Am 20. Juni haben die Deutsche Bischofskonferenz und die Verantwortlichen für die Weltsynode 2021-2024 gleichentags mitgeteilt, wie es mit den beiden synodalen Prozessen weitergeht. Allerdings trübte die Mitteilung deutschen Bischöfe die Zuversicht, von der die Nachrichten aus Rom geprägt waren. Daniel Kosch kommentiert.
Um die Antwort vorwegzunehmen: Ich halte es nicht für einen «dummen», sondern für einen «intelligenten Zufall», dass am selben Tag das Arbeitsinstrument für die erste Sitzung der Weltsynode im Oktober vorgestellt wurde und der ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz mitteilte, dass es mit dem Synodalen Weg zwar weitergehen soll, aber vier Bischöfe die Finanzierung über den Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) verhindert haben. Denn diese Gleichzeitigkeit regt dazu an, die beiden Entwicklungen «synoptisch» zu lesen, was aufschlussreiche Beobachtungen ermöglicht. Zuerst jedoch zu den Fakten.
Das Arbeitsinstrument für die Weltsynode
Beim «Instrumentum laboris», dem Vorbereitungsdokument für die Weltsynode im Herbst, handelt es sich, anders als für frühere Bischofssynoden, um ein echtes Arbeitsinstrument. Es knüpft an die Ergebnisse des bisherigen Prozesses an und enthält nach einer Einleitung einen kurzen theologischen Teil sowie je fünf Arbeitsblätter zu den drei Schlüsselthemen «Gemeinschaft», «Sendung» sowie «Teilhabe, Verantwortung und Autorität». Gegenüber früheren Dokumenten zur Synode 2021-2024 wurde die Reihenfolge der drei Begriffe umgestellt. Das Thema «Teilhabe, Verantwortung und Autorität» und damit die strukturellen Fragen kommen zuletzt. Begründet wird dies damit, dass sich die Strukturen der Kirche an ihrem Sendungsauftrag orientieren und folglich daraus ergeben müssen. Die 15 Arbeitsblätter enthalten jeweils eine knappe Einführung, eine Frage für die «Unterscheidung» sowie eine ganze Reihe von «Anregungen für Gebet und vorbereitende Reflexion», insgesamt rund 130 an der Zahl, was die Vielschichtigkeit des Themas sichtbar macht.
Grossen Wert legt das Dokument auf die Methode des «Gesprächs im Geist», das als «zukunftsweisender Weg für die synodale Kirche» bezeichnet wird (Nr. 32ff). Diese Methode soll auch die Arbeitsweise der Versammlung in Rom prägen: In den Gruppengesprächen sollen das offene, möglichst vorurteilsfreie Zuhören, der Austausch ohne Diskussion und «ohne uns in sofortige Lösungen zu stürzen» (Nr. 29) sowie die gemeinsame Arbeit an einem «Konsens» im Zentrum stehen, «bei dem jeder das Gefühl hat, dass dieser der Durchführung des Prozesses treu bleibt und sich somit jeder repräsentiert fühlen kann» (Nr. 39). All dies steht unter dem Motto «Der Protagonist der Synode ist der Heilige Geist» (Nr. 17).
Der Beschluss des Ständigen Rates der DBK
Der Beschluss des Ständigen Rates, d.h. der deutschen Diözesanbischöfe (ohne Weihbischöfe), betrifft mit dem «Synodalen Ausschuss» jenes Gremium, das der Synodale Weg einzurichten beschlossen hat, um das weitere Vorgehen, insbesondere die Umsetzung seiner Beschlüsse und die Einrichtung eines Synodalen Rates vorzubereiten. Dass vier Bischöfe die Zustimmung zur Finanzierung über den VDD verweigern, ist nur vordergründig eine finanzielle Angelegenheit und die Suche nach anderen Finanzierungsmöglichkeiten nicht das grösste Problem. Gravierender sind die rechtlichen Auswirkungen. Bleibt es bei der Nichtbeteiligung der vier Bischöfe, ist die Fortsetzung des Synodalen Weges kein gemeinsames Projekt der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) mehr, und der Synodale Ausschuss «nur eine Einrichtung einiger Bischöfe und des ZdKs», was seine Autorität deutlich schwächt, wie Felix Neumann auf katholisch.de treffend kommentiert.
Ein Auge auf das weltkirchliche Dokument,
eines auf die Pressemitteilung
Wer mit dem einen Auge auf das weltkirchliche Dokument, mit dem anderen Auge auf die Pressemitteilung aus Deutschland blickt, muss sich unweigerlich die Frage stellen, wie das zusammen gehen kann: Auf der einen Seite das fast grenzenlose Vertrauen auf das konsensbildende Wirken des Heiligen Geistes, aus dem eine synodale Kirche hervorgeht, deren Strukturen sich aus der geschwisterlichen Gemeinschaft und ihrer Sendung ergeben. Und auf der anderen Seite das «Njet» von vier Bischöfen, die das Ergebnis eines jahrelangen partizipative Ringens beschädigen, das gewiss von unzähligen Gebeten und von «unaussprechlichen Seufzern des Geistes» begleitet war, «der sich unserer Schwachheit annimmt» (Röm 8,26). Und wer ehrlich ist, wird auf diese Frage antworten müssen:
Solange intensive partizipative Prozesse mit einem «Njet», für das grundsätzlich die Stimme eines einzigen Bischofs reicht, ausgehebelt werden können, ist das Ziel einer synodalen Kirche unerreichbar.
Dies allein schon deshalb, weil nicht nur in unseren Breitengraden immer weniger Menschen unter solchen Voraussetzungen bereit sein werden, die Mühe eines gemeinsamen, mit Suchen und Ringen verbundenen Weges auf sich zu nehmen. Aber auch, weil derartige bischöfliche Sperrfeuer am Ende eines gemeinsamen Prozesses schlicht unvereinbar sind mit der biblischen Vision einer Kirche, deren Mitglieder man «daran erkennt, dass sie einander lieben» (Joh 13,35), und die «vor allem zum Aufbau der Gemeinde beitragen» (1Kor 14,12).
Fragen aus Deutschland für die Weltsynode
So gesehen, erhöht die Entscheidung der Deutschen Bischöfe die Dringlichkeit von Fragen, die das Arbeitsinstrument für die Bischofssynode stellt: Jene nach dem «Gleichgewicht» zwischen der Autorität des Bischofsamtes und dem Prinzip der Teilhabe; jene nach der Neukonzeption von Entscheidungsprozessen; jene nach dem konstruktiven Umgang mit Fällen, «in denen die Autorität der Ansicht ist, dass sie die im gemeinschaftlichen Unterscheidungsprozess erreichten Schlussfolgerungen nicht bestätigen kann, und eine Entscheidung in eine andere Richtung trifft», um nur einige Beispiele zu nennen.
Zugleich wirft die Entwicklung in Deutschland die Frage auf, ob es wirklich angemessen ist, die Frage der Strukturen den Themen Gemeinschaft und Sendung der Kirche nachzuordnen und darauf zu setzen, dass ein geistlicher Prozess die notwendigen Entwicklungen ermöglichen wird: Müssten nicht zuerst – und sei es provisorisch – Strukturen und Verfahren geschaffen werden, die das Volk Gottes befähigen und ermächtigen, gemeinsam zu klären, welches der Auftrag der Kirche in der Welt von heute ist? Müsste aus den während und nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gemachten Erfahrungen nicht der Schluss gezogen werden, dass Veränderungen im Kirchenverständnis nur dann Wirkung entfalten, wenn gleichzeitig das Kirchenrecht entsprechend verändert wird? Kann die Kirche wahrhaft synodal werden, ohne gleichzeitig die mit ihrer monarchischen Struktur verbundenen Macht-Asymmetrien zu überwinden, welche die in der Taufwürde begründete «wahre Gleichheit» zur Leerformel degradiert?
Impulse des Arbeitsinstruments für die deutschen Bischöfe
Aufschlussreich ist aber auch der Blick vom weltkirchlichen Dokument auf die Entwicklung in Deutschland. So schärft es ein,
«dass die Ortskirche als theologischer Ort, an dem die Getauften das ‚gemeinsame Gehen‘ konkret erleben, unbedingt als privilegierter Bezugspunkt genommen werden muss» (Nr. 11).
In Gegensatz dazu berufen sich jene Bischöfe, die den Synodalen Weg kritisieren und ihn möglichst behindern wollen, auf «Rom», statt in mitbrüderlicher Solidarität mit ihren Mitbischöfen die eigene Ortskirche als «theologischen Ort» zu würdigen und das Ergebnis der Beratungen auf dem Synodalen Weg, das von grosser Konsensbereitschaft geprägt ist, zu respektieren.
Gerne würde ich dem Bericht des Ständigen Rates der DBK aber auch entnehmen, wie der geistliche Prozess verlaufen ist, der zu ihrem Nicht-Konsens geführt hat. Haben sie sich die nötige Zeit für das «Gespräch im Geist» als zukunftsweisendem Weg für die Synodale Kirche (Nr. 32ff.) genommen, um «Wege für ein gemeinsames Weitergehen jenseits von Zersplitterung und Polarisierung zu finden» (Nr. 28)? Sind jene, die meinen, sich über den erreichten Konsens hinwegsetzen zu müssen, wirklich überzeugt, dass sie damit der Gemeinschaft und der missionarischen Strahlkraft der Kirche den Vorrang vor der Durchsetzung eigener Überzeugungen geben? Haben sie sich ernsthaft von der Überzeugung leiten lassen, dass «eine authentisch synodale Kirche gar nicht anders kann, als all jene einzubeziehen, die gemeinsam die eine Taufe empfangen haben» (Nr. 24)?
Weltsynode und Synodaler Weg im Dialog
Wären die Weltsynode und der deutsche Synodale Weg nicht je höchst komplexe Gebilde, sondern Personen, fände ich es spannend, ihnen bei einem «Gespräch im Geist» zuzuhören, bei dem sie nicht darauf aus sind, Recht zu haben und zu bekommen, sondern im Wissen darum aufeinander hören, dass sie «viel dazulernen» müssen (Nr. 23) und einander bereichern können.
In diesem Licht betrachtet, ist es vielleicht nicht nur ein «intelligenter Zufall», sondern sogar eine «List des Heiligen Geistes» für die Kirche im deutschsprachigen Raum, dass zum Thema Synodalität gleichentags von Entwicklungen und möglichen Blockaden, synodalem Geist und einsamen bischöflichen Positionsbezügen, geistlichem Gespräch und Finanzierungsmechanismen, weltkirchlicher Gemeinschaft und ortskirchlichen Konflikten die Rede war. Denn diese Gleichzeitigkeit macht bewusst, dass es nach wie vor offen ist, ob die Stärkung der Synodalität für die Kirche zur «Chance» oder zur «Zerreissprobe»1 wird, und wie anspruchsvoll die Aufgabe ist, dazu beizutragen, dass aus einer Kirche, deren «Gesicht von schweren Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrisen gezeichnet ist» (Nr. 23) eine «synodale Kirche der Begegnung und des Dialogs» wird.
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Daniel Kosch, Dr. theol., leitete von 1992-2001 die Bibelpastorale Arbeitsstelle des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks und war von 2001-2022 Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) . Von 2020 bis 2023 nahm er als Beobachter aus der Schweiz am Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland teil. 2023 publizierte er ein Buch zum Thema «Synodal und demokratisch. Katholische Kirchenreform in schweizerischen Kirchenstrukturen» (Edition Exodus).
- Vgl. Zulehner, P.M./Neuner, P./Hennersperger, A., Synodalisierung. Eine Zerreissprobe für die katholische Weltkirche?, Ostfildern 2022. ↩