Geschlechtervielfalt spielt eine Rolle auf dem Synodalen Weg – Gott sei Dank! Was es bedeutet als trans nichtbinärer Mensch Mitglied beim Synodalen Weg zu sein, das beschreibt Mara Klein.
Im Dezember 2019 habe ich auf katholisch.de einen Artikel zur Zusammensetzung der Synodalversammlung gelesen[1], oder vielleicht eher überflogen. Hätte ich ihn gelesen, wäre mir aufgefallen, dass im Text von genau einer diversen Person die Rede ist. So habe ich im beigefügten Diagramm zur Geschlechterverteilung nur 0,43% bei „divers“ gesehen und dachte mir nicht viel mehr dabei als: Wie schön, dass es diese Kategorie gibt! Vielleicht ein Zeichen zur Aufbruchsbereitschaft. Erst in Frankfurt zur Ersten Synodalversammlung wurde mir klar: Ich bin die 0,43%.
Ich bin die 0,43%.
Ich habe „divers“ angekreuzt, weil „Mann“ oder „Frau“ nicht stimmt. Und ich erinnere mich noch an den Moment, weil es selten vorkommt, dass ich diese Wahl habe – sie ist immer mit einer überfließenden inneren Freude verbunden.
Wenn ich sie habe, ist es eine Wahl, „divers“ anzukreuzen. Aber es ist keine Wahl, dass ich es bin. Ich habe mich nicht für diese Identität entschieden, wohl aber dafür, sie nicht zu verstecken und nicht (mehr) zu unterdrücken. Ich identifiziere mich nicht mit dem Geschlecht, das mir bei der Geburt zugeordnet wurde. Das Wort dafür ist trans. Mein Geschlecht liegt außerhalb der binären Ordnung „Mann“ und „Frau“. Ein Wort, das das auszudrücken versucht, ist nichtbinär. Wenn ich also nach einer Bezeichnung für meine Geschlechtsidentität gefragt werde, antworte ich meistens so: trans nichtbinär.
Es eine Wahl, „divers“ anzukreuzen – es ist keine Wahl, dass ich es bin.
Der Versuch, diese Zuordnung zu erklären, bringt mich schon mitten hinein in meine Erfahrung auf dem Synodalen Weg. Im Herantreten an diesen Artikel hatte ich große Schwierigkeiten, festzustellen, was genau „divers auf dem Synodalen Weg“ ausmacht. Es ist immer wieder überfordernd für mich, auf diese Facette meiner Identität reduziert zu sein. Zum einen, weil ich sie permanent erklären muss. Ich scheine als einzige diverse Person im Fokus zu stehen. Was aber nun genau „divers“ bedeutet, ist uneindeutig und deswegen erklärungsbedürftig[2]. Zum anderen, weil Geschlechterdiversität über Mann und Frau hinaus ansonsten auf dem Synodalen Weg fast nicht vorkommt und offensichtlich auch nicht vorgesehen ist.
Wenn sie vorkommt, dann durch persönliche Initiative. Viele Menschen auf dem Synodalen Weg begegnen mir sehr respektvoll. Ich werde nach meiner präferierten Anrede gefragt (einfach mein Name) und diese wird dann in der Regel eingehalten. Ich glaube, es ist für Menschen, die immer schon korrekt angesprochen werden, schwer verständlich, wie tiefgehend erleichtert ich immer wieder bin, wenn ich nicht als Frau bezeichnet werde. Und umgekehrt wie belastend es ist, wenn dies der Fall ist – auch, wenn keine Absicht dahintersteht.
Unsere Gesprächskultur ist sehr darauf ausgerichtet, dass wir Menschen mit ihrem Geschlecht anreden können.
Obwohl meine Identität im Rahmen der Synodalversammlung weitgehend bekannt ist, werde ich aber auch andauernd falsch adressiert. Meiner Erfahrung nach geschieht dies meistens aus Unwissen und Unsicherheit heraus. Unsere Gesprächskultur ist sehr darauf ausgerichtet, dass wir Menschen mit ihrem Geschlecht anreden können.
Bestimmt Geschlecht, wie wir Menschen begegnen?
Ich erinnere mich daran, wie ich als Jugendliche mit den anderen Firmlingen zusammenstand. Der Gottesdienst war gerade vorüber und der Bischof kam auf uns zu. Der Reihe nach befragte er die Jungen, ob sie nicht Priester werden wollen. Alle verneinten. Ich spürte Aufregung in mir wachsen, aber wusste, dass ich nicht gefragt werden würde, also wollte ich von mir aus sagen: Fragen Sie mich. Ich will. Doch der Bischof kehrte sich ab, als er alle Jungen befragt hatte.
Fragen Sie mich. Ich will.
