Der 22. Februar ist für Pfadfinderinnen und Pfadfinder Thinking Day, ein Erinnerungstag am Geburtstag vom Robert Baden-Powell, dem Gründer der Pfadfinderbewegung. Andreas Naumann-Hinz über das Versprechen: „Duty to God“.
Narrative geben einer Gemeinschaft Ideale und inhaltliche Aufträge, oft auch Riten, Traditionen und Sozialformen mit. Zum Narrativ der Pfadfinderinnen und Pfadfinder gehören Robert Baden-Powells Erfahrungen in militärischen Auseinandersetzungen in Indien und Afrika, die Freundschaft zur Urbevölkerungen, die Liebe zur Natur und Internationalität. Teile einer Häuptlingskette aus den Burenkriegen, die Baden-Powell als Trophäe erbeutete, wurden in späteren Zeiten zu Symbolen für die Ausbildung der Leiterinnen und Leiter sowie zum sogenannten Woodbadge Zeichen der Verbundenheit und Freundschaft. Aber auch das Blasen des Kuduhornes bei Gemeinschaftsveranstaltungen wurzelt in jenen Erfahrungen Baden-Powells. Kluft und Tracht haben selbstverständlich etwas von Uniform, sollen aber soziale Differenzen verwischen. Ganz typisch ist bei vielen auch der Rangerhut.
Warum bin ich eigentlich Pfadfinderin oder Pfadfinder?
Anhand von Äußerlichkeiten und Riten vergewissert sich eine Gemeinschaft, wer sie ist. Ihr Leben gestaltet sich aus den Quellen. Die grundgelegte Pädagogik der Pfadfinderinnen und Pfadfindern ist mit der Maria Montessoris verwandt. Es geht um die individuelle Förderung junger Menschen in ihren Stärken und Interessen zu einem selbstbestimmten Leben (»Look at the boy. Look at the girl.«). Dazu gehören Fehlerfreundlichkeit und Ermutigung durch ein „Learning by Doing“ sowie die Formen von Pfadfindergesetz und Versprechen.
Ein Versprechen legen Pfadfinderinnen und Pfadfinder in unterschiedlichen Altersstufen und Funktionen feierlich ab. Hierbei sind die Kinder und Jugendlichen ganz persönlich gefragt: Warum bin ich eigentlich Pfadfinderin oder Pfadfinder? Was möchte ich als Pfadfinderin oder Pfadfinder erreichen?
Verantwortung gegenüber Gott (duty to god)
1908 hatte Baden-Powell in einem Handbuch ein einheitliches Versprechen für alle Pfadfinder formuliert. Verständlicherweise atmet es den Geist seiner Zeit:
“On my honour I promise, that –
- I will do my duty to God and King.
- I will do my best to help others, whatever it costs me.
- I know the Scout Law and will obey it”
Auf der Grundlage des Einheitstextes haben sich mittlerweile drei Prinzipien als Verantwortungsperspektiven herausgebildet. Sie dienen als Vorlage für ein persönliches, selbstständig formuliertes Versprechen, das in jeder Altersstufe neu abgelegt wird.
- Verantwortung gegenüber Gott (duty to god)
- Verantwortung gegenüber anderen (duty to others)
- Verantwortung gegenüber sich selbst (duty to yourself)
„Duty to God“ – was soll das sein?
Die Weltpfadfinderbewegung der Männer WOSM, in der die Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) Mitglied ist, interpretiert diese Verantwortungsperspektive weit. In der pfadfinderischen Pädagogik soll Raum und Anregung bei der Entwicklung der eigenen Spiritualität sein, wobei die Wortbedeutung von „Spiritualität“ oder auch „Religiosität“ vom jeweiligen Verband zu füllen ist. Es geht um die Förderung der emotionalen und spirituellen Kompetenzen.
Das Duty to God muss sozusagen in den jeweiligen Verband „inkulturiert“ werden.
Diese Interpretation ist ein Kompromiss und besonders den Religionen und Regionen geschuldet, die kein personales Gottesbild haben oder sich mit der Religion schwer tun. Es gibt auch Pfadfinderinnen und Pfadfinder mit Vorbehalten gegenüber den Religionen hinsichtlich sexueller Diskrimierungen, der Rolle der Frauen oder der Verbindung von Religion und Gewalt. Die internationale Konferenz der katholischen Pfadfinderverbände ICCS bringt das Duty to God in Verbindung mit Ethik und Lebenspraxis der katholischen Kirche, aber nicht nur und ausschließlich. Das Duty to God muss sozusagen in den jeweiligen Verband „inkulturiert“ werden.
Die DPSG lebt in ihren Stämmen und Gruppierungen. Die lokale Wirklichkeit und Lebenspraxis ist vielfältig. Unser Pfadfinderverband ist ein Ort, an dem man den christlichen Glauben kennen lernen kann. Gottesdienste, Morgen- und Abendrunden, aber auch soziales Engagement gehören zum Lebensalltag dazu. Viele Gruppen treffen sich in kirchlichen Räumen und haben in ihren Vorständen eine geistliche Leitung durch eine Kuratin oder einen Kuraten.
Spiritualität und Glaube sind für die Persönlichkeitsentwicklung unverzichtbar.
Die Pädagogik der DPSG geht davon aus, dass Spiritualität und Glaube Perspektiven auf die Wirklichkeit sind, die für die Persönlichkeitsentwicklung unverzichtbar sind. Als Lebens- und Lernort außerhalb von Schule und Familie bietet der Verband daher etwas Wertvolles an. Das Thema Spiritualität wird in so mancher Schule aus dem Lebensalltag verbannt, gar verpönt. Zudem können sich auch Kinder und Jugendliche als Glaubende in ihren Familien sehr einsam fühlen.
Ähnlich der Trias von Liturgia, Diakonia und Martyria können die drei „Duties“ gegenüber Gott, den anderen und sich selbst nicht unabhängig voneinander gedacht werden. Die Nähe zum Doppelgebot der Liebe (Mk 12,29-31) ist offensichtlich. Der Glaube in der DPSG drückt sich in der Tat aus. Das gemeinsame Handeln in der Gruppe und das Engagement des Einzelnen ergänzen sich. Traditionelle Frömmigkeitsformen sind im Verbandsleben der DPSG selten.
Die drei „Duties“ gegenüber Gott, den anderen und sich selbst können nicht unabhängig voneinander gedacht werden.
Die Lebensorte der Kinder und Jugendlichen und auch der vielen Erwachsenen liegen mehrheitlich außerhalb der Kirchengemeinden. Das hat oft gute Gründe, die zu erörtern diesen Beitrag sprengen würde. Eine Hermeneutik des Verdachtes („Wer ist ausreichend und richtig katholisch?“) schätzt das Engagement und die ehrliche Suche der jungen Menschen gering, geht es doch um Antworten: Wie wollen wir leben? Was wird aus mir? Wie gelingt Beziehung?
Vielleicht liegt die Stärke der katholischen Pfadfinderverbände darin, dass ihre Gründer weder Theologen, Ordenschristen oder kirchliche Größen waren. Die Messlatte liegt damit nicht so hoch. Die Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) und ähnlich auch die Deutsche Pfadfinderinnenschaft St. Georg (PSG) sind Teil des BDKJ, sind kirchliche Jugendverbände und ganz in der Traditions- und Glaubensgemeinschaft der katholischen Kirche zu Hause. Aber sie haben zudem auch immer Gemeinschaft mit anderen Pfadfinderverbänden, verbindend auch in anderen Konfessionen und Religionen, ja auch religiös indifferenten oder ungebundenen und das über nationale Grenzen hinweg. Eine wesentliche Erfahrung Robert Baden-Powells war es, dass Frieden nur dort entstehen kann, wo Menschen in die Freundschaft kommen.
Das Duty to God muss in der Pfadfinderbewegung immer so gedacht werden, dass es nie nur gedacht ist.
Spirituell gesprochen geht es beim Duty to God auch um die Freundschaft mit Jesus Christus. Aber genauso der Einsatz für soziale Gerechtigkeit vor Ort und weltweit, das Leben in der Gruppe und das Entdecken der eigenen Begabungen und Bedürfnisse sind Verantwortung vor Gott. Frei nach Johann Baptist Metz könnte man formulieren: Das Duty to God – die Verantwortung vor Gott – muss in der Pfadfinderbewegung immer so gedacht werden, dass es nie nur gedacht ist.
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Andreas Naumann-Hinz ist Pastoralreferent, Notfallseelsorger und Diözesankurat des Diözesanverbandes der DPSG im Bistum Münster.
Bild und nähere Informationen zum Versprechen in der DPSG: Ratgeber „Das Versprechen – Allgemeine Grundlagen und praktische Tipps“ (PDF)
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Vom Autor ebenfalls auf feinschwarz.net erschienen: