In Österreich sind am 3. Oktober 2021 drei Jahre der Bibel zu Ende gegangen. Ein erster Rückblick von Elisabeth Birnbaum.
Die Bibeljahre: Anlass und Auftakt
Eigentlich hätte es ein weltweites Jahr der Bibel werden sollen. Zumindest war das der Wunsch der Katholischen Bibelföderation, die 2019 ihr 50-jähriges Jubiläum feierte. Die österreichischen Bibelreferate wollten nicht warten, ob der Papst diesem Wunsch nachkommt, und wünschten sich ihrerseits ein Jahr der Bibel von ihrer Bischofskonferenz.
Überraschenderweise riefen die österreichischen Bischöfe … gleich drei Jahre der Bibel aus.
Überraschenderweise riefen die österreichischen Bischöfe nicht nur eines, sondern gleich drei Jahre der Bibel aus. Der Grund dafür lag in der Fertigstellung der Revision der Einheitsübersetzung, der maßgeblichen katholischen Bibelübersetzung. Ab 2018 wurden sukzessive die Lektionare und Evangeliare dieser revidierten Übersetzung angeglichen. Und da es im katholischen Sonntagsgottesdienst drei Lesejahre gibt, entschieden die Bischöfe, auch drei Bibeljahre abzuhalten.
Phase 1: neue Lektionare, Aufreger und Impulstage
Das erste Jahr stand im Zeichen der neuen Lektionare. Am ersten Adventsonntag 2018 wurden sie in vielen Bischofs- und Pfarrkirchen mit einem „Begrüßungsgottesdienst“ empfangen. Es folgten einige Diskussionen über das Gelingen oder Nichtgelingen der Revision. Einige wenige „Aufreger“ wie der angeblich abgeschaffte Adam fanden sogar ihren Weg in die Boulevardpresse.
In weiterer Folge boten Bibelwerk und Bibelreferate österreichweit Lektorenschulungen und grundsätzliche Kurse im Bereich Bibel und Gottesdienst an. Ansonsten standen vor allem Impuls- und Vernetzungstage im Zentrum. Befreundete und verwandte Institutionen sollten ins Boot geholt und zur Mitwirkung animiert werden.
Phase 2: Sonntag des Wortes Gottes und Corona
Das zweite Bibeljahr begann vielversprechend: Papst Franziskus rief am 30. September 2019 einen Sonntag des Wortes Gottes aus. Ab 2020 sollte alljährlich im Jänner, am 3. Sonntag im Jahreskreis, das Wort Gottes und damit die Bibel im Zentrum stehen. Für den Herbst 2020 war dann eine österreichweite Bibel-Fest-Woche angesetzt. Die Vernetzungsarbeit und die Veranstaltungen nahmen Fahrt auf. Und dann kam Corona und bremste die Bemühungen vorerst aus.
Ein Innovation-Ruck ging durch die Bibelarbeit.
Phase 3: Digitalisierung, neue Kreativität und Planungsunsicherheit
Nach einer kurzen Schockstarre verlagerte sich die Bibelarbeit auf digitale Formate. Neue Impulse wurden dadurch möglich: Online-Bibel-Talks, Kurzvideos, Crashkurse, Zoom-Veranstaltungen brachten neue Möglichkeiten, Bibel zu verbreiten. Ein Innovations-Ruck ging durch die Bibelarbeit.
Doch die Planungsverunsicherung forderte auch ihren Tribut. Die Bibel-Fest-Woche wurde nach längerer Überlegung auf 2021 verschoben, manche Diözesen organisierten dennoch eine regionale Bibel-Festzeit, manche nicht. Manche kamen mit dem digitalen Schub gut zurecht, manchen fehlten die Ressourcen dazu. Auch auf Seiten der Bibelinteressierten kam es zu einer Spaltung zwischen jenen, die nun erst recht nach Veranstaltungen hungerten, und jenen, die längerfristig nicht mehr zu Veranstaltungen zu motivieren waren.
Phase 4: Schlussphase
Doch die Bemühungen der Bibelreferate ließen nicht nach. Soweit irgend möglich, fanden Studien- und Impulstage statt. Die Bibel-Fest-Woche von 24.9.–3.10.2021 rundete dann die Jahre der Bibel ab. Vor allem die Diözesen St. Pölten und Graz-Seckau entwickelten ein umfangreiches, kreatives Programm, das Online- und ortsgebundene Formate verband und von großer Vielfalt gekennzeichnet war. Und das Österreichische Bibelwerk selbst stellte mit einem Bibel-Pfad in der Wiener Innenstadt unterschiedlichste Zugänge zur Bibel vor. Ein Fernsehgottesdienst aus Anlass der Bibeljahre rundete das Programm ab.
Erkenntnis 1: Es ist viel geschehen
Der Kreativität der Bibelarbeit waren in den drei Jahren der Bibel kaum Grenzen gesetzt. Das Österreichische Bibelwerk und die diözesanen Bibelzuständigen haben neue Formate, Produkte, Hilfsmittel, Ideen und Kurs- und Lehrgangs-Konzepte für die Bibelarbeit entwickelt. Einiges davon hat sich bereits jetzt als nachhaltig und hilfreich erwiesen. Anderes wird vielleicht nach und nach mehr ins allgemeine Bewusstsein dringen.
Auf der Basis der Bibel gelang Vernetzung … erstaunlich leicht.
Die Bibel erwies sich als offen und vielseitig genug, um für unterschiedlichste Fragestellungen und Anliegen anschlussfähig zu sein. Gerade in Zeiten der Pandemie zeigte sich, wie aktuell die Botschaft der Bibel ist und wie sie für Fragen der Gegenwart fruchtbar gemacht werden kann. Kein Wunder also, dass sie auch für unterschiedlichste Weltanschauungen und Disziplinen interessant ist. Auf der Basis der Bibel gelang Vernetzung von kirchlichen und nichtkirchlichen Institutionen erstaunlich leicht. Nicht die Frömmigkeit war dafür ausschlaggebend, nicht die theologische Bildung, nicht die Kirchenbindung, sondern einzig und allein die persönliche Fähigkeit, sich auf Neues einzulassen. Und es gab genügend Menschen, die sich von der Bibel begeistern ließen. So entstanden neue Begegnungen und Weggemeinschaften.
Erkenntnis 2: Es gibt noch viel zu tun
Ob sich an der in katholischen Kreisen mancherorts verbreiteten grundlegenden Distanz zur Bibel etwas nachhaltig ändern wird, bleibt abzuwarten. Es gab schon da und dort Hinweise darauf, dass manche mit „zu viel Bibel“ nicht ganz glücklich sind. Und die Gefahr, dass nach schönen, spannenden Events die Aufmerksamkeit für die Sache selbst wieder sinkt, ist bei allen Themenjahren gegeben.
Vor allem aber erhebt sich bei all der Vielfalt auch die hermeneutische Frage. Nimmt man ernst, dass die Bibel für kirchliche wie nichtkirchliche Institutionen interessant und bedeutsam ist, müsste Bibelarbeit wohl stärker als bisher in andere kirchliche wie nichtkirchliche Bereiche eingebunden werden und als mahnende Stimme einer angemessenen Bibelhermeneutik inmitten der Vielfalt zu hören sein.
Ob die Saat aufgeht und das Wort Gottes wächst und gedeiht (vgl. Apg 12,24), wird sich zeigen.
Das Ende als Anfang
So ist der Abschluss der Bibeljahre eigentlich erst der Anfang. Die Bibeljahre haben den Samen der Bibelbegeisterung breit ausgesät. Ob die Saat aufgeht und das Wort Gottes wächst und gedeiht (vgl. Apg 12,24), wird sich zeigen.
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Elisabeth Birnbaum ist Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks und seit Juni 2018 Mitglied der Redaktion von feinschwarz.net.
Bildnachweis: © Österreichisches Katholisches Bibelwerk