Meine Erfahrung steht, wie der jüngst von Sr. Philippa Rath herausgegebene Sammelband mit Berufungszeugnissen von Frauen („Weil Gott es so will“) eindrücklich zeigt, nicht allein. Sie verdeutlicht, dass ich – auch bevor ich erkannte, dass ich trans bin – in der Katholischen Kirche geschlechtsbasierter Diskriminierung ausgesetzt war. Als ich noch dachte, ich sei eine Frau, konnte ich auf die Öffnung des Priesteramtes für Frauen hoffen. Das tue ich auch jetzt noch. Aber ich kann es nicht mehr mit der Hoffnung verbinden, dass dies irgendetwas für mich ändert.
Ich erinnere mich an meine eigene Einschätzung zu Beginn des Synodalen Weges, dass es utopisch wäre, darauf zu hoffen, dass die Diskriminierung von Trans:- und Inter:-Menschen innerhalb der Katholischen Kirche zur Sprache kommen wird. Ich dachte auch auf Grundlage der obigen Erfahrung, es wäre zu viel verlangt. Mittlerweile habe ich diese Meinung revidiert.
Diskriminierung ist eine Form von Gewalt.
Vielleicht war ich in der Vergangenheit oft zu schnell und zu gut darin, der Katholischen Kirche durch Relativierung diese Gewalttätigkeit abzusprechen oder sie zu entschuldigen. Je länger ich auf dem Synodalen Weg bin, umso mehr emanzipiere ich mich von dieser Fähigkeit. Ich möchte keine Rechenschaft dafür ablegen müssen, dass ich Menschenrechte gewahrt sehen will.
Ich möchte keine Rechenschaft dafür ablegen müssen, dass ich Menschenrechte gewahrt sehen will.
So viele Menschen im Dienst der Kirche leben in Angst, ihren geliebten Beruf – sei es als Religionslehrer:in, Theologieprofessor:in, Mitarbeiter:in einer kirchlichen Einrichtung oder Priester:in[3] – aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität oder ihrer gelebten Beziehungen zu verlieren. Viele Menschen wachsen in katholischen Umfeldern mit der Auffassung auf, sie seien aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Trans:- oder Inter:-Identität falsch oder sündhaft. Solche Umfelder machen diese Menschen vulnerabel für weitere Formen von Gewalttätigkeit. Solche Formen, die auch Anlass für den Synodalen Weg sind.
Was erwarte ich vom Synodalen Weg?
Auf dem Synodalen Weg geht es für mich darum, die Voraussetzungen für einen ganzheitlichen Lern- und Reformprozess zu schaffen, auf dessen Grundlage die katholische Kirche zu einem Schutzraum für Menschen werden kann. Am Anfang dessen stehen eine umfassende Einsicht von Schuld, der Wille zur Veränderung und eine kritische Reflexion der strukturellen und institutionellen Ursachen für verursachtes Leid.
…eine Stimme geben…
Ich bin auf dem Synodalen Weg, weil ich die Hoffnung habe, damit etwas zu verändern. Ich möchte eine Stimme geben – nicht nur mir, sondern auch allen anderen, die Diskriminierung und Gewalt in der Katholischen Kirche erfahren und keine Hilfe aus dem System heraus erhalten. Ich möchte immer wieder daran erinnern, dass es diese Menschen gibt und dass Diskriminierung in jeder Form Gewaltausübung begünstigt.
Ich wünsche mir eine Katholische Kirche, die Menschen aller Geschlechtsidentitäten würdigt und mitdenkt, eine Katholische Kirche, die geprägt ist von wahrer Chancengleichheit, in der niemand auf Grundlage des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung Diskriminierung fürchten oder Angst und Leid durchstehen muss – weder am Arbeitsplatz noch in der Gemeinde.
Deswegen denke ich, es tut dem Synodalen Weg gut, dass ich – wenn auch noch nicht in für alle verständlicher oder gar für mich ausreichender Sprache – zumindest in den 0,43% sichtbar bin und vorstellbar werde.
Autor:in: Mara Klein, Mitglied der Synodalversammlung und Mitglied im vierten Synodalforum „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“, studiert Lehramt für Englisch und Katholische Religion.
Beitragsbild: Mara Klein
[1] Roland Müller: „Die Synodalversammlung: Ein Blick auf die Mitglieder“ https://www.katholisch.de/artikel/23951-die-synodalversammlung-ein-blick-auf-die-mitglieder
[2] „Divers“ wird häufig zunächst mit Intergeschlechtlichkeit identifiziert. Über das Inter:-Spektrum hinaus fallen in den Bereich der Nichtbinarität aber auch viele Trans:-Identitäten.
[3] Ich gendere hier für alle Menschen, die erst nach ihrer Weihe eine andere (nicht männliche) Geschlechtsidentität erkannt haben.