Akolythats über Aufgaben nachdenken, die nicht unmittelbar mit der Liturgie zu tun haben. Der Lektor, die Lektorin könnte in umfassenderer Weise einen Dienst am Wort Gottes leisten und Menschen unterstützen, die biblische Texte als solche oder auch ihre mögliche Anwendung im Alltag studieren möchten. Allenfalls könnte dies um eine Befugnis erweitert werden, bei bestimmten Gelegenheiten zu predigen. Das Amt des Akolythen kann die ausserordentliche Kommunionspendung umfassen, wie dies heute bereits vorgesehen ist (CIC can. 910), einschliesslich der Aufgabe, Kranken die Kommunion zu spenden (can. 911 §2). Aufgrund des so entstehenden Kontakts mit Kranken, bei dem Beziehungen aufgebaut werden, könnte man sogar darüber nachdenken, diesem Amt die Feier der Krankensalbung zuzuweisen.
Denkbar wäre auch ein Trostamt.
Bisher schien die Kirche dieses Sakrament wegen seiner Verknüpfung mit der Beichte den Priestern vorzubehalten. All dies gewinnt besondere Bedeutung, wenn sich eine Person ihrem Lebensende nähert. Die Krankensalbung wird allerdings zunehmend vom Lebensende abgekoppelt. Das Konzil lehrt uns, dass man sie empfangen kann, wenn man aus körperlichen oder altersbedingten Gründen in Todesgefahr zu geraten beginnt (SC 73). Es gibt auch ein historisches Argument: Laut einigen Autoren waren Laien über Jahrhunderte hinweg die üblichen Spender des Krankensakraments. Dieses Argument verdient es, weiter untersucht zu werden. Denkbar wäre auch ein Trostamt, das jenen Gläubigen übertragen wird, die trauernde Familien begleiten und Beerdigungen gestalten.
Auf Begriffe zurückgreifen, die das bezeichnen, was Christus bezeugt und gelebt hat.
Die Frage der Terminologie scheint mir hier wichtig zu sein. Vielleicht sollte man auf Begriffe zurückgreifen, die das bezeichnen, was Christus bezeugt und gelebt hat, und sie nicht so sehr an die Person binden. Konkret denke ich, dass es fruchtbarer sein wird, von einem Dienst des Wortes, einem Dienst des Tisches und des Teilens, einem Dienst des Trostes zu sprechen, und vielleicht sogar auch von einem Dienst der Barmherzigkeit. Ausserdem wäre es meiner Meinung nach angemessener zu sagen, dass man ein Amt ausübt, als zu sagen: „Ich bin Diener/in des/der…“. Der Vorteil ist meiner Meinung nach, dass die Verbindung zu den drei Ämtern Christi, an denen alle Gläubigen Anteil haben, deutlicher hervortritt und zudem auch dass eine gemeinsame Basis benannt wird, innerhalb derer verschiedene Arten von Ämtern, Tauf- und Weiheämter, ausgeübt werden können, und der Fokus mehr auf das angestrebte Ziel gerichtet ist als auf eine Person, die das Recht hat, diese oder jene Aufgabe zu erfüllen.
Es stimmt, dass diese von mir vorgeschlagene Terminologie mit den Bezeichnungen martyria, leiturgia, diakonia und koinonia bereits mehr oder weniger bekannt ist, aber es scheint mir, dass mein Vorschlag eher mit dem liturgischen und sakramentalen Bereich in Einklang bleibt.
Das eingesetzte Amt ist mit einer Person verbunden und folgt ihr dorthin, wohin sie geht.
Eine Verbindung zwischen Pastoralassistenten bzw. Pfarreiseelsorgerinnen und den liturgisch übertragenen Ämtern scheint mir nicht so offensichtlich zu sein, vor allem wenn man auch die Institutio berücksichtigt, wie sie in einigen unserer Schweizer Diözesen praktiziert wird. Eingesetzte Ämter werden in einem bestimmten Bereich des kirchlichen Lebens ausgeübt und sind nicht allumfassend. In diesem Sinne unterscheiden sie sich von den Aufgaben, die von den beauftragten Laien in einem pastoralen Beruf ausgeübt werden. Sodann ist die Institutio vor allem eine, meiner Meinung nach, rechtliche Verbindung zwischen der Diözese und den Beauftragten herzustellen. Sie legt Rechte und Pflichten oder gegenseitige Verpflichtungen fest und ist an die Diözese gebunden. Etwas anderes ist das eingesetzte Amt, das mit einer Person verbunden ist und ihr dorthin folgt, wohin sie geht. Somit müssen diesbezüglich noch einige Fragen geklärt werden.
Ausgangspunkt: Das Wirken des Heiligen Geistes und die einzelnen Charismen
Abschliessend denke ich, dass vor allem der Ausgangspunkt von ausserordentlicher Bedeutung ist. Meiner Meinung nach geht es nicht darum, die Problematik der Ämter als solche anzugehen, sondern sie in der Ekklesiologie zu verankern. Ausgangspunkt könnte – und sollte – die Sakramentalität der Kirche und ihre Sendung in der Welt sein. Von dort aus gelangt man zum Wirken des Heiligen Geistes und zu den einzelnen Charismen, denn laut Konzil teilt der Heilige Geist jedem und jeder Gläubigen Gnadengaben oder Charismen aus: Solche Gnadengaben können «von besonderer Leuchtkraft oder aber schlichter und allgemeiner verbreitet» sein (LG 12). Von hier aus kann man zu einer Theologie der Ämter übergehen. Einige dieser Charismen können die Form von eingesetzten Ämtern annehmen, andere von ausserordentlichen Ämtern und wieder andere Charismen nehmen die Form von ordinierten Ämtern an. So hätten wir als Grundlage vielfältige und weit verbreitete Ämter, wie es Papst Franziskus in seiner Botschaft ausdrückt. Ein solcher Ansatz könnte auch darlegen, dass jede/r seinen/ihren Platz in der Kirche hat und alle Gläubigen in unterschiedlichem Masse aktiv zum Leben der Kirche beitragen.
Die Frage nach dem eigenen und besonderen Charakter des ordinierten Amtes
Letztendlich wirft dies dennoch die Frage nach dem eigenen und besonderen Charakter des ordinierten Amtes auf. Ich denke jedoch, dass es amtsübergreifende Aspekte gibt: Gemäss Papst Franziskus sind es zwei Aspekte: Jedes Amt ist ein Ruf Gottes und jedes Amt existiert zum Wohl der Gemeinschaft. Wenn es uns gelingt, diese Aspekte als charakteristisch für alle Kirchenämter anzuerkennen, schaffen wir eine gemeinsame Basis, die weniger von Unterschieden als von Gemeinsamkeiten ausgeht, und die Früchte tragen könnte.
Astrid Kaptijn ist Professorin für kanonisches Recht an der Universität Freiburg i.Üe.
Beitragsbild: Genter / pixelio
[1] Motu proprio «Spiritus Domini» vom 10. Januar 2021 mit Abänderung des can. 230 § 1 des CIC